
K O N T A K T

Gesamte Inhalte:
© Dr. Christoph Paul Stock
7.6 Komplexität im inkludierten Entscheidungsmodell
Komplexe Zusammenhänge haben Auswirkungen auf alle vier Dimensionen des Entscheidungsmodells. Um Komplexität bewältigen zu k önnen, muss der Organisationsaufbau in der „Dimension 1“ in einer Art und Weise vorgenommen werden, der eine Steuerung unter Nutzung verschiedener Ebenen erlaubt. Der Aufbau muss eine ausreichende Varietät im Sinne Ashby’s Law of Requiste Variety aufweisen, um die auftretende Varietät sich wandelnder und entwickelnder Umfeldbedingungen absorbieren zu können. Sinnvoll erscheint ein hierarchischer Aufbau wie er von Stafford Beer mit einem „System der operativen Einheit“, einem „System der Koordinierung“, einem „System der Orientierung“, einem „System der Aufklärung“ und einem „System der Wertesetzung“ vorgeschlagen wurde (vgl. in Kapitel 6.4).
In der „Dimension 2“ ist zu beachten, dass komplexe Probleme meist eine unüberschaubare Dynamik aufweisen, der nur mit einem Gefühl für rhythmische Entwicklungen und einem Vorgehen mit weniger festen Ziel-Zweckrelationen begegnet werden kann. Es muss mit flexiblen Aspirationsniveaus gearbeitet werden, die sich den Veränderungen anpassen können. Die Steuerung muss feinfühlig und sensibel vorgenommen werden, weil kleine Bewegungen auf der Steuerungsebene große Auswirkungen in der realen Welt haben können. Es geht weniger um eine Treffsicherheit, sondern vielmehr um ein Ausbalancieren und Aussteuern mit einer laufenden Rückkoppelung an die sich ergebenden Veränderungen.
Die „Dimension 3“ wird ganz gravierend davon bestimmt, dass der Informationsbeschaffung und -verarbeitung Grenzen gesetzt sind. In der Erforschung des Umfeldes ist es notwendig, sich eine Orientierung zu verschaffen, diese nach Möglichkeit auszurichten, um eine genauere Exploration vornehmen und Rückschlüsse auf die getroffenen Annahmen machen zu können, damit schließlich eine Entscheidung entworfen werden kann. Dieser Prozess ist meistens nicht nur einmal zu durchlaufen, sondern es ist notwendig, zwischen den Teilschritten hin und her zu wechseln, um sich laufend und immer wieder mit dem Umfeld zu konfrontieren. Dies hängt damit zusammen, dass man es meist mit vorläufigen, unvollständigen, zum Teil unklaren und ambivalenten Informationen zu tun hat. Der Informationsstand ist niemals taxativ. Dementsprechend müssen die inneren Landkarten laufend angepasst und unter Nutzung geeigneter Modelle auf die deklarativen Variablen abgestimmt werden. In den Modellen werden die Entscheidungsgegenstände nicht in Einzelteile zerlegt, sondern ein holzschnittartiges „Abbild“ als Modell vom „Urbild“ der Wirklichkeit hergestellt. Im Prozess der Adaption der inneren Landkarten muss mit Abstraktionen vermehrt gearbeitet und Theorien eingesetzt werden, die mit so wenig Annahmen wie möglich aber so vielen wie nötig arbeiten und damit dem Parsimonitätsprinzip William von Occams entsprechen (vgl. in Kapitel 4.1). Eine Offenheit für neue Argumente und Sichtweisen ist unbedingt nötig.
Die „Dimension 4“ ist in komplexen Zusammenhängen primär dadurch bestimmt, dass die Strukturen nicht technomorph sind und damit eine detaillierte Konstruktion nutzen, sondern sich durch Bedingungen und Gestaltungsspielräume auszeichnen, die eine eigendynamische Entwicklung unterstützt durch Prozesse organisationalen Lernens durch Selbstorganisation und Selbstregulierung erlauben. Förderliche Rahmenbedingungen und richtungsweisende Werte, Regeln und Normen stecken den Gestaltungsspielraum ab. Die Steuerung sollte plastisch erfolgen, indem Führungskräfte weniger auf direkte Eingriffe und detaillierte Anweisungen als vielmehr auf Kommunikations- und Informationsmittel sowie die Selbstmanagementkapazitäten der Mitarbeiter setzen. Es werden eher Richtungen als detaillierte Ziele vorgegeben. Die Struktur kann als „systemisch-evolutionär“ bezeichnet werden.