top of page
Lebensurbild%20Muster5_edited_edited.png

Gesamte Inhalte:

© Dr. Christoph Paul Stock

 

6.7.2 One-Reason Decision Making

 

Über jene Heuristiken hinaus, die auf Wiedererkennung setzen, gibt es Heuristiken, die jeweils einen Grund oder einen Schlüsselhinweis aus dem Erinnerungsgedächtnis oder aus einem externen Informationspool verwenden, um Entscheidungen zu treffen. Durch diese limitierte Informationsnutzung werden diese Heuristiken charakterisiert. In dem Moment, in dem die verwendete Information eine Entscheidung erlaubt, fungiert sie auch als Stoppregel und legt das Ende der Suche fest. Bei der Untersuchung solcher Heuristiken ist überraschend festzustellen, dass so manche Heuristik im Vergleich zu multiplen Regressionsanalysen und komplexen Bayesschen Berechnungsmethoden nur mit wenigen Prozentpunkten Unterschied an die Ergebnisse der analytischen Methoden mit Bezug zur Genauigkeit herankommt und diese in manchen Fällen sogar übertrifft. Es gibt offensichtlich eine ganze Reihe von Situationen, in denen die Nutzung einfacher und schneller Heuristiken nicht auf Kosten der Genauigkeit geht. Die Einfachheit wird in diesen Fällen nicht durch eine geringere Treffsicherheit erkauft.[1]

Gigerenzer beschreibt in diesem Kontext eine Untersuchung, in der drei Heuristiken, nämlich „The Minimalist“, „Take The Last“ und „Take The Best“ drei klassischen linearen Modellen gegenüber gestellt wurden. Im Fall der Heuristik „The Minimalist“ wird die „recognition-heuristic“ verwendet und wenn möglich auf die Wiedererkennung gesetzt. Ist eine Wiedererkennung nicht möglich wird geraten. Sind beide zur Wahl stehenden Objekte bekannt, wird nach Lösungsansätzen gesucht, die zufällig ausgewählt werden. In jenem Moment, in dem sich ein positiver Lösungsansatz ergibt, wird die Suche beendet und dieser Ansatz mit der Annahme gewählt, dass jenes Objekt, für das der positive Lösungsansatz spricht, einen höheren Kriteriumswert hat. Bei „Take The Last“ wird wie bei „The Minimalist“ nur die Richtung von Lösungsansätzen und nicht deren stärkere Aussagekraft im Vergleich zu anderen Ansätzen beachtet. Es kommt aber im Gegensatz zu „The Minimalist“ nach einem ersten Suchdurchgang, in dem die Lösungsansätze zufällig gewählt und geprüft werden, zu einer Auswahl der Lösungsansätze entsprechend ihrer Kapazität Problemlösungen in vergangenen Untersuchungen ermöglicht zu haben. Es wird davon ausgegangen, dass Lösungsansätze, die früher schon erfolgreich waren, auch jetzt erfolgreich sein werden. Zuerst wird jener Ansatz gewählt, der beim letzten Mal, dann jener der beim vorletzten Mal usw. erfolgreich war. Es muss also erinnert werden, welche Lösungsansätze in der Vergangenheit eine Entscheidung erlaubten. „Take The Best“ wählt zuerst jenen Lösungsansatz mit der höchsten Aussagekraft und sollte dieser keine Entscheidung erlauben, den Lösungsansatz mit der nächststärksten Aussagekraft. Sobald eine Wahl möglich wird, endet die Suche. Die Rangordnung der Lösungsansätze, die von „Take The Best“ verwendet wird, ist keine optimierte Ordnung. Sie ergibt sich aus einer kleinen Sammlung von Lösungsansätzen. Alle drei Heurisiken nutzen eine limitierte Suche, ein stufenweises Vorgehen und den Grundsatz, beim Auftreten einer positiven Begründung die Suche zu beenden und zu entscheiden. Die linearen Modelle verwendeten alle drei eine komplette Suche nach Informationen, die erst beendet wird, wenn die Kosten der Informationssuche den Nutzen übersteigen, und kombinieren alle Informationen und vermeiden damit eine Entscheidung, die sich auf einzelne Informationsbruchstücke stützt. In der Untersuchung wurde bei einer Auswahl von jeweils zwei deutschen Städten aus einem Pool von 83 Städten mit über 100.000 Einwohnern unter Heranziehung von 9 Lösungsansätzen danach gefragt, welche der beiden Städte größer ist. Als Lösungshinweise dienten unter anderen die Fragen, ob die Stadt Bundeshauptstadt ist, ob sie eine Universität hat, ob sie ein Bundesligateam besitzt oder ob sie an einer Intercitylinie der Deutschen Bahn liegt. Aus der Untersuchung ergab sich, dass im Gegensatz zu den linearen Modellen, denen zufolge alle Lösungsansätze berücksichtigt wurden, „Take The Best“ 3, „The Minimalist“ 2,8 und „Take The Last“ 2,6 Lösungsansätze durchschnittlich berücksichtigten, bis eine Entscheidung getroffen wurde. Obwohl der Aufwand der analytischen Modelle weit über den Aufwand der Heuristiken hinausging, schnitt „Take The Best“ besser ab als alle drei linearen Modelle und „The Minimalist“ und „Take The Last“ wurden nur von einem linearen Modell geschlagen. Unter den Heuristiken schnitt also jene am besten ab, bei der die meisten Lösungsansätze berücksichtigt wurden. Dies galt aber nicht für die linearen Modellen, die alle Lösungsansätze berücksichtigten. In diesem Kontext hängt also Genauigkeit nicht vom Umfang der geprüften Lösungsansätze ab. Die verwendeten Stoppregeln erlauben eine effiziente Entscheidungsfindung und stehen dem Konzept des „Satisficing“ sehr nahe.[2]


[1] Vgl. bei: Gigerenzer, G./Todd, P.M.: Simple heuristics that make us smart, Oxford University Press, Oxford, 2001, S. 358
[2] Vgl. bei: Ibid., S. 75 ff
© Christoph Paul Stock | Wien | 2025 | All rights reserved!
lebensurbild_begriffswolke_6.png
bottom of page