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Was ist Existenz?

 

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DAS DASEIN

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Wir sind fühlende Wesen, die in eine Umwelt geboren sind, auf die wir reagieren und in die wir hineinwirken. Wir haben ein Dasein in der Welt, indem wir diese Welt erleben und sie uns so zu einer Realität wird. Um uns in dieser Welt zu bewegen, nutzen wir einen Körper und dieser verleiht uns Sinne, die es uns durch Wahrnehmung möglich machen, subjektiv in unserem Inneren zu empfinden, was im Außen der Umwelt geschieht. Dieses Dasein ist also bestimmt von unserer Körperlichkeit und unserer sinnlichen Wahrnehmung, die beide einen Anfang und ein Ende in der Zeit haben und an einen bestimmten Ort und damit an einen Raum gebunden sind. Im Dasein erfahren wir ein inneres Drängen und Treiben, es entsteht Begehren in uns, das uns dazu führt, dieses Dasein zu ergreifen, es zu gestalten und uns in der Welt auszurichten und uns an sie anzupassen. Wir suchen in diesem Dasein das Glück, erfahren Augenblicke der Vollkommenheit, erleben aber auch Momente des Schmerzes und Zeiten des Leidens. Im Dasein müssen wir uns behaupten, unseren Platz und unseren Lebensraum suchen, um in der Welt sein zu können. Dieses Dasein erhellt sich nun durch den Geist, der sich ein Bild von diesem Dasein machen kann.

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DER GEIST

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Indem wir im Dasein dieser Welt sinnlich begegnen, werden in unserem Geist Bilder dieser Welt erzeugt. Wir erfassen Gegenstände, Eigenschaften und Abläufe, die wir zweckhaft und sinnstiftend zueinander in Beziehung setzen. Es erschließen sich Zusammenhänge, Motive, Grenzen, Maß und Ordnung, die in uns ein Verstehen möglich machen und unseren Verstand ausbilden, der die Welt in Kategorien intellektuell zu fassen versucht. Diese Kategorien sind Denkformen, die uns eine gedankliche Ein- und Zuordnung ermöglichen. In der Kategorie der Quantität erfassen wir, dass es einzelne aber auch viele Dinge gibt. Wir verstehen, dass Dinge eine Qualität haben und in Relation zueinanderstehen. Schließlich wird uns klar, dass es verschiedene Modalitäten und Zustände gibt, die sich unterscheiden lassen. Auf diese Art und Weise entwerfen wir eine innere Vorstellung von der Welt, die immer vorläufig, nie abschließend und laufend angepasst werden muss. Die Summe all dieser Vorstellungen formen sich zu einer Weltanschauung, die niemals objektiv und richtig sein kann, sondern immer schwebend bleibt. Je mehr wir uns dieser Tatsache bewusstwerden, umso klarer wird uns auch, dass wir nicht alles wissen, verstehen und erfassen können. Wir begreifen, dass wir limitierte und begrenzte Wesen sind, die in ihrem Dasein immer in der Welt sind, aber nie über sie hinaus können.

 

Doch der Geist stellt diese Begrenztheit durch die Realität in Frage. Er besitzt die Fähigkeit, zu phantasieren und so geistige Schöpfungen hervorzubringen. Er kann sich vorstellen, was nirgendwo sinnlich wahrnehmbar ist, kann Illusionen und den schönen Schein erschaffen und so Lug und Trug ermöglichen. Doch er kann auch kreativ etwas hervorbringen, das ein Potential hat, nicht nur Schein zu sein, sondern Realität zu werden. Dies gelingt ihm dann, wenn er nicht nur ein subjektives Wünschen und Hoffen als Grundlage seiner Imagination nutzt, sondern eine Vision, die sich im Ganzen des Seins integrieren lässt. Dann ist der Geist nicht nur auf sich selbst bezogen, sondern öffnet sich der ganzen Welt. Er ist Inklusion.

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DAS BEWUSSTSEIN

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Wenn wir geboren werden, haben wir noch kein Bewusstsein davon, was eine Mutter, ein Vater, eine Familie ist. Erst unser Dasein in der Welt und die geistige Verarbeitung dessen, was sich in diesem Dasein zeigt, erschafft in uns ein tiefgehendes Gewahrsein dafür, was mit diesen Begriffen gemeint ist. In der Zeit wandeln sich unsere Erfahrungen. Es macht einen Unterschied, ob wir als Kleinkinder primär versorgt und behütet, als Kind gefördert und gefordert, als junge erwachsene Menschen in die Welt hinausgeschickt oder gar -gestoßen werden oder später selber als Elternteil Verantwortung für die eigenen Nachkommen übernehmen müssen. Erst das gelebte und reflektierte Leben bringt das hervor, was man Bewusstsein nennt. Es ist sozusagen die Verdichtung unserer Lebenserfahrung, die Essenz des Erlebten, die Inklusion einer Vorstellungs- und Erfahrungswelt zu einem Konglomerat besonders ausgeprägter Lebensdichte, was Bewusstsein erzeugt. Nur ein wirklich gelebtes Leben kann das hervorbringen, was man Bewusstsein nennt. Alles andere bleibt unbewusst und harrt seiner Verkörperung, sinnlichen Wahrnehmung, geistigen Verarbeitung und weltanschaulichen Einordnung im Vollzug eines noch zu lebenden Lebens.

Individuelles Bewusstsein formt sich aus dem persönlichen Erleben einer Person. Nur diese Person hat Anteil an diesem Bewusstsein. Kollektives Bewusstsein formt sich aus dem Erleben vieler zueinander in Beziehung stehender Personen. Ob individuell oder kollektiv, für das Bewusstsein ist es unerheblich, ob Personen leben oder nicht. Es entwickelt sich zwar durch die Personen, ist aber für seinen Bestand von den Personen unabhängig. Universales Bewusstsein formt sich in der Vielzahl aller Lebenserfahrungen und bringt damit Allgemeines und Allgemeingültiges hervor. Es ist ein Bewusstsein, an dem alle Anteil haben. Doch es ist nicht leicht, Zugang zu diesem Bewusstsein zu erlangen, da es von kollektiven und persönlichen Bewusstseinsstrukturen überlagert wird.

Das Wesen des Bewusstseins liegt darin, dass es immer auf ein Gegenüber angewiesen ist, um sich formen und bilden zu können. Einem Bewusstseinssubjekt muss immer ein Bewusstseinsobjekt gegenüberstehen, damit ein Bewusstsein entstehen kann, das immer ein Bewusstsein von etwas ist. Im Bewusstsein manifestiert sich daher die Spaltung aller Dinge in Subjekt und Objekt, wobei vielfach Subjekte zu Objekten und Objekte zu Subjekten werden. Für mich als Person und Subjekt ist die Person, der ich begegne, ein Objekt, doch umgekehrt bin ich für die Person, die mir begegnet, ein Objekt und sie selbst für sich Subjekt. Diese Spaltung, die im Bewusstsein selbst angelegt ist, kann nicht leicht überschritten werden, denn all unsere sinnliche Wahrnehmung, all unsere geistigen Kategorien und all unsere Möglichkeiten, Weltanschauung auszuformen, sind von dieser Spaltung abhängig. In dem Moment, indem wir diese Spaltung überschreiten, verschwindet die Welt aus unserer Wahrnehmung, aus unserer gedanklichen Verarbeitung und löst ihre Anschauungsformen auf. Sprache, die auf Kategorien angewiesen ist, geht hier verloren. Es lässt sich nichts mehr sagen. Alles Fühlen, Empfinden und Denken verschwinden. Alles, was bleibt, ist die Intuition, in der die Fähigkeit steckt, dem Unaussprechlichen, der Transzendenz, deren Wesen es ist, niemals Realität zu sein, zu begegnen. In dieser Transzendenz, die wie eine große Leere, ein Nichts erscheint, schlummert die Wirkkraft des Seins. An diesem Punkt, an dem der Realitätssinn vollends versagt, regiert der Möglichkeitssinn, der alle Dinge ins Leben bringt. Aus diesem transzendenten Raum der Unendlichkeit heraus, ist uns das geschenkt und gegeben, was man Existenz nennt.

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EXISTENZ

(ICH-BEWUSSTSEIN)

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Alles Dasein wird geboren und muss daher auch vergehen. Es ist endlich und kann auch hinfällig werden, wenn es Langeweile und Wiederholung lähmen. Alles kann zu einem rein egoistischen und leeren Streben werden.

Der Geist kann sich endlos in seinen Fantasien und Illusionen drehen. Doch wenn sich aus ihm nichts mehr zu realisieren vermag, wird sein Wirken schal und bedeutungslos. Alles bleibt Täuschung.

Das Bewusstsein kann sich erfüllt haben und sich so gleichsam erschöpfen. Es macht sich eine Öde breit.

Das Dasein, der Geist und das Bewusstsein reichen nicht hin, um unser Selbstsein zu bestimmen. Sie sind allesamt Mittel, durch die sich das Selbst mitteilen bzw. sich bewusstwerden kann. Doch sie sind nicht das Selbst, unsere Existenz. Da das Selbst weder Dasein, noch Geist, noch Bewusstsein ist, kann man die Existenz nicht zum Gegenstand einer Untersuchung machen. Sie ist so jenseitig, wie die Transzendenz, aus der heraus sie sich geschenkt weiß.

 

Da Existenz keine Gegenständlichkeit sein kann, ist sie niemals ein Dasein, sondern ein Seinkönnen, eine Potentialität, eine Möglichkeit, die ins Dasein treten kann oder auch nicht. In diesem Sinn kann Existenz sein oder auch nicht sein. Sie kann in Erscheinung treten oder verborgen bleiben. Sie kann zu Bewusstsein kommen, sie kann aber auch unbewusst bleiben.

 

Die Existenz ist ein Ich-Bewusstsein, das sich vom Ego, das durch unsere Erfahrungswelt im Dasein geformt wird, unterscheidet. Das Ego verhält sich rational zu dem, was es in der Welt als Dasein vorfindet. Es hat durch Erfahrung gelernt und verfolgt den Erhalt jener Strukturen, für die es sich hält. Es ist geprägt durch Vorlieben, Vorurteile und Neigungen. Diese Prägungen bestimmen, wie es sich verhält, um sein persönliches Überleben im Dasein zu gewährleisten. Existenz besitzt die Freiheit, sich von den Prägungen des Egos zu lösen, dem Dasein eine völlig andere Richtung zu geben oder auch das eigene Dasein aufgeben zu können. Existenz lebt nicht aus der Erfahrung, die Vergangenheit ist. Sie lebt auch nicht aus der Zukunft, die in einem rationalen Kontext immer nur eine Projektion der Vergangenheit sein kann, da Zukunft nicht bestimmbar ist. Existenz lebt aus dem unmittelbaren Augenblick, indem sie in Berührung ist mit dem, das sie hervorgebracht hat. Existenz ist ein Selbst, das sich zu sich selbst verhält, indem es sich gesetzt weiß, vom Urgrund des Seins. Der Boden der Existenz ist daher nicht die Welt der Erscheinungsformen, sondern die Transzendenz als Urgrund allen Seins. Aus dieser Transzendenz heraus ist Existenz. Von ihr her, ist ihr die Freiheit gegeben.

 

Existenz ist daher keine beschreibbare Wesenhaftigkeit, sondern eine Wirkkraft. Obgleich individuell, ist sie dennoch mit allem verbunden und daher ungeteilt. Ein Wesen erfährt sich getrennt von anderen Wesen. Doch Existenz erfährt sich unmittelbar und untrennbar eingebunden in das Sein in seiner Totalität. Sie ist kein Einzelding, das als Wesen unendlich wäre, sondern eine Wirklichkeit, die sich selbst als Potential und Möglichkeit unendlich ist. Als unvertretbares und unersetzbares Selbst ist sie nicht einfach Erscheinung in der Welt, sondern Grundlage und Ursprung dessen, was in der Welt in Erscheinung tritt. Dasein ist nicht Existenz. Das „ich bin da“ ist nicht das „ich bin“, denn aus dem „ich bin“ erwächst erst die individuelle Welt.

 

Existenz ist nicht etwas, das sich im Lauf der Geschichte, in der Bewegung von Entstehung, Erhaltung und Vergehen bildet. Existenz kommt im Ablaufgeschehen der Zeit zu sich selbst, zu Bewusstsein. Ewiges wird gegenwärtig in der Zeit. Existenz erfährt sich im Dasein, ist aber nicht das Dasein selbst. Daher kann man Existenz nicht wissen oder verstehen. Sie geht allem Denken voraus und ist damit immer nur mittelbar erfassbar. Sie bleibt verborgen. So bleibt für den rationalen Verstand auch verborgen, warum wir aus unserer Existenz heraus etwas lieben, warum etwas für uns Bedeutung hat oder Sinn ergibt, warum wir an bestimmte Dinge glauben oder uns für bestimmte Dinge entscheiden. So sehr wir uns rational auch bemühen, die Voraussetzungen, Motive und Beweggründe zu verstehen, unser rationales Erkennen bleibt der Existenz gegenüber weitgehend blind.

 

In seiner Ewigkeit und damit Offenheit ins Unendliche bleibt Existenz für unser rationales Denken irrational und unverstanden. In ihrer Wirkkraft, die sich aus der Unendlichkeit der Möglichkeiten in der Eingebundenheit in die Totalität des Seins speist, kommuniziert Existenz über alle Grenzen hinweg mit jeder nur denkbaren anderen Existenz. Eine solche Kommunikation kann kein Verstand erfassen oder gar verstehen. Es wäre so, als wollte man den Ozean mit einem Kübel ausschöpfen. Man wüsste nicht einmal, wohin man das Wasser schöpfen sollte, da es früher oder später ohnehin wieder in den Ozean zurückfließen würde. Diese unvorstellbare Vernetztheit und Grenzenlosigkeit des Seins lassen sich nur durch das fassen, was wir Liebe nennen. Wir wissen nicht, warum etwas auf uns bezogen ist. Doch wir müssen es nicht wissen, denn die Liebe genügt. In ihr geben wir die Isolation und Trennung auf. In ihr erfahren wir uns als lebendige Existenz in der Totalität des Seins.

 

Weder die Welt und noch viel weniger das Sein lassen sich erkennen oder begreifen. Ihre Dimensionen sind bodenlos und erstrecken sich in die Unendlichkeit. Dabei ist die Welt nur ein kleiner Ausschnitt des Seins und kann aus sich selbst heraus niemals verstanden werden. Wir finden in ihr Verursachung, Synchronität und Zweckmäßigkeit. Diese erlauben uns Zusammenhänge zu erfassen, die unser Leben praktisch bestimmen und pragmatisch ermöglichen. Doch diese Zusammenhänge sind immer nur etwas Partikulares, ein kleiner Ausschnitt des Ganzen, eine verengte Sicht auf das Unfassbare. Wenn wir das verstehen, wird ein Sprung möglich, der uns über die Welt hinaus in die Transzendenz führt und uns eine neue Lebensdimension eröffnet.

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DER SPRUNG

IN DIE TRANSZENDENZ

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Wenn wir erkennen, dass sich die Welt als Ganzes nicht erfassen lässt, wird auch klar, dass jede Vorstellung von der Welt, jedes Bild, das wir uns von ihr machen, jedes Konzept, das wir von ihr entwerfen, nur vorläufig und vergänglich ist. Wir können begreifen, dass wir uns von diesen Vorstellungen, Bildern und Konzepten nicht beschränken und einsperren lassen müssen und offen werden können für das, was aus dem Unbekannten und Unabsehbaren auf uns zukommt.

 

Wenn uns bewusst wird, dass wir ein Wesen haben, das sich am Dasein in der Welt gebildet hat, wir aber darüber hinaus und eigentlich schon zuvor eine Existenz sind, die ihren Ursprung außerhalb dieser Welt hat, können wir unsere Wurzeln aus dem Boden dieser Welt ziehen und sie in der Transzendenz verorten. Damit beginnen wir aus dem Geist heraus zu leben, der diese Welt zwar hervorbringt aber weit über sie hinausgeht.

Im Boden der Transzendenz verwurzelt, können wir von dorther in die Welt zurückkehren und jene Aufgaben ergreifen, die auf uns in der Welt zukommen. Die Transzendenz spricht niemals eindeutig und konkret. Wir müssen ihre Sprache erst erfassen und es bleibt immer ein Wagnis und eine Unsicherheit, ob wir ihr Sprechen auch richtig verstehen. Den konkreten Entschluss müssen wir immer selbst treffen und verantworten. Das ist die Würde und Bürde, die uns das Sein auferlegt. Wir sind es, die im Einklang mit dem Sein einen konkret gangbaren Weg, eine realisierbare und tragfähige Umsetzung in der Welt finden und schaffen müssen.

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DAS SPRECHEN

DER TRANSZENDENZ

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Das Sprechen des Verstandes ist für uns hell. Die Sprache der Transzendenz ist für den Verstand dunkel. Der Verstand bewegt sich im Rahmen seiner Kategorien, die auf unsere Erfahrungswelt bezogen sind und sich aus ihr heraus entwickelt haben. Der universale Geist ist ein schwingendes Phänomen. Er ist wie ein Strömungs- und Wellengeschehen im Ozean. Der Verstand bringt sich in konkreten Begriffen zum Ausdruck, die er in Sprache umzusetzen vermag. Der universale Geist erzeugt Schwingungsmuster, die unser Denken, Fühlen und Empfinden verwirren, in ein traumhaftes Geschehen verwandeln und in eine schemenhafte Irrationalität transformieren können. Der Verstand zielt auf Konkretes und Unterscheidbares. Er ist ein Realist. Der universale Geist ist ohne Ziel. Er ist aus sich selbst und für sich selbst. In ihm wird das Unterscheidbare, zum Nicht-Unterscheidbaren, das Definierbare zum Nicht-Definierbaren, Materie zu einer unvorstellbaren Leere und alle Realitätsform zu einer Möglichkeitsform. Doch so wie sich im Geist alles aufzulösen vermag, bis es im Dunkel des Ozeans vollends verschwindet, tauchen aus ihm umgekehrt aber auch Strukturen auf, die Form und Gestalt annehmen, sich definieren und dann unterscheiden, um schließlich in der Realität sichtbar und greifbar zu werden. Die Frage ist, wie sich solche Strukturen erfassen lassen, damit man in die Lage versetzt wird, sie in die Realität zu bringen?

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