
K O N T A K T
Von der objektiven zur non-dualen Erkenntnis

Gesamte Inhalte:
© Dr. Christoph Paul Stock
Die Illusion eines beständigen Selbst
Viele von uns streben danach, einen bestimmten Status zu erreichen und definieren sich über diesen Status. Für viele Menschen ist es der Beruf, über den sie sich definieren. Für andere Menschen sind es Geld, Macht und Ansehen, die ausschlaggebend sind. Wieder andere definieren sich über die Kinder und Familie, andere über ihr soziales oder geistiges Engagement. Gleich was es ist, wir versuchen jemand in der Welt zu werden. Jemand zu werden, ist nicht das Problem, sich von diesem Status, jemand geworden zu sein, abhängig zu machen und uns primär darüber zu definieren aber schon. Irgendwann gehen wir in Pension und verlieren unsere berufliche Stellung, irgendwann gehen Geld, Macht und Ansehen verloren und unser Status ist dahin. Die Kinder werden groß und ziehen aus. Nun sind sie es, von denen die Geschicke der Familie geleitet werden. Irgendwann fehlt die Kraft oder innere Motivation sich sozial oder geistig zu engagieren. Der so hart erarbeitete Status zerfällt und mit ihm die daran gehängte Identität.
Die Energie des Wandels weist uns darauf hin, dass wir kein beständiges Selbst haben.
Das Versprechen, dass man ganz magisch erfüllt wird und auch erfüllt bleibt, wenn man seine gesteckten Ziele erreicht und sie als Status erhält, stellt sich als nicht wahr heraus. Es ist eine Lüge. Viele ausgesprochen erfolgreiche Menschen sind zutiefst unglücklich. Sie erreichen oberflächliche Ziele, die oftmals nur falsche Versprechungen der Zufriedenheit darstellen.
Wir sind zu sehr auf das Ergebnis und zu wenig auf den Prozess konzentriert. Wir überschätzen die Bedeutung unserer persönlichen Pläne und Ziele und vernachlässigen dabei den Beitrag, den wir für das größere Ganze leisten können. Wir ziehen es oft vor, über andere zu herrschen, statt dem Großen und Ganzen zu dienen. Wir wollen so sehr jemand in der Welt sein und vergessen darüber, uns selbst immer wieder neu zu erschaffen. Dabei ist es diese Kreativität, die uns von allen anderen Lebewesen auf dieser Welt besonders unterscheidet und uns erfüllt und glücklich macht.
Die Versuchung etwas zu erreichen und dann in diesem Status des Erfolges stehen zu bleiben, bewirkt, dass wir bestrebt sind, uns in bestimmten Lebensumständen dauerhaft einzurichten. Wir identifizieren uns mit diesen Lebensumständen, wir wollen in einem gewissen Sinn diese Lebensumstände sein. Wir halten uns selbst für diese Lebensumstände, die nicht beständig sind. Mit diesem Vorgehen versuchen wir, den Fluss des Lebens anzuhalten. Doch dieser Fluss lässt sich nicht anhalten. Unaufhörlich ist der Kosmos in unaufhaltsamer Bewegung.
Nie zuvor haben wir einen solchen äußeren Wohlstand als Menschheit erreicht als in den letzten Jahrzehnten. Wir haben die Welt bezwungen und uns Untertan gemacht. Wir haben in gewisser Weise unser gestecktes Ziel erreicht und den Großteil der Welt zu unserer Welt gemacht, zu unserem Kühlschrank, zu unserer Lagerhalle, zu unserem Spielplatz, zu unserer Müllhalde. Jede andere Spezies muss froh sein, noch irgendwie und irgendwo überleben zu können. Gleichzeitig leiden Menschen an einer inneren Leere, erfahren Depressionen sowie psychische und geistige Beeinträchtigungen wie selten zuvor. Wir trösten uns mit Gegenständen, Wellnessprogrammen und Ablenkungen aller Art. Doch vielfach mangelt es uns an innerem Frieden, an innerem Wohlbefinden und Glück. All der äußere Wohlstand kann uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass uns ein innerer Wohlstand fehlt. Wenn wir in dieser Geschwindigkeit und Vehemenz den Ausbau des äußeren Wohlstandes weiter vorantreiben, werden die ökologischen Kreisläufe beginnen zu kollabieren und mit ihnen große Bereiche unseres Lebensraums als bewohnbare und lebensspendende Regionen verschwinden. Der Fluss des Seins hat eine Abzweigung genommen und ruft uns mit lauter Stimme zu, uns stärker nach innen zu wenden, uns mit dem Kosmos zu verbinden, der auf Grund seiner Größe im außen kaum zu erreichen aber in unserem Inneren ständig präsent ist.
Wir tun uns schwer, die innere Stimme zu hören. Zu sehr sind wir über unsere Sinne und einen hoch gebildeten Intellekt mit der Außenwelt verbunden. Die äußeren Eindrücke sind übermächtig, jede Minute unseres Tages ist mit Dingen und Aufgaben in der Außenwelt verplant, in jeden Augenblick stopfen wir so viele äußere visuelle, phonetische, taktile, gustatorische und olfaktorische Anregungen und Aufregungen, dass unser Nervensystem derart überspannt und geladen ist, dass die zarten Schwingungen des Universums uns nicht mehr erreichen. Wir sind so voll von der äußeren Welt, nutzen jede Verschnaufpause, um uns per Handy oder Tablet mit elektronischen Informationen zu verbinden, füllen uns an mit endlos vielen Inhalten und Kontexten, so dass wir es kaum noch ertragen, innezuhalten, stehenzubleiben und einfach da zu sein. Wir sind vor uns selbst auf der Flucht. So verschwindet die innere Welt aus unserer Wahrnehmung. So verlieren wir die Führung durch den spirituellen Hintergrund. Wir sind einsam und abgeschnitten in einer endlos geschäftigen Welt.
Der Kurswechsel ist schwer, weil wir uns eingerichtet haben und unsere Identität von diesen erreichten Lebensumständen ableiten. Wir sind so weit gekommen und haben zweifelsohne großartige Dinge in unserer hochtechnisierten Welt erreicht, dass wir in dieser vorrangig nach außen gerichteten Welt verbleiben möchten. Doch mit der Eroberung der äußeren Welt ist die Reise nicht zu ende. Es gibt eine innere Welt, die in Wahrheit weit größer ist als die äußere Welt. So wie wir uns über die Raumfahrt in Richtung neuer Welten im Weltraum aufmachen, ist es auch möglich, sich auf die Reise in eine innere Welt zu begeben.
Diese innere Welt ist der Urgrund unserer äußeren Welt. Sie ist die Architektin und Baumeisterin des Lebens, wie wir es kennen. Diese innere Welt hat ihren eigenen Rhythmus, ihre eigene Intelligenz und ihren eigenen Weg. Sie legt in uns ein Wachstums- und Entwicklungspotenzial an, das abgestimmt ist mit dem Kosmos. In uns selbst sind die Lösungsansätze für die anstehenden Probleme zu finden. Wenn wir uns in der Außenwelt einrichten, wird dieses Potenzial nicht genutzt werden können. Wenn es uns aber gelingt, dieses Potenzial zu heben und in der Realität nutzbar zu machen, wird diese in uns liegende kreative Kraft jene Lösungsansätze real werden lassen, die wir für unser Überleben und unsere Weiterentwicklung brauchen. Es werden weder der Fortschritt noch die Technik sein, die unsere Zivilisation überleben lassen. Es wird das kreative Potenzial der Menschen sein, das sich aus einer tiefen Quelle des Lebens speist, das unseren Fortbestand und den Fortbestand dieser Welt sichern kann. Dafür müssen wir aber damit aufhören, an der Oberfläche jemand werden zu wollen, der wir nicht sind und erkennen, dass in uns ein potenzielles Meisterstück verborgen ist, das gar nicht mehr verbessert werden kann, sondern sich enthüllen und entfalten will. Wenn wir aufhören, uns selbst im Weg zu stehen, können wir den Schein überwinden und unser authentisches Sein in unserem Inneren finden, das mit dem Fluss des Lebens verbunden ist. Dann sind wir nicht nur eine Persönlichkeit an einem bestimmten Ort und in einer bestimmten Zeit in dieser Welt, sondern eine tieferliegende Entität, ein Individuum, das diesen Ort und diese Zeit nutzt, um sich zu entwickeln, um sich selbst kennenzulernen und sich zu entfalten. Dann glauben wir nicht mehr die Welle zu sein, sondern begreifen, dass wir das Wasser sind, das sich mit der Welle bewegt.