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Beschreibung lebensfähiger Systeme in Anlehnung an das Viable System Model  (VSM) von Stafford Beer

 

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Gesamte Inhalte: © Dr. Christoph Paul Stock

 

Die Vermischung von Steuerungsebenen

 

Ein weiterer Aspekt des konstruktivistisch-technomorphen Denkens hat in unserer Gesellschaft eine große Verbreitung erfahren. Dabei geht es um die Angewohnheit, systemische Aspekte in eine persönliche Dimension herunterzubrechen, um eine höhere Dimension auf einer niedrigeren Dimension beeinflussen zu können. Bei politischen Diskussionen ergibt sich z.B. immer wieder die Situation, dass nicht Sachthemen im Mittelpunkt des politischen Diskurses stehen, sondern der Fokus auf die Person der Politikerin bzw. des Politikers gelenkt wird. Damit wird ein einfaches Ziel verfolgt. Wenn es gelingt, die Vertreterin bzw. den Vertreter einer Idee, Ansicht oder Anschauung zu diskreditieren und ihren bzw. seinen Ruf und ihr bzw. sein Ansehen zu schädigen, gelingt es gleichzeitig, durch die Beschädigung oder Beseitigung der Person auch die politische Ansicht, die von dieser Person vertreten wird, zu schwächen und in manchen Fällen auch zu Fall zu bringen. Dabei sagt die Integrität einer Person wenig darüber aus, wie sinnvoll, tragfähig und zukunftsträchtig eine von ihr politisch vertretene Idee ist. Doch man geht davon aus, dass eine Sache, die von einem schlechten Menschen gesagt oder vertreten wird, auch selbst schlecht sein muss. Doch alle Menschen haben Schwächen und Fehler. Diese Tatsache beseitigt aber nicht gleichzeitig ihre Stärken und ihre Genialität. Daher ist diese Logik nicht schlüssig und oft unsinnig, auch wenn man natürlich skrupellosen, ungeeigneten und unfähigen Personen nicht die Macht überlassen darf. Aber so manche gute und wünschenswerte politische Idee ist schon mit jenen untergegangen, die sie in inadäquater sozialer Art und Weise vertreten und vorgebracht haben. Da das wählende Volk im politischen Kontext meist viel mehr Erfahrung mit menschlichen Schwächen und Stärken hat als mit den oft sehr komplexen politischen Sachfragen, lassen sich so Wählerstimmern gewinnen und damit die eigenen Sachthemen leichter durchsetzen. Ob das Ganze dann der Gemeinschaft dienlich ist und jene Themen forciert werden, die das Gemeinwohl steigern und zu sozialen Frieden und einer möglichst gerechten und prosperierenden Gesellschaft führen, bleibt fraglich.

Wir alle sind Expertinnen und Experten darin, gute und schlechte, menschliche und unmenschliche Seiten in konkreten Personen zu erkennen. Wir sind von Kindesbeinen an auf persönliche Kontakte, gesellschaftliche Beziehungsmuster und soziale Strukturen ausgerichtet und konditioniert. Diese Kompetenz bringt praktisch jeder Mensch durch seine kulturelle Sozialisierung mit. Entsprechend dieser Sozialisierung fühlt sich der Mensch dann auch bestimmten Gruppen zugehörig und bevorzugt ganz bestimmte soziale Milieus. In Wahrheit geht es bei Politik oft gar nicht darum, wichtigen und bedeutenden Sachthemen zum Durchbruch zu verhelfen, sondern darum, sozial Gleichgesinnte anzusprechen und so eine bestimmte Gruppendynamik zu erreichen. Menschen suchen mehr ein politisches Zuhause, in dem sie sich emotional beheimatet und in ihren Vorstellungen verstanden fühlen, als einen offenen Diskurs von Sachthemen und komplexen Fragestellungen, die schließlich in Gesetze umgesetzt werden und unser Leben bestimmen. So manche politische Person erlangt die Macht auf Grund einer sozialen Gruppendynamik und nicht, weil sie oder er irgendeine Ahnung davon hat, wie man eine Gesellschaft steuern und in eine fruchtbare Zukunft führen kann. Die Geschichte ist voll von solchen Entwicklungen.

Uns Menschen fällt es leicht, personal zu denken. Dagegen fällt es uns schwer, jenseits des Personalen abstrakte Strukturen zu verstehen, die mindestens so real sind wie eine Person. Im religiösen Bereich ergibt sich durch diesen Aspekt eine grundlegende Trennung zwischen Religionen, die von einem persönlichen Gott ausgehen, der die Welt erschaffen hat, und religiösen Vorstellungen, die das göttliche in einer weitgehenden Abstraktion sehen. Im Christentum ist die Personifikation vielleicht am stärksten zu erkennen, da der Mensch Jesus von Nazareth als Christus und damit Gott selbst verstanden wird. Im starken Kontrast dazu spricht der Buddhismus von einer Leere, aus der Erscheinungsformen hervortreten und in die sie wieder zurückkehren. Gott als Person verschwindet vollkommen. Unabhängig davon, welche religiöse Ansicht nun richtig ist, spiegelt sich hier jedenfalls die Thematik wider, dass viele Strukturen des Lebens keine personale Form haben und dennoch von grundlegender Bedeutung sind. Eine zu starke Fixierung auf das Personale, was sehr typisch für den konstruktivistisch-technomorphen Ansatz ist, lässt uns blind werden für systemische Zusammenhänge, die jenseits konkreter Erscheinungen - wie es Personen sind - existieren. Man glaubt, durch die Einwirkung auf konkrete Erscheinungen ein Thema steuern und beeinflussen zu können. Doch in Wahrheit verbirgt sich dahinter eine geistige Dimension, die unberührt von solchen Interventionen bleibt und sich immer wieder auf unterschiedliche Art und Weise manifestiert. Wenn Themen ihre Grundlage im Geistigen haben, können sie auch nur dort geändert und beeinflusst werden. Wie oft haben Menschen versucht, ganze soziale Gruppen und Völker auszurotten. Doch selbst wenn man alle Vertreter einer Gruppe töten würde, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich der geistige Hintergrund, der sie bestimmt hat, wieder in anderen Menschen zum Vorschein kommen wird. Der Geist lässt sich nicht töten. Er kann nur durch Einsicht und Erkenntnis geformt und verändert werden.

© Christoph Paul Stock | Wien | 2025 | All rights reserved!
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