
K O N T A K T

Gesamte Inhalte:
© Dr. Christoph Paul Stock
5.3.6 Beharren auf Überzeugungen und Bestätigungstendenz
Das Leben verändert sich ständig und damit auch die Grundlagen, auf denen Menschen ihre Auffassungen zu diversen Lebensfragen aufbauen. Beim „Beharren auf Überzeugungen“ („belief perseverance“) werden ursprüngliche Auffassungen nicht oder zu spät an neue Grundlagen angepasst und alte Grundlagen durch Überzeugungen geschützt und verteidigt. Um solche Überzeugungen zu beseitigen, braucht es oft stärkere Argumente als jene, die ursprünglich zur Bildung der Überzeugung hinreichten.
Beharrungstendenzen spielen eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit sozial sensiblen Konfliktbereichen. Lord et al. untersuchten die Überzeugungen von Befürwortern und Gegnern der Todesstrafe, indem sie den Probanden Studien vorlegten, in denen die Abschreckungswirkung der Todesstrafe entweder belegt oder bestritten wurde. Die Probanden zeigten sich jeweils von jener Studie beeindruckt, die ihre Überzeugungen stützte, und kritisierten heftig jene Studie, die dem eigenen Standpunkt widersprach.[1] Selbst nach Aufforderung möglichst objektiv und unvoreingenommen zu sein, nahmen die parteiischen Bewertungen nicht ab. Erst in einem Testsetting, in dem die Versuchspersonen gefragt wurden, ob sich in ihrer Bewertung etwas ändern würde, wenn gerade jene Studie, die ihre Überzeugung stützte, zu einem entgegengesetzten Ergebnis gekommen wäre, kam es zu einer unvoreingenommeneren Bewertung der Studienergebnisse.[2]
Haben wir viele Gründe, an einer Überzeugung festzuhalten, ignorieren wir umso mehr Hinweise, die gegen diese Überzeugung sprechen.[3] Dann sterben Theorien nicht mehr in jenem Zeitpunkt, in dem sie widerlegt sind, sondern in jenem, in dem all jene verschwunden sind, die an sie glaubten.
Unter der „Bestätigungstendenz“ („confirmation bias“) versteht man das zum Beharren auf Überzeugungen verwandte Phänomen, dass Informationen, von denen die eigenen Hypothesen, Überzeugungen oder Sichtweisen bestätigt werden, bevorzugt gesucht, wahrgenommen und stärker gewichtet in Erinnerung gehalten werden als widersprechende Informationen. Darüber hinaus werden ambivalente Informationen eher als Bestätigung der eigenen Ansichten interpretiert und bestätigende Informationen stärker gewichtet als widersprechende Informationen. Auf Grund der Bestätigungstendenz wird sogar an diskreditierenden Hypothesen festgehalten.[4]
Ganz grundsätzlich wird durch den „Bestätigungsfehler“ das erkenntnistheoretische Primat des kritischen Rationalismus, jedes Untersuchungsergebnis als vorläufiges zu betrachten und durch entsprechende Darstellung der gemachten Beobachtungen, erstellten Theorien und aufgestellten Hypothesen sowie deren Überprüfung durch öffentlich dokumentierte und dargestellte Experimente in einem normierten und nachvollziehbaren Verlauf hinterfragbar zu machen, unterlaufen. Nicht selten wird viel oder alles getan, um die einmal gefassten Überzeugungen gegen kritische Hinterfragungen und Überprüfungen zu immunisieren.[5]