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Gesamte Inhalte:

© Dr. Christoph Paul Stock

 

7.1 Platzierung der einzelnen Entscheidungstheorien im inkludierten Modell

 

Entscheidungstheorien und -modelle sind durch die Vernunft erfassbare Vorstellungen über die Art und Weise wie Entscheidungen getroffen werden können. Sie sind ein Plan, wie in einem Entscheidungsprozess vorzugehen ist. Sie sind nicht das Vorgehen selbst. Damit gehören gefestigte Theorien und Modelle der „Dimension 4“ an. Die Theorie kann falsch sein und beruht dann auf einem Fehler in der „Dimension 4“, sie kann aber auch falsch angewendet werden, weil zB falsch gedacht oder gerechnet wird, und der Fehler beruht dann auf einer falschen subjektiven Annahme in der „Dimension 2 und 3“. Diese Unterscheidung ist wichtig, weil gerade komplexe mathematische Modelle wie die Bayessche Regel zwar richtige Wahrscheinlichkeitsschulssfolgerungen erlauben aber auf Grund eines kognitiven Verarbeitungsproblems von vielen Menschen falsch angewendet werden. Gerade aufwendige mathematische Modelle weisen dieses Problem auf. Sie sind zwar von ihrem Aufbau her logisch und können auch in ihrem Zusammenhang rational verstanden werden, bleiben aber auf Grund ihrer Komplexität unanwendbar, weil die Nutzer nicht über ausreichende kognitive Rechenkapazitäten verfügen. Diese Modelle leisten daher in der Praxis wenig Hilfe, weil Manager und Führungskräfte meist nicht die Zeit und Ressourcen haben, um sich mit ihnen so intensiv auseinander zu setzen, dass sie auch anwendbar werden. Statt das Problem in einer mangelhaften kognitiven Ausstattung zu sehen, macht es hier mehr Sinn, aus der Perspektive der „Dimension 2 und 3“ festzustellen, dass die Theorien zu wenig an die „Dimension 2 und 3“ angepasst sind. Sie nehmen auf gegebene Möglichkeiten zu wenig Rücksicht.

Rein mathematische Modelle beachten darüber hinaus Erfahrungen zu wenig. Erfahrungen bilden sich durch eine intensive Auseinandersetzung mit dem uns umgebenden Umfeld. Auseinandersetzungen mit dem Umfeld beruhen auf einem ständigen Wechselspiel zwischen der „Dimension 1“, der „Dimension 2“ und der „Dimension 3“. Eine dieser Erfahrungen mit dem Umfeld ist, dass zB der Nutzen des Geldes nicht linear mit jeder weiteren Einheit Geld ansteigt, sondern der Wert jeder zusätzlichen Geldeinheit weniger wird, je mehr Geldeinheiten zur Verfügung stehen. Es ist eine Erfahrung des Lebens, dass ein gewisses Maß an Ressourcen vorhanden sein muss, um Leben überhaupt zu ermöglichen. Können die Grundbedürfnisse nicht gedeckt werden, steigt die Bedeutung einer Geldeinheit rasch an. Diese Erfahrungen bilden die Einsicht vom „Grenznutzen des Geldes“ über den sich Menschen rational verständigen. Ob dieser Grenznutzen Menschen subjektiv auf Grund ihrer persönlichen Erfahrungen und Neigungen eher zu Geizhälsen oder Verschwendern macht, ist eine zweite Frage. Hier spielen Faktoren, die sich in der „Dimension 2“ auswirken wie zB Angst, Risikobereitschaft und Risikovermeidung eine entscheidende Rolle. Der eine versucht dem Mangel dadurch zu entgehen, dass er das Geld hortet, der andere dadurch, dass er freizügig und riskant investiert und dafür auch belohnt wird.[1] Der Grenznutzen des Geldes ist aber eine Idee der „Dimension 4“, die in einem Spannungsverhältnis zum mathematisch linearen Modell des „Erwartungswertes“ steht. Die Beobachtung menschlichen Verhaltens hat dazu geführt, dass die „Idee des Grenznutzens des Geldes“ sich gegenüber der Idee des „Erwartungswerts“ durchgesetzt hat und zur Formulierung weiterer Theorien führte.

Die „Erwartungsnutzentheorie“ integriert zwar die Idee des Nutzens, bleibt aber der Mathematik verpflichtet und verwendet Wahrscheinlichkeiten in einem rein objektiven Sinn unter Formulierung strenger Axiome rationaler Entscheidungsfindung. Sie verweigert sich damit subjektiven Eigenschaften der „Dimension 2“. Eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Wesen der „Dimension 2“ erfolgt in den „Subjektiven Erwartungsnutzentheorien“, die das Unabhängigkeitsaxiom aufgeben und bei deren Anwendung verschiedene Entscheider unter den gleichen Vorbedingungen nicht mehr zu gleichen, sondern zu subjektiv unterschiedlichen Entscheidungen gelangen können. Damit werden zB Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen von Konsumenten berücksichtigt, die eher zum Sparen oder zum Ausgeben neigen und damit auf die Konjunktur, die Beschäftigung und den Arbeitsmarkt Einfluss nehmen. Die Untersuchung von Gruppen und die Auswirkung deren Verhalten auf gesellschaftliche Systeme bezieht die „Dimension 4“ mit ein. Menschliches Entscheidungsverhalten wird in Wahrscheinlichkeiten berechnet, um so systemimmanente Gegebenheiten mathematisch abzubilden. Ohne dieses Vorgehen wäre eine einigermaßen treffsichere Finanz- und Wirtschaftspolitik, die der „Dimension 4“ zuzurechnen ist, nicht möglich. Dennoch gilt auch hier, dass für einen Großteil der Entscheider diese Theorien eine weit zu hohe rationale Anforderung in Anbetracht der vorhandenen Ressourcen darstellen. Diese Theorien werden dem dritten Bereich der „Dimension 2“ nicht gerecht, weil sie einen praktikablen Einsatz und darauf gestütztes Handeln vielfach nicht ermöglichen.

Abbildung 6: Entscheidungstheorien im inkludierten Entscheidungsmodell. Grafik-Design: © Christoph Paul Stock

Risikoaverses und risikogeneigtes Verhalten im Zusammenspiel mit einer hohen Wertzumessung von Besitzständen und Investitionen, Präferenzen auf Grund subjektiver Situationen, Entscheidungsdivergenzen in Folge unterschiedlicher Sachverhaltsdarstellungen, sich verändernde Sensitivitäten je nach Abstand zum Bezugspunkt und die Fehleinschätzung von Wahrscheinlichkeiten wurden im Rahmen der „Prospect-Theory“ festgestellt. Damit setzt sich die „Prosoect-Theory“ tief mit der „Dimension 2“ auseinander. Doch sie behandelt die „Dimension 2“ wie ein „As-if“-Modell, in dem psychische Prozesse ablaufen, deren Resultate zwar erkannt und im Vergleich zu einem rein rationalen Verhalten gesehen werden, ein dynamisches Wechselspiel zwischen der „Dimension 2“ und der „Dimension 4“ der anwendbaren Theorien, Mechanismen und Konzepte aber noch nicht stattfindet. Der Beurteilungsmaßstab bleibt die Norm absoluter Rationalität als eine Theorie der „Dimension 4“. Dass sich mit Bezug zum Gestaltungsspielraum der Bewusstseinsvorgänge, die durch interne Grenzen der Kognition und externe Grenzen der Umwelt bestimmt sind, angepasste, schnelle, einfache und wenig aufwendige Mechanismen in der Auseinandersetzung mit der Welt evolutiv entwickeln, ist in der „Prospect-Theory“ noch nicht tiefgreifend bedacht. Die „Prospect-Theory“ nimmt noch Maß mit Hilfe eines Universalinstruments, während das Konzept der „begrenzte Rationalität“ von Herman Simon und noch mehr der Werkzeugkoffer Gerd Gigerenzers auf Theorien aufmerksam machen, die an den Rahmen der Bewusstseinsvorgänge der „Dimension 2 und 3“ angepasst sind und unter Nutzung von Teilaspekten der rationalen Universalannahme in vielen Situationen zu annehmbaren wenn nicht sogar hervorragenden Entscheidungsergebnissen führen. Dabei sind Heuristiken in der Lage, sowohl subjektives menschliches Entscheidungsverhalten sehr gut vorherzusagen wie dies am Beispiel der „Prioritätsheuristik“ gezeigt wurde, aber auch richtige Entscheidungen bzw. Antworten im Testvergleich mit mathematischen Modellen zu liefern. Die Suche nach einem einheitlichen Berechnungsmodell, das universal eingesetzt werden kann, ist unter Bezugnahme auf die Annahme des psychophysischen Parallelismus nach Ansicht des Autors tendenziell ein Ausdruck des Wunsches dafür, der Geist möge über die Psyche gebieten. Die Konzeption ist das beherrschende Prinzip in einem Selbstverständnis des Denkens. Im Gegensatz dazu sind nach Ansicht des Autors Heuristiken eher Ergebnisse einer partnerschaftlichen Wechselwirkung zwischen der geistigen und psychischen Dimension, die jeweils auf die andere gleichberechtigt einwirken. Das Denken wird um die Perzeption ergänzt, so dass die Konzeption zusammen mit der Perzeption reale Konfigurationen ergeben.[2]


[1] Vgl. dazu in: Muhr, K./Sonnleitner, W.: Wie funktioniert Wirtschaft wirklich, Linde Verlag Wien Ges.m.b.H., Wien, 2004, S. 60 f
[2] Peter Drucker schreibt zu dieser Frage: „Vor 300 Jahren sagte Descartes: ,Ich denke, also bin ich.‘ Heute müssen wir dieses Prinzip ergänzen: ,Ich sehe, also bin ich.‘ Seit Descartes liegt der Akzent auf der Konzeption. Wir werden die Konzeption zunehmend mit der Perzeption in Einklang bringen müssen. Tatsächlich sind die neuen Realitäten Konfigurationen, weshalb sie neben der Analyse auch die Perzeption erfordern: Da sind beispielsweise das dynamische Ungleichgewicht zwischen den neuen Pluralismen, die vielschichtige transnationale Wirtschaft und die transnationale Ökologie.“ Drucker versucht gleichzeitig zum Sehen und zum Denken anzuregen. Drucker, P. F.: Was ist Management? Das Beste aus 50 Jahren, 5. Auflage, Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin, 2007, S. 396
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