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Gesamte Inhalte:

© Dr. Christoph Paul Stock

 

3) Verschulden

 

Neben Arglist und Absicht muss besonders das Verschulden als negatives Zurechnungsprinzip anerkannt werden. Die schuldhafte Verletzung von Rechtgütern macht in der Regel schadenersatzpflichtig (§ 1295 ABGB). Doch hat auch derjenige, der schuldhaft eine Güterkollision herbeiführt, unter Umständen eine Zurückstellung seiner Interessen hinzunehmen.

Auch derjenige, der fremde Interessen angreift, hat im daraus entstehenden Konfliktsfall seine eigenen Belange zurückzustellen. Dies ergibt sich zB aus dem Rechtsinstitut der Notwehr (§ 19 ABGB und § 3 StGB). Zwar sprechen die Bestimmungen zur Notwehr nicht von der Notwendigkeit eines verschuldeten Angriffs, doch ist dieser Gedanke dem Rechtsinstitut immanent, weil anders die Ausweichpflicht[1]) gegenüber Strafunmündigen und Geisteskranken nicht begründet werden könnte.[2])  Wer schuldhaft fremde Güter angreift, dessen Gesundheit oder Leben darf auch zum Schutz geringerer Güter verletzt werden. Eine Verteidigung darf aber nach österreichischem Recht nur erfolgen, wenn das Leben, die Gesundheit, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit und das Vermögen angegriffen wird. Das Recht auf Ehre und die Privatsphäre sind keine notwehrfähigen Rechtsgüter.[3]) Zusätzlich darf die Notwehrhandlung nur soweit gehen, als es für die Verteidigung unbedingt notwendig ist.[4]) Das bedeutet, daß zwar die Interessen des Angreifers in ihrer Wertigkeit abgestuft werden, aber eine totale Zurücksetzung nur in Ausnahmefällen zu rechtfertigen ist. Man darf daher einen flüchtenden Dieb, der einen Apfel gestohlen hat, nicht durch die Benutzung einer Schußwaffe aufhalten. Eine Güterabwägung findet dagegen nach heutiger Meinung nicht statt.[5])

Der Grad des Verschuldens ist zwar im Privatrecht oft ausschlaggebend für den Umfang des Schadenersatzanspruchs, wird aber dann im Einzelfall nicht mehr differenzierend behandelt. Hat der Schädiger nur leicht fahrlässig gehandelt, so muß er nur den positiven Schaden am Vermögen ersetzen (§ 1332 ABGB). Hat der Schädiger den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht, so muß er volle Genugtuung leisten (§§ 1323 und 1331 ABGB). In weiterer Folge wird aber zwischen der groben Fahrlässigkeit und dem Vorsatz nicht mehr unterschieden. Für die Interessenabwägung ist es aber notwendig, hier genau zu differenzieren, um eine den Umständen des Einzelfalls möglichst angemessene Entscheidung zu erzielen.

Aber nicht nur die Mißachtung fremder Güter, sondern auch die Mißachtung eigener Güter wirkt sich in der Interessenabwägung negativ aus! Dieser Gedanke kommt im § 1304 ABGB zum Ausdruck. “Man wird daraus überhaupt folgern können, daß derjenige, der seine Güter selbst mißachtet, von anderen keine größere Rücksicht fordern kann.”[6])


[1]) Kienapfel, Strafrecht: Allgemeiner Teil4 (1991) 37 Rz 19: “Strafunmündigen, Geisteskranken und sonst offensichtlich schuldlos Handelnden muß man ausweichen, wenn man schon dadurch das bedrohte Rechtsgut schützen kann”; vgl auch EvBl 1987/158 und OGH in SSt 56/28.
[2]) Hubmann, Grundsätze der Interessenabwägung, AcP 1956, 117.
[3]) OGH in SSt 5/124.
[4]) RZ 1984/71; Kienapfel, Strafrecht: Allgemeiner Teil4 (1991) 34 Rz 3.
[5]) Kienapfel, Strafrecht: Allgemeiner Teil4 (1991) 36 Rz 15.
[6]) Hubmann, Grundsätze der Interessenabwägung, AcP 1956, 118.
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