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Gesamte Inhalte:

© Dr. Christoph Paul Stock

 

4.1.2 Dynamik

 

Technomorphe Gebilde haben etwas Statisches und Lebloses. Sie können von großer Ästhetik und Schönheit sein und je nach Bauart auch außerordentlich beeindruckende Bewegungen hervorbringen. Doch es fehlt ihnen das Eigenleben, das typisch ist für biologische und soziale Gebilde.

Dynamik bezieht den Faktor Zeit in das Szenario des komplexen Systems mit ein und macht die Berechenbarkeit der Systeme noch schwieriger und schränkt ihre Überschaubarkeit weiter ein. Zukünftige dynamische Entwicklungen abzuschätzen, ist ausgesprochen schwierig. Selbst ganz einfache Modelle mit nur zwei Variablen und einer linearen Entwicklung zeitigen oft schon unerwartete und verblüffende Ergebnisse. In einer simulierten Populationsdynamik von Hasen und Füchsen nach Lotka-Volterra, in der sich die Füchse ausschließlich von den Hasen ernähren, entwickeln sich die Populationsbestände völlig unterschiedlich, je nachdem wie groß die Anfangsbestände der Füchse sind. Bei diesem Modell handelt es sich um eine mathematische Differentialgleichung, mit der quantitative Aspekte der Populationsentwicklung abgebildet werden. Ist in der Simulation der Startwert der Füchse zB mit 10 angenommen und alle anderen Variablen konstant gehalten, gibt es drei Zyklen in einer Simulationsperiode, die sich durch die Zunahme der Räuber und der sich daraus ergebenden Dezimierung der Beute, der sich daran anschließenden Reduktion der Räuber auf Grund des geringeren Nahrungsangebotes und einer darauf folgenden Zunahme und Erholung der Beute ergeben. Nach diesen drei Zyklen sterben beide Populationen aus. Wird der Startwert bei 250 Füchsen angesetzt, entsteht nur ein großer Zyklus und es kommt zum Aussterben der Hasen und Füchse nach der halben Simulationsperiode. Ein lineares System, wie hier beschrieben, kann in der Natur nicht gefunden werden.[1]

Es gibt zwar in der Natur ein beobachtetes und gekoppeltes Räuber-Beute-System mit zeitverzögerten ca. 10 Jahre dauernden Zyklen, in dem amerikanische Schneeschuhhasen die Beute und kanadische Luchse die Räuber sind. Wie in allen biologischen Systemen zeigten sich aber auch in diesem System nichtlineare Anteile.[2] In so komplexen Systemen tragfähige Prognosen abzugeben und Vorhersagen zu treffen, ist praktisch unmöglich. Daher ist es schwierig, Ausbreitungsgeschwindigkeiten und Intensitäten von Epidemien vorher zu sagen oder das Problem des Atommülls zu lösen.[3]


[1] Vgl. bei: Funke, J.: Problemlösendes Denken, 1. Auflage, W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart, 2003, S. 132
[2] Vgl. in: Imboden, D.M./Koch, S.: Systemanalyse. Einführung in die mathematische Modellierung natürlicher Systeme, 1. Auflage, Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg, 2003, S. 154 ff; vgl. auch in: Krebs, C.J./Boonstra, R./Boutin, S./Sinclair, A.R.: What drives the 10-year Cycle
of Snowshoe Hares?, Bioscience, Volume 51, Issue 1, 2001, S. 25-35. Internetzugriff am 27.01.2012 unter http://bio.fsu.edu/~james/krebs.pdf
[3] Vgl. bei: Funke, J.: Problemlösendes Denken, 1. Auflage, W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart, 2003, S. 131 f
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