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Gesamte Inhalte:

© Dr. Christoph Paul Stock

 

3.4 Faktoren der Verhaltensinitiierung

 

Martin Fishbein und Icek Ajzen zeigten, dass Einstellungen allein nicht zwingend eine Handlung nach sich ziehen. Gerade Untersuchungen zum Entscheidungsverhalten von Konsumenten unterstreichen diese Annahmen. Offensichtlich wirken aktivierende und kognitive Prozesse bei der Steuerung realer Entscheidungen zusammen. Ausschlaggebend für die Verhaltensinitiierung ist eine Aktivierung, die bedingt wird durch den Umfang und die Selektivität der Informationsverarbeitung, die Art der Alternativenbewertung und Aspekte der Kompensation. Die Reaktion auf die Aktivierung kann eher kognitiv mit aktiver Informationssuche, hoher Verarbeitungstiefe, vergleichenden Bewertungen und dem Streben nach einer Entscheidungsoptimierung oder eher emotional mit Bezug zu Entscheidungskriterien wie Glaubwürdigkeit, Vertrauen, Kontaktpflege und persönlichen Bindungen ausfallen.[1]

Im menschlichen Denken gibt es nach dem „Elaboration Likelihood Model“[2] von Richard E. Petty und John T. Cacioppo zwei Verarbeitungspfade, von denen einer über einen aufwendigen Denkmodus abläuft und als „zentraler Pfad“ bezeichnet wird und ein anderer über einen gedanklich aufwandslosen intuitiven Denkmodus, den sogenannten „peripheren Pfad“. Da die menschlichen kognitiven Ressourcen begrenzt sind, wird der „zentrale Pfad“ aufwendiger kognitiver Verarbeitung nur dann gewählt, wenn ein ausreichendes Involvement bzw. eine ausreichende Motivation und entsprechende Fähigkeiten dafür vorhanden sind. Dabei kennzeichnet das abstrakte Konstrukt des Involvements einen Zustand der Aktivierung. Diese Aktivierung wird durch Interessen, Risiko, persönliche Prädispositionen, spezifische Situationsbedingungen und Umfeldbeeinflussungen bestimmt. Bei geringem Involvement ist die Wahrnehmung von Problemlagen unwahrscheinlicher und kognitive Dissonanzen treten weniger häufig auf als bei hohem Involvement. Ist das Involvement hoch und damit eine starke Aktivität und wenig unreflektierte Persuasion gegeben, kommt es zu einer tiefgehenden kognitiven und komplexen Verarbeitung zentraler Argumente mit Blick auf deren Qualität und Überzeugungskraft, woraus sich relativ beständige Einstellungen entwickeln, die gute Verhaltensprognosen erlauben. Ist das Involvement niedrig oder fehlen entsprechende Fähigkeiten und ist damit Passivität und Anfälligkeit für Persuasion gegeben, werden periphere Hinweise eher intuitiv und oberflächlich verarbeitet, indem weniger die Qualität der Argumente als vielmehr der Reiz überzeugt. So gebildete Einstellungen sind vorübergehend und können leicht geändert werden. Verhalten kann schwerer vorausgesagt werden. Zustimmende oder ablehnende Gedanken der zentralen Verarbeitung bestimmen entsprechend die Richtung der Einstellungsänderung.[3]

Die Alternativensuche und -bewertung hängt vom Involvement und dem Pfad der Verarbeitung ab. In Entscheidungsprozessen mit hohem Involvement und einem geringen Informationsstand wird meist ein extensiver Entscheidungsprozess mit zentraler Verarbeitung initiiert, der sich auf Grund fehlender Entscheidungsmuster, einer fehlenden Vorstrukturierung des Problems und der Schwierigkeit der Risikoeinschätzung oft in die Länge zieht. Motivationale und kognitive Prozesse bedingen sich gegenseitig und das Anspruchsniveau an die Entscheidung ist von subjektiven Zielnormen und Erwartungen geprägt. Automatismen spielen eine geringe Rolle.

Das Entscheidungsverhalten ist eher limitiert, wenn wenig Zeit zur Verfügung, große Informationsmengen vorhanden, die Erfahrung des Entscheiders gering und das Problem nicht besonders bedeutend ist. Es wird auf Schlüsselinformationen zurückgegriffen, die eine verdichtende und entlastende Informationsstruktur ermöglichen, mit deren Hilfe Faustregeln in einer bedingt überlegten Entscheidung zur Anwendung kommen können. Automatismen und emotionale Aktivierungen sind wenig bedeutend. Auch die kognitive Kontrolle ist nur mäßig. Dennoch ist die Verarbeitung eher zentral als peripher.[4]

Wurden in der Vergangenheit schon häufiger ähnliche Entscheidungen getroffen, wird es durch Lernprozesse und Gewohnheiten möglich, Entscheidungen habitualisiert zu treffen, wodurch eine kognitive und emotionale Entlastung möglich ist. Das Involvement ist schwach und die Verarbeitung peripher. Reaktive Automatismen spielen in solchen Entscheidungsprozessen eine wichtige Rolle.[5]

Werden Entscheider mit Reizen konfrontiert, die ein sehr hohes Aktivierungspotential haben, können emotionale und reaktive Mechanismen zu impulsiven Entscheidungen führen. Nicht selten werden solche Impulsiventscheidungen durch Dissonanzen oder ungelöste Konflikte bei extensiven Entscheidungen ausgelöst. Der kognitive Einsatz wurde frustriert und macht sich in einem impulsiven Vorgehen durch Kompensation Luft.[6]

 

Josef Mazanec[7] stellte fest, dass neben Einstellungen auch Image, Risiko und „kognitive Dissonanz“ eine entscheidende Rolle bei der Entscheidungsfindung spielen. Wie schon erwähnt, sind Einstellungen zwar ein guter Indikator für zukünftiges Handeln aber im Reigen anderer Verhaltensprädikatoren nur ein Mitverursacher. Tatsächliche subjektive Einstellungen können von gesellschaftlichen Normen oder sozialen Anpassungsmechanismen überlagert sein und in so mancher Entscheidung spielen gefühlshafte Anmutungen (Konnotationen) eine größere Rolle als nachprüfbare Informationen (Denotationen).

Annahmen und Überzeugungen auf Grund von objektiven Sachinformationen kombiniert mit Emotionen, die der Entscheider mit dem Entscheidungsgegenstand verbindet, sowie persönliche und betriebliche Bedürfnisse als Motivationsfaktor aktivieren Einstellungen und bewirken eine Präferenzbildung in Richtung eines bestimmten Verhaltens. Je positiver die Einstellungen zu einem Lieferanten sind, desto eher werden von diesem Lieferanten Waren bezogen werden. Je mehr eine Führungskraft auf die sachliche Kompetenz eines Mitarbeiters vertraut, desto eher werden verantwortungsvolle Aufgaben an diesen Mitarbeiter delegiert werden. Einstellungen wirken eher rational auf Verhaltensdispositionen ein.

Ist das Involvement des Entscheiders ebenso gering wie die Sachkenntnisse, nutzen Entscheider häufig schematisierte Vorstellungen (Image), um das fehlende Wissen auszugleichen und so zu Präferenzen und einer Verhaltensabsicht zu gelangen. So wird zB Büromaterial bei einem regional aktiven und bekannten Anbieter ohne große Preisvergleiche mit anderen Anbietern gekauft, weil zu erwarten ist, dass sich der regionale Anbieter mit einem Gegengeschäft erkenntlich zeigen wird. Eine betriebsinterne Spendensammlung wird zugunsten einer bekannten Behinderteneinrichtung durchgeführt, weil bekannt ist, dass die Einrichtung unter vielen Mitarbeitern ein hohes Ansehen genießt und so ein emotionaler und sozialer Zusatznutzen gegeben ist.

Entscheider sind bemüht, das Risiko zu minimieren. Dabei gibt es risikofreudigere und risikoscheuere Personen. Von dieser Risikobereitschaft in Verbindung mit dem allgemeinen und spezifischen Selbstvertrauen, das ein Entscheider mitbringt, hängt es ab, wie lange nach relevanten Information gesucht wird, wie ausgeprägt das Bemühen ist, die Informationsquellen zu bewerten, und inwieweit Geschäfte auf Probe oder nur mit einem Gegenüber geschlossen werden, das man aus der Vergangenheit her gut kennt. Beim Erwerb einer Immobilie werden ungleich mehr Informationen eingeholt werden müssen als beim Kauf eines Fahrzeuges.

Für die Situation nach einer Entscheidung gilt, dass Entscheider umso mehr bemüht sind, Informationen, die ihre Entscheidung rechtfertigen, zu suchen, zu selektieren und entsprechend zu interpretieren, je höher ihr Involvement, ihre Ich-Beteiligung, ihr persönliches Engagement und ihre Identifikation mit der Entscheidung (Commitment) waren. Entscheider streben danach, „kognitive Dissonanzen“ abzubauen und dafür durchaus auch gewillt, Einstellungen zu hinterfragen und zu ändern.[8]

Auch wenn die hier modellhaft beschriebenen Zusammenhänge im Kontext der Werbung und des Konsumentenverhaltens erforscht wurden, stellen die Situationen typische Entscheidungsfragen zur Diskussion, wie sie in allen Unternehmensbereichen vorkommen.


[1] Vgl. auch bei: Kroeber-Riel, W./Weinberg, P./Gröppel-Klein, A.: Konsumentenverhalten, 9. Auflage, Verlag Franz Vahlen, München, 2008, S. 410 f
[2] Vgl. in: Batinic, B./Appel, M.: Medienpsychologie, Springer Medizin Verlag, Heidelberg, 2008, S. 301.
[3] Schweiger, G./Schrattenecker, G.: Werbung, 7. Auflage, Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart, 2009, S. 208 ff
[4] Vgl. zu extensiven und limitierten Entscheidungen bei: Kroeber-Riel, W./Weinberg, P./Gröppel-Klein, A.: Konsumentenverhalten, 9. Auflage, Verlag Franz Vahlen, München, 2008, S. 423 ff
[5] Vgl. zu habitualisierten Entscheidungen bei: Ibid., S. 439 ff
[6] Vgl. zu impulsiven Entscheidungen bei: Ibid., S. 447 ff
[7] Zur modellhaften Beschreibung von Konsumentenverhalten wurden von Josef Mazanec 1978 vier Partialmodelle vorgestellt, von denen jedes ein anderes Segment des gesamten Kaufentscheidungsprozesses untersucht und vor allem eine Erklärung für die Markenwahlentscheidung der Konsumenten liefern soll.
[8] Vgl. in: Schweiger, G./Schrattenecker, G.: Werbung, 7. Auflage, Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart, 2009, S. 23 ff
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