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Von der objektiven zur non-dualen Erkenntnis

 

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© Dr. Christoph Paul Stock

 

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PROLOG 1: DIE VERSTAUBTE SPIRITUALITÄT

 

Wenn man an Spiritualität denkt, sind es oft alte Gemäuer, mittelalterlich anmutende Gewänder, von Staub bedeckte Bücher, antiquierte Gegenstände der Andacht und Anbetung und sich stets in gleicher Weise wiederholende Rituale und Traditionen, die einem in den Sinn kommen. Spiritualität scheint etwas sehr Altes und Ehrwürdiges zu sein, etwas, das ein wenig aus der Zeit gefallen scheint. Man verbindet mit Spiritualität im ersten Moment nicht unbedingt etwas Kreatives und Lebendiges, etwas Neues und Unbekanntes und etwas unmittelbar Wirkmächtiges. Doch genau das ist der Geist!

 

All die heute antiquiert wirkenden Elemente waren zu ihrer Zeit hochmodern. Es war etwas im Aufbruch. Welche Kraft muss gewirkt und geherrscht haben, als die großen Basiliken, Kirchen und Kathedralen errichtet wurden und dafür ein großer Teil der Wirtschaftsleistung einer Stadt oder eines Landes eingesetzt wurde? Welcher Enthusiasmus für den Glauben hat geherrscht, als man sich aufmachte, um die heiligen Orte im Nahen Osten von Ungläubigen zu befreien? Welche Kraft der Erneuerung ist durch die europäischen Länder gezogen, als die Reformation neue Richtungen des Glaubens hervorbrachte?

 

Wir umgeben uns heute mit dem, was übrig geblieben ist aus diesen kraftvollen Epochen. Es ist wunderschön, erhaben und beeindruckend. Doch oft ist es mehr ein Museum als eine wirkmächtige Lebendigkeit, eher blutleer und kraftlos als schöpferisch und voller Willenskraft. Es scheint etwas zu sein, das gestern war und heute nur mehr als schwaches Echo zu vernehmen ist.

 

Fraglos spürt man den Geist der vergangenen Zeiten. Wer den Stephansdom in Wien betritt, kann die Kraft des Glaubens und die Jahrhunderte alte religiöse Geschichte Österreichs spüren. Es ist erhebend, wunderschön und ehrfurchtseinflößend. Wir werden an das erinnert, was man Spiritualität nennt. Für uns wird ein Stück weit greifbar, welche Bedeutung Spiritualität im Verlauf der Geschichte gehabt hat. Doch hat diese Erinnerung auch die Kraft, uns zu inspirieren, in uns die Kreativität zu entfachen, uns dabei zu helfen, unser eigenes Potenzial zu entfalten?

 

Viele Menschen möchten die alten Stätten der Spiritualität nicht missen. Sie sind uns wichtig und haben großen Wert. Dennoch verlassen viele die anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften, weil sie die Kraft der Erneuerung dort nicht mehr finden. Für viele wirkt der Geist nicht mehr ausreichend stark in den alten Traditionen. Sie haben sich aufgemacht, den Geist auch andernorts zu suchen. Das ist oft eine Suche, die nicht mehr durch Priesterschaft vermittelt und vorgegebene Glaubenskonzepte geprägt ist, sondern durch ein eigeninitiiertes Streben, etwas zu finden, das einen persönlich mit höheren Mächten und Kräften verbindet.

 

Aus meiner Sicht ist es ein Versuch, der Spiritualität in unserem Leben neue Kraft einzuhauchen, den Staub von unseren spirituellen Vorstellungen zu blasen und neue Formen der Begegnung mit dem Geistigen zu schaffen. Der Geist hält nicht am Gestern fest. Er nutzt aus der Vergangenheit, was es heute noch braucht, und erschafft neu, was wir heute zusätzlich benötigen. Er ist Vergangenheit und Zukunft zugleich, die sich in der Gegenwart unseres Seins treffen. Nur im Hier und Jetzt erfahren wir wirkliches Leben. Nur im gegenwärtigen Augenblick können wir das Leben wahrhaftig berühren. Hier gibt es kein verstaubtes Antlitz. Hier eröffnen sich Wege zu einer neuen Form der Spiritualität.


„Wenn ihr der Welt wirklich gegenübertretet und es mit ihr aufnehmt, so findet ihr etwas in ihr, das unendlich viel größer ist als irgendeine Philosophie, größer als irgendein Buch dieser Welt, größer als irgendeine Lehre, größer als irgendein Lehrer.“ [i]


Jiddu Krishnamurti


[i] Jiddu Krishnamurti hat bei einem Vortrag in Auckland, Neuseeland, in einer Runde von Theosophen, am 31. März 1934, seinen Zugang zur Autorität in spirituellen Zusammenhängen klar zum Ausdruck gebracht. Jeder muss seinen Weg selbst suchen und finden. Jede Lehre und jeder Lehrer müssen hinterfragt werden. Es zählt die eigene Einsicht. Krishnamurti stellte auch seine eigene Autorität als spiritueller Lehrer immer wieder in Frage. „Nehmen Sie nichts an, was der Redner sagt. Prüfen sie selbst!“ oder „Sehen sie selbst!“ sind Aufforderungen, die er ständig wiederholte. Internetzugriff am 08.02.2024 unter:
https://www.jkrishnamurti.org/content/%ef%bb%bfjkrishnamurti-auckland-new-zealand-talk-theosophists-31st-march-1934/1934

 


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