
K O N T A K T

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© Dr. Christoph Paul Stock
6.3 System schöpferischer Evolution
Popper hat in diesem Zusammenhang ein System „schöpferischer“ bzw. „emergenter Evolution“ entwickelt, ein System in dem dynamische Elemente von dynamischen Elementen plastisch gesteuert werden. Die verschiedenen gesteuerten Teilsysteme machen nach seinem Konzept Versuch-und-Irrtums-Schritte, die vom steuernden System teilweise unter-drückt und teilweise beschränkt werden. In Anlehnung an die neodarwinistische Evolutionstheorie versteht Popper dabei als „Mutationen“ die mehr oder weniger zufälligen Versuch-und-Irrtums-Schritte und als „natürliche Auslese“ eine Steuerung durch Fehlerelimination. Popper geht davon aus, dass alle Organismen von Anbeginn der Arten ständig mit dem Lösen von Problemen beschäftigt waren. Dabei geht es um die Lösung von Problemen im objektiven Sinn. Sie müssen keinem Gegenpart bewusst sein und können im Fall, dass sie einem Gegenpart doch bewusst sind, durchaus dem bewussten Problem widersprechen, da die Evolution kein bewusster Vorgang ist. Die Problemlösung wird meist erst in der Rückschau erkannt, da jemand, der an einem Problem arbeitet, meist nicht angeben kann, was eigentlich sein Problem ist, bevor er eine Lösung gefunden hat. Selbst in jenen Fällen, in denen Probleme genau definiert werden können, ist ein Irrtum möglich und nicht selten wahrscheinlich. Vielfach wird nach Lösungen für Probleme gesucht und schließlich ein ganz anderes Problem gelöst.[1] Die Methode der Problemlösung ist jene von Versuch und Irrtum. Organe, Verhaltensweisen und Hypothesen werden versuchsweise entwickelt und durch Fehlerelimination kontrolliert. Dabei kann die Fehlerelimination nicht erfolgreiche Formen ausschließen oder versuchsweise Steuerungsmechanismen entwickeln, die unbrauchbare Organe, Verhaltensweisen oder Hypothesen abändern oder unterdrücken.
Im Einzelorganismus schiebt sich die Struktur als Ergebnis vieler vererbter Änderungen, die eine Art durchgemacht hat, zusammen und bildet ein Steuerungssystem, das in der gegebenen ökologischen Nische und gewählten Umwelt sich zu bewähren hat. Der Organismus und sein Verhalten können der Fehlerelimination zum Opfer fallen oder im günstigeren Fall überleben.[2] Die Probleme, die der Organismus zu lösen sucht, sind meist neu und häufig selbst Ergebnisse der Evolution. Durch die Entwicklung eines fehlereliminierenden Rückkopplungssystems das innerhalb der Hierarchie eines Systems eine plastische Steuerung gewährleistet, wird es möglich, dass durch die Steuerung die Fehler eliminiert werden, ohne dass das System oder der Organismus zugrunde geht oder getötet wird. So ist es möglich, dass Hypothesen an Stelle von Systemen oder Organismen sterben. Doch vielfach sterben überholte Theorien nicht durch einen plastischen fehlereliminierenden Steuerungseingriff, sondern erst mit den Entscheidungsträgern selbst. Die große Chance liegt in unserer Einstellung zu Irrtümern. So meint Popper, dass eine Amöbe nicht in der Lage sein wird, neue Lösungen selbst zu finden und im Anschluss daran diese Lösung nach Kräften zu hinterfragen, zu widerlegen und Fehler in ihr zu finden. Ein Wissenschaftler wie Albert Einstein ist dazu aber in der Lage und kann mit Hilfe von Hypothesen Fehler so schnell wie möglich machen, um die wirklich tragfähigen Hypothesen finden und eingehend prüfen zu können.[3]