
K O N T A K T

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© Dr. Christoph Paul Stock
3.5.3 Die rationale Führungskraft
Die „Biases“ zeigen klar auf, dass Führungskräfte in vielen Fällen offensichtlich nicht auf rein rationale Lösungsansätze zurückgreifen. Die rein rationale Führungskraft scheint eher die Ausnahme als die Regel zu sein. Ein durchgängig rationales Vorgehen wird nur selten gewählt. Bei einem rationalen Vorgehen werden Probleme dadurch identifiziert, dass aktuelle Leistungen mit erwarteten Standardleistungen verglichen werden. Was tatsächlich passiert wird bei diesem Ansatz mit dem verglichen, was passieren sollte. Bei einem solchen rationalen Vorgehen können Probleme als Abweichungen von Standradleistungen definiert werden. Sind die Probleme einmal erkannt, müssen die Gründe für die Probleme identifizieren werden, wofür eine präzise und vollständige Beschreibung der Probleme notwendig ist. Es ist zu fragen, was, wo, wann und in welchem Ausmaß passiert. Die Grenzen des Problems können dadurch erkannt werden, dass beschrieben wird, was nicht passiert bzw. nicht problematisch ist. Die Ursachen für Probleme werden gefunden, indem Situationen, in denen die Probleme auftreten, mit Situationen, in denen diese Probleme nicht auftreten, verglichen werden. Probleme berühren meist Teilbereiche einer Unternehmung. So können Vergleiche zwischen Bereichen helfen, die Ursachen für die Probleme zu finden. Probleme werden als Resultat von Veränderungen verstanden, die eine unerwünschte Abweichung von den Erwartungen bedingen. Hier ist zu fragen, welche Veränderungen stattgefunden haben und wie sie sich aktuell auswirken.[1]
Ein solches Vorgehen ist möglich, wenn die Probleme wirklich klar definierbar sind. Dies ist in den meisten Fällen nicht der Fall. Probleme haben fast immer mehrere oft verwickelte Ursachen und lassen sich darüber hinaus nur schwer quantifizieren, so dass die Abweichung vom Standard auch tatsächlich gemessen und kalkuliert werden könnte. Zusätzlich sind viele Probleme qualitativer Natur, was einen Vergleich erschwert oder gar unmöglich macht. Darüber hinaus muss der Standard stabil sein. Ansichten, Stimmungen und Werte verändern sich mit der Zeit. Je länger ein Problembewältigungsprozess dauert, umso eher ist anzunehmen, dass sich der Standard verändert. So wie der Standard müssen auch Situationen stabil bleiben. Auch das ist selten der Fall. Problemlagen können sich durch neue Situationen rasch verändern. Manche Probleme lösen sich fast von selbst, andere eskalieren in einer völlig unerwarteten Geschwindigkeit. In den meisten Entscheidungssituationen spielen der Faktor Zeit und der Faktor Aufwand eine entscheidende Rolle. Eine präzise und vollständige Beschreibung eines Problems erfordert meist langwierige und nicht selten kostenintensive Untersuchungen. Es stellt sich immer die Frage, ob der zeitliche Aufwand und der Ressourcenaufwand in einem vernünftigen Kosten-Nutzen-Verhältnis zur gewonnen Information über die Problemsituation stehen. Es kann schwierig sein, einen primären Grund festzustellen. Dann wird es notwendig, verschiedene Ursachen miteinander zu vergleichen und deren Relevanz zu bestimmen. Die Ursachenszenarios selbst müssen genauso realistisch und vollständig sein wie ihre Bewertung. Auch das ist ein in betrieblichen Alltagssituationen kaum zu erreichender Anspruch. Vielen Führungskräften fehlen die Fähigkeiten, Möglichkeiten, Zeit- und Finanzressourcen, um einem rein rationellen Modell folgend Probleme erkennen und Entscheidungen treffen zu können.[2]
Unter diesen Voraussetzungen wird klar, dass nur wenige Entscheidungsprobleme optimierte Problemlösungen erlauben.[3]