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© Dr. Christoph Paul Stock
6.7.3 Satisficing, Such-, Stopp- und Entscheidungsregeln
Das Konzept des „Satisficing“, das von Herbert Simon ursprünglich entwickelt wurde, ist ein Ausdruck der „beschränkten Rationalität“ und wird als Entscheidungsmethode in Situationen eingesetzt, in denen es eine Reihe von Alternativen gibt und man ziemlich wenig über die zukünftigen Entwicklungen weiß. In solchen Situationen gibt es keinen optimalen Zeitpunkt, ab dem man keine weiteren Alternativen mehr untersuchen sollte. Ist man zB auf der Suche nach einem Hochzeitspartner, gibt es kein optimales Kriterium, um zu entscheiden, wann man den richtigen Partner gefunden hat und ob es noch weitere mögliche und vielleicht geeignetere Partnern geben könnte. „Satisficing“ zieht hier einen Schlussstrich durch die Festlegung eines Anspruchsniveaus unter die Suche, indem in jenem Zeitpunkt aufgehört wird, sich nach Alternativen umzusehen, ab dem das gesetzte Anspruchsniveau erreicht ist. Emotionen können eine entscheidende Rolle als Stoppregel spielen. Stellt sich bei der Partnersuche das Gefühl von Liebe ein, ist dies ein effektives Mittel, um die Partnersuche zu beenden. Eine ähnliche Funktion hat zB das Kindchenschema. Die Lebendigkeit und das Lachen von Kleinkindern löst väterliche und mütterliche Gefühle aus, die Kosten-Nutzen-Überlegungen, ob sich Kinder rechnen oder nicht, rasch und nachhaltig beenden können. Emotionen sind ein Beispiel für umfeldspezifische im Gegensatz zu umfeldgenerellen Stoppregeln.[1]
Ein weiteres Beispiel für „Satisficing“ kann im Zusammenhang mit Brandbekämpfungen beschrieben werden. Feuerwehrkommandanten, die Entscheidungen in lebensgefährlichen Situationen unter hohem Zeitdruck treffen müssen, können nicht alle alternativen Möglichkeiten der Brandbekämpfung durchdenken, bevor sie eine Entscheidung treffen. Würden sie so handeln, hätten sie gegen die Flammen keine Chance. Aus diesem Grund wählen die Feuerwehrmänner in der Notsituation rasch eine plausible Handlungsmöglichkeit aus, simulieren das Vorgehen gedanklich und spielen es auf seine Realisierbarkeit hin durch, um es für den Fall auszuwählen, dass das Vorgehen Erfolg verspricht und das gesetzte Anspruchsniveau erreicht bzw. übersteigt. Tut es dies nicht, wird schnell eine weitere Handlungsmöglichkeit überlegt. Diese Strategie wird solange verfolgt, bis eine Handlungsmöglichkeit dem Anspruchsniveau genügt. Dann werden weitere Überlegungen eingestellt und zielgerichtet die gewählte Alternative verfolgt. Es geht nicht um eine optimale Lösung, sondern es geht um eine zufriedenstellende Lösung im Kontext der Umstände und im Kontext der gegebenen Zeit orientiert am Anspruchsniveau der handelnden Personen.[2]
Simon hat in seinem Verständnis des „Satisficing“ sein Augenmerk auf die Suche nach Alternativen und damit auf die Auswahlmöglichkeiten gelegt. Die Bewertung der Alternativen stand nicht so sehr im Mittelpunkt, wurde aber durch das Konzept des Anspruchsniveaus mit umfasst. Gigerenzer legt sein Augenmerk neben einer Fokussierung auf die Alternativen besonders auch auf die Bewertung der Alternativen unter Bezugnahme auf gültige Lösungsansätze. Typologisch versteht er als „Satisficing“ die Suche nach Alternativen unter Verwendung von Stoppregeln und unter der Suche nach Lösungsansätzen das Auffinden geeigneter schneller und einfacher Heuristiken.[3] Die Suche kann zufällig, geordnet oder durch Imitation erfolgen. Imitation ist dabei ein sehr effektives und häufig eingesetztes Instrument, um zu lernen, in welchen Zusammenhängen es auf welche Besonderheiten ankommt.[4]