top of page
Lebensurbild%20Muster5_edited_edited.png

Gesamte Inhalte:

© Dr. Christoph Paul Stock

 

2.7.2 Das soziale Modell

 

Die Rationalitätsannahme ist ein zentrales Element ökonomischer Theorien. Ökonomische Theorien gehen davon aus, dass Präferenzbildungen menschliches Handeln in einer Welt knapper Ressourcen auf das Ziel einer Nutzenmaximierung hin bedingen. Doch um welchen Nutzen geht es hier? Ist dieser Nutzen erreicht, wenn Unternehmer ihren Gewinn maximieren? Auf jeden Fall hilft der Gewinn einzuschätzen, ob ein Unternehmer richtige Entscheidungen getroffen hat oder nicht und ermöglicht, die unternehmerischen Aktivitäten der Zukunft zu finanzieren. Dabei ist es in Wahrheit nicht entscheidend, ob der Unternehmer durch das Streben nach Reichtum, Profit oder durch den Anspruch, gute Taten zu vollbringen oder sich selbst zu verwirklichen, motiviert wurde. Entscheidend ist die Frage, ob das Unternehmen als Organ und Teil der Gesellschaft einen bestimmten Zweck verfolgt und damit Bedürfnisse befriedigt, die in der Gesellschaft offensichtlich oder latent vorhanden sind. Die Menschen als Kunden, Klienten, Patienten entscheiden, für welche Güter und Dienstleistungen sie bereit sind, etwas zu bezahlen. Der Kunde kauft nicht nur ein Produkt, sondern einen Nutzen. Die entscheidende Frage ist also, ob das Unternehmen der Gesellschaft nützt und in der Lage ist, durch die Befriedigung der Kundenbedürfnisse den Wohlstand einer Gesellschaft zu steigern. So betrachtet, geht es nicht einfach nur darum, billig einzukaufen und teuer zu verkaufen, sondern darum, für die Gesellschaft einen Nutzen zu stiften.[1]

Damit wird die ökonomische Frage aber auch zu einer sozialen Frage und der reale Akt des Verkaufens und Kaufens von Gegenständen oder gegenständlichen Leistungen zu einer Frage der Vision und damit einer tieferliegenden Idee, durch welche der Zweck und die Ziele von Unternehmen bestimmt werden. Soziale Handlungskontexte und kulturelle Einflüsse beginnen eine Rolle zu spielen. Gegenüber ökonomischen Modellen, die Zusammenhänge mit Hilfe von Axiomen erklären, braucht es im kulturellen und sozialen Kontext weniger deduktive, vom Allgemeinen auf das Besondere schließende und auf die Auffindung von Gesetzen gerichtete nomothetische Modelle, als vielmehr hermeneutische Ansätze, die deutend und interpretierend die Phänomene des sozialen Miteinanders in ihren Sinnzusammenhängen verständlich zu machen vermögen. Phänomene des Sozialen und der Kultur sind mathematisch nicht zu berechnen und können nur durch Symbole, Vorstellungen, Meinungen, Glaubenssätze und Weltanschauungen begreiflich gemacht werden. Ausgedrückt durch erzählendes Deuten und diskursives Argumentieren lassen sich Bedeutungen erfassen und verstehen. Der Mensch ist in seiner Kulturbezogenheit und eingebunden in das soziale Umfeld der Gruppe und der Gesellschaft in ein Bedeutungsgewebe verstrickt, das sich je nach Umfeld unterschiedlich darstellt und damit vielfach individuell, einmalig und oft unwiederholbar ist. Dieses Beziehungs- und Lebensgeflecht ist kaum nomologisch mit Denkgesetzen zu erfassen, sondern semiotisch durch analysierende Beschreibung. Erklärende Naturwissenschaft und auf Verständnis zielende Geisteswissenschaft fallen hier auseinander und zielen auf unterschiedliche Lebensdimensionen ab. Die Naturwissenschaft auf das Körperliche und die Geisteswissenschaft auf das Geistig-Seelische. Diese Unterscheidung ist auch im unternehmerischen Alltag von Bedeutung. Wer gewohnt ist, mit Zahlen, Grafiken und Berechnungen seinen Managementalltag zu bestreiten, wird an betriebliche Entscheidungsfragen anders herangehen als jemand, der damit vertraut ist, Probleme anzusprechen, zu hinterfragen, diskursiv zu argumentieren und primär über Sprache und Kommunikation zu steuern. Die Berechnung ist handfester, statischer und scheint sicherer, ist vielleicht klarer, deutlicher und einheitlicher. Das Gespräch ist vage, oft vieldeutig, unsicherer und ringt in einem dynamischen Prozess um Mentalität durch Deutung von Bedeutungsinhalten, Sichtweisen, Anschauungen und Meinungen. Der nomologische Ansatz ist wohl erklärender, glatter und logischer, der semiotische Ansatz visionärer, ideenbezogener und dem Seelischen näher. In diesem Widerstreit eröffnet sich das alte philosophische Leib-Seele-Problem, das im Spannungsfeld zwischen einer rein physischen, einer rein mentalen oder einer dualen Sichtweise steht.[2]


[1] Drucker, P. F.: Was ist Management? Das Beste aus 50 Jahren, 5. Auflage, Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin, 2007, S. 35 ff
[2] Behnke, J./Bräuninger, t./Shikano, S. (Hrsg.): Jahrbuch für Handlungs- und Entscheidungstheorie, Band 6: Schwerpunkt Neuere Entwicklungen des Konzepts der Rationalität und ihrer Anwendungen, 1. Auflage, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 2010, S. 69 ff
© Christoph Paul Stock | Wien | 2025 | All rights reserved!
lebensurbild_begriffswolke_6.png
bottom of page