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Gesamte Inhalte:

© Dr. Christoph Paul Stock

 

2.7.1 Das Modell der ökonomischen Rationalität und der „homo oeconomicus“

 

Das „Modell der ökonomischen Rationalität“ folgt der Grundannahme, dass Menschen völlig rational entscheiden können. Die Rationalität steht als Ideal im Zentrum aller Überlegungen. Aufbauend auf einem vollständigen und konsistenten System von Präferenzen kann der „homo oeconomicus“, wie oben schon erwähnt (siehe Kapitel 2.5), eine rein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten denkende und handelnde Modellfigur der Wirtschaftstheorie[1], mit Hilfe perfekter Informationen über alle Märkte und Eigenschaften sämtlicher Güter (vollständige Markttransparenz) durch die Wahl bestimmter Alternativen seinen Nutzen bzw. Gewinn maximieren. Alle möglichen Alternativen und Entscheidungsmöglichkeiten sind bewusst. Die Komplexität der Zusammenhänge hindert den „homo oecomoicus“ nicht daran, die richtigen Alternativen auszuwählen. Alle Konsequenzen des Handelns werden gänzlich überblickt und das Handeln verfolgt materiell-egoistische Interessen. Ressourcen werden so eingesetzt, dass die verfolgten Präferenzen so gut wie möglich realisiert werden können.[2] In diesem Modell wird angenommen, dass der Mensch in allen Fällen und unter allen Umständen die Funktionsweise seines Gehirns bestimmen und rationales Denken und Handeln eigenbestimmt hervorbringen kann. Durch dieses rationale Denken sei es möglich, klare, nützliche und erklärende Erkenntnisse zu gewinnen und Illusionen, Fehler und Trugschlüsse weitgehend zu minimieren.[3]

Doch wir sind heute in einem hohen Maß mit Komplexität konfrontiert. Unsere Ratio wird durch die große Zahl an Elementen, Beziehungen, Interaktionen und Kombinationen, auf denen die Funktionsweise großer Systeme wie zB das globale Wirtschaftssystem beruht, überfordert. Da wir alle innerhalb der Grenzen unserer Erinnerungen und Aufmerksamkeitsspannen leben, ist die Verflochtenheit und Dynamik komplexer Systeme kaum zu überschauen. Die einzigen Instrumente, die wir nutzen können, um die Systeme besser verstehen und steuern zu können, sind unser Denken, unsere Vernunftkraft und unsere Intelligenz (vgl. dazu Kapitel 4).[4] Doch jener klassische Zugang zur Ratio, jene Sichtweise, die man dem „homo oeconomicus“ zuschreibt, jene primär logische und berechnende Herangehensweise an die Zusammenhänge reicht nicht mehr aus, um diese Komplexität zu beherrschen, und führt uns immer öfter in die Irre, da wir entscheidende Zusammenhänge nicht mehr wahrnehmen oder erkennen können. Die Ratio gelangt an ihre Grenzen.


[1] „Das Ideal des Homo oeconomicus dient dazu, elementare wirtschaftliche Zusammenhänge in der Theorie durchsichtig und ohne praktische Unzulänglichkeiten beschreiben zu können.“ Vgl. dazu in: Duden, Wirtschaft von A bis Z: Grundlagenwissen für Schule, Studium, Beruf und Alltag, 4. Auflage, Dudenverlag, Mannheim, 2010, S. 23
[2] Kirchgässner, G.: Homo Oeconomicus, 3. Auflage, Mohr Siebeck Tübingen, 2008, 12 ff
[3] Vgl. bei: Papineau, D. (Hrsg.): Philosophie, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 2006, S. 100
[4] Vgl. dazu bei: De Rosnay, J.: The Macroscope: A New World Scientific System, Harper & Row, Publishers, Inc., New York, 1979, S. 4
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