
K O N T A K T

Gesamte Inhalte:
© Dr. Christoph Paul Stock
5.2.9 Kreative Einfälle, intuitive Entdeckungen und intuitives Expertenwissen
Jeder kennt die Situation, dass man sich mit einem Problem vergebens intensiv und über längere Zeit abmüht und trotz Nutzung einer systematischen und logischen Vorgehensweise zu keinem Ergebnis kommt. Nicht selten taucht dann plötzlich und überraschend eine Lösung des Problems just in jenem Moment auf, in dem man die Suche nach einer Lösung aufgegeben hat und der Geist sich mit etwas ganz anderem als dem ungelösten Problem beschäftigt.[1] Anstrengungen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse und Intelligenz sind zwar notwendig, um herausfordernde Problemstellungen zu lösen, aber vielfach nicht ausreichend, um innovative Lösungen zu finden. Personen, die gute Ergebnisse bei Intelligenztest erzielen, schneiden normalerweise auch gut bei Kreativitätstests ab. Doch ab einem gewissen Niveau, das bei einem Wert des Intelligenzquotienten von etwa 120 liegt, verringert sich die Korrelation zwischen Intelligenzwerten und Kreativität. Neurologische Untersuchungen haben ergeben, dass sich jene Hirnareale, die bei der Messung der Intelligenz eine besondere Rolle spielen und auf Fragestellungen abstellen, für die es nur eine richtige Antwort gibt („konvergentes Denken“[2]), von Hirnarealen unterscheiden, die sich mit Fragestellungen befassen, für die mehrere mögliche richtige Antworten existieren („divergentes Denken“[3]).[4]
Kreativität hat nur bedingt mit Glück und Zufall zu tun. Einem Denken, das nicht gut vorbereitet ist, das sich mit den relevanten Themen nicht eingehend und intensiv auseinander gesetzt und auf diese Art und Weise ein ausreichendes Expertenwissen und Expertenkönnen erworben hat, werden sich nur in Ausnahmefällen kreative Chancen eröffnen.[5] Kreatives Vorgehen und Handeln entsteht aus der Erfahrung. Hier greifen Kreativität und Intuition ineinander. Begabte Violinisten wissen spontan in jedem Augenblick ohne Nachdenken, in welchem Winkel, mit welchem Druck und in welcher Geschwindigkeit sie den Bogen auf das Instrument setzen und bewegen müssen. Ihnen ist ein kreatives Spiel möglich, obgleich sie nicht bewusst wissen und auch nicht sagen können, wie sie das machen, was sie machen.[6]
Innovationen beginnen mit kreativen Ideen. Dabei bedeutet Kreativität nicht nur die Herstellung neuer Dinge aus dem Nichts heraus, sondern sie entspringt häufig auch der synergetischen Verbindung von zwei oder mehr früher unverbundenen Fakten oder Ideen zu etwas Neuem. Kreativität ist damit ein Überschreiten der aktuellen Grenzen. Dies kann Technologien, Wissen, soziale Normen oder den Glauben betreffen. Die innovative Zusammensetzung des ersten Personalcomputers und die kreative Idee, dass PCs nicht beige oder grau sein müssen, sondern auch aus blauem oder durchsichtigem Kunststoff gefertigt sein können, haben Steve Jobs und Stephen Wozniak, die Gründer von Apple, berühmt gemacht. Eine Förderung der Kreativität ist durch eine entsprechende Gestaltung der Umgebung, durch Leadership (Führung), durch die Organisationskultur und den Einsatz von Kreativitätstechniken wie „Brainstorming“[7], „Brainwriting“[8], „Synektik“[9] und den „morphologische Kasten“[10] möglich.[11]