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Von der objektiven zur non-dualen Erkenntnis

 

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© Dr. Christoph Paul Stock

 

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KAPITEL 5: DER GEIST, DER STETS VERNEINT

 

Es gibt in uns Kräfte und Mächte, die verhindern, dass wir den höheren Lebensenergien folgen. Diese Kräfte und Mächte lehnen es ab, ein Teil des großen Kosmos zu sein und möchten unabhängig und aus sich selbst heraus leben können. In diesem Bestreben sind diese Kräfte und Mächte oft bereit, das Lebendige zu schädigen oder gar zu zerstören. Das hat nichts mit dem natürlichen Zerfall und dem natürlichen Tod der Dinge zu tun, die in einem Kreislauf von Geburt und Tod stehen. Es ist eine zerstörerische und lebensfeindliche Kraft, die nichts erschafft.[i]


Diese Mächte wollen uns davon überzeugen, dass wir ein unabhängiges und beständiges Selbst hätten, das sich primär um sich selbst kümmern sollte und die Welt allein aus eigener Kraft gestalten kann. Diese Kräfte und Mächte versuchen uns einzureden, dass das Gewinnen und die Selbstdurchsetzung um jeden Preis ohne eine Unterordnung unter höhere Mächte, Werte und Ideale alles bedeutet und jede Form von Schmerz, Verzicht, Verlust und Versagen vermieden werden muss. Es wird behauptet, dass eine unmittelbare Verfolgung unserer Impulse uns belohnen und erfüllen wird und wir Recht daran tun, unangenehme Realitäten zu vermeiden.[ii]

 

Schon Mephisto in Goethes Faust bringt zum Ausdruck, dass diese das Leben verneinende Kraft stets das Böse will und stets das Gute schafft.[iii] Dies scheint ein Paradox zu sein. Doch indem wir uns gegen das Leben stellen, erfahren wir auch die Konsequenzen eines solchen Vorgehens. Unser Handeln und Unterlassen hat Folgen, die sich als Schicksal in unserem Leben manifestieren. Wir können der Struktur des Universums nicht dauerhaft entfliehen. Manchmal haben wir das Gefühl, dass wir dem Leben ein Schnippchen schlagen könnten. Doch in Wahrheit täuschen wir uns nur selbst.

 

Lao-Tse hat im Tao Tê King diese Realität der höheren Himmelsmächte, die uns in Liebe gleichzeitig mitfühlend und streng bestimmen, folgendermaßen beschrieben:

 

„Des Himmels Weg ist:

 

Er streitet nicht und weiß zu überwinden,

er redet nicht und weiß Antwort zu finden,

er ruft nicht und man kommt selbst vor ihn,

langmütig weiß er planmäßig zu leiten,

des Himmels Netz fasst weite Weiten,

klafft offen – und lässt nichts entfliehen.“[iv]

 

 

Das Leben nutzt die negativen Kräfte und Mächte, um sich selbst zu entfalten. Will man sich also dem Leben annähern, muss man sich auch mit dieser Dimension des Daseins befassen. Es ist nicht angenehm, etwas über die negativen Mächte und Kräfte zu schreiben. Gerne möchte man es vermeiden. Schon die Auseinandersetzung generiert etwas Negatives, vor dem man flüchten und sich entziehen möchte. Doch wenn wir diese destruktiven geistigen Mächte verdrängen, ignorieren oder vor ihnen fliehen, statt uns ihnen zu stellen, bleibt unsere Spiritualität oberflächlich und naiv. Wir können unser Potenzial nicht voll entfalten. Wer den Abgrund nicht kennt, kann die Höhen nicht erklimmen, so unerfreulich diese Tatsache auch sein mag.

 

Diese negativen Mächte und Kräfte sind nicht nur außerhalb von uns. Schnell und nicht selten vorschnell haben wir das Böse in der Welt da draußen identifiziert. Böse sind die anderen. Doch die Wahrheit ist, dass unser wahrer Gegner in uns selbst zu finden ist. Er ist ein subtiler Teil von uns und wenn wir von ihm nicht überlistet, hintergangen und hinters Licht geführt werden wollen, müssen wir diesen Teil in uns erkennen und benennen. Dazu braucht es Mut aber auch Demut, Aufrichtigkeit aber auch Wohlwollen mit uns selbst, die Bereitschaft, sich selbst zu reflektieren und auch das Vermögen, darin standhaft zu bleiben, wenn es wirklich anfängt, weh zu tun. Es braucht die Bereitschaft, sich dem eigenen Gewissen zu stellen. Hier haben wir es mit einem echten Gegner zu tun, der nicht so leicht kleinzukriegen ist.


[i] Mit dieser negativen Kraft hat sich Morgan Scott Peck, ein US-amerikanischer Psychiater und Autor, intensiv beschäftigt. Vgl. dazu insbesondere:
PECK, M.S.: Die Lügner, Eine Psychologie des Bösen - und die Hoffnung auf Heilung, Claudius Verlag, München, 1990, S. 285 ff
 
[ii] Phil Stutz, ein US-amerikanischer Psychiater, hat diesen negativen Teil in uns „Part-X“ genannt. Nach seiner Ansicht ist es eine Macht, die uns davon abhält, uns positiv zu verändern. Es ist der Bösewicht auf der Reise unserer menschlichen Entwicklung, der unser Potenzial und unser Wachstum blockieren will. „Part-X“ ist die Stimme der Unmöglichkeit. Siehe dazu in:
MARA, R. / WILSON, J. u.a. (Produzenten), HILL, J. (Regisseure), Netflix Production (Aufnahmestudio): Stutz, Dokumentarfilm, 2022, 00:16:00 – 00:22:30
 
[iii] BOHNENKAMP A., HENKE S., JANNIDIS F. (Hrsg.): Johann Wolfgang Goethe, Faust, Eine Tragödie, Konstituierter Text, Wallstein Verlag, 2014, S 59 f
 
[iv] LAO-TSE, Tao Tê King, Aus dem Chinesischen übersetzt und kommentiert von Victor von Strauss, Mannesse Verlag, Zürich, 1959, S.156
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