
K O N T A K T
Von der objektiven zur non-dualen Erkenntnis

Gesamte Inhalte:
© Dr. Christoph Paul Stock
VON DER ZÜNDENDEN IDEE ZUR ZIELGERICHTETEN MISSION
Dem kreativen Anliegen einen ersten Ausdruck verleihen
Wenn das Neugeborene spürt, wie das Bedürfnis etwas zu essen oder etwas zu trinken sich zu einem unangenehmen Gefühl entwickelt, wird aus einem Quengeln und einer sichtbaren Unruhe langsam ein Jammern und Weinen und schließlich ein lautstarkes Schreien, das unerbittlich nach der Stillung der Bedürfnisse verlangt.
Dem spirituellen Kind geht es gleich wie dem Neugeborenen. Wenn man für das, was in die Welt treten soll, keine Worte hat, muss man sich anderer Mittel bedienen. Das Neugeborene schreit, weil es noch nicht sprechen und seine Bedürfnisse so nicht in Worte fassen kann. Die Empfindungen lassen sich noch nicht benennen, daher braucht es andere Formen des Ausdrucks. Das Spirituelle Kind kann vielleicht eine Richtung des Bedarfes, den es gibt, erahnen, hat aber noch keine Vorstellung, wie die Sache konkret aussehen kann. Daher fehlen auch hier die Worte, obwohl ein funktionierendes Sprachvermögen vorhanden ist. Man ist in einem fremden Land und versteht weder Sprache noch Kultur. Daher muss man sich mit Händen und Füßen behelfen, die Dinge zeigen und deuten, sich im Dunkeln herantasten und suchen, um das zu finden, was ins Leben drängt aber im Leben noch nicht erkennbar und benennbar ist. Der Akt der kreativen Neuschöpfung ist kein Akt des Verstandes, es ist kein Denken, sondern ein spontanes Geschehen, das gewissermaßen aus dem Dunkel des Nicht-Seins auftaucht und ins Sein springt. Es ist eine Situation des Nicht-Wissens und des Nicht-Verstehens, in der sich etwas konstituiert, das zuvor in seiner individuellen und ureigenen Form noch nie im Leben war. Es verlangt nach einer Kommunikation, die keine Erinnerung, kein Gestern, keine mechanische Wiederholung, keine Projektion der Vergangenheit in Form von Hoffnungen und Wünschen in die Zukunft kennt. Es ist ein originäres Geschehen. Es geht um eine wahre schöpferische Kraft.
In diesem Sinn ist es kein positives Denken, weil es fernab des Denkens passiert und positives Denken ein Gegenpol zu negativen Denkstrukturen ist. Das bedeutet nicht, dass positives Denken nicht grundsätzlich hilfreich sein kann. In vielen Fällen unterstützt eine optimistische und positive Grundhaltung und ein Handeln, Denken und Tun, das dieser positiven Grundhaltung folgt, dabei, das Leben besser und leichter zu bewältigen. Doch positives Denken entspringt nicht immer einer positiven Grundhaltung, sondern fokussiert sich oft auf Fantasien einer konkreten zukünftigen Welt, die wir uns im Kopf ausmalen, die noch nicht entstanden ist und eventuell auch nie entstehen wird. Vielfach hat positives Denken keine Grundlage in der Realität, keine Chance auf Verwirklichung und stellt ein Wunschdenken dar, dem es an echter visionärer Kraft fehlt, weil es mit dem Weltganzen nicht verbunden ist. Es sucht nicht danach, was es in der Welt braucht, es gibt sich der Welt nicht hin, sondern blickt auf das, was es selbst will. Es verfolgt mehr die eigenen Ziele, unerwünschte, ausgegrenzte und abgespaltene Inhalte unseres Lebens zu vermeiden, statt offen zu sein für einen Prozess, der über unsere Vorlieben und Vorurteile hinausgeht. Man bringt sich nicht aus einer belastenden Situation oder bedrückenden Stimmung, in dem man einfach glückliche Gedanken über die Zukunft denkt. Das ist eine Utopie, eine Beruhigungspille, die mit echter Kreativität nichts zu tun hat.
Was uns hilft, ist der Aufbau einer lebendigen Beziehung mit etwas, das noch im Verborgenen liegt, sich aber anschickt, in die Welt hinein geboren zu werden. Es ist der Mut, in die scheinbare Leere zu blicken, im Vertrauen darauf, dass aus dieser Leere etwas auftauchen und Gestalt annehmen wird, das noch keine konkreten Konturen hat. Es ist die Bereitschaft, etwas zu imaginieren, etwas aus Träumen oder Tagträumen auftauchen zu lassen und dafür offen zu sein. Zu Beginn ist es reine Energie, in der Information zu stecken scheint. Da scheint etwas zu sein, aber man ist sich nicht sicher. Es ist schemenhaft, unkonkret, nebulos und traumartig. Es lässt sich nicht zwingen und wählt seine eigene Zeit. Doch plötzlich taucht etwas auf. Es kann ein Bild, ein Symbol, eine Skulptur, ein Klang, eine Berührung, ein Tanz, ein Gedankenblitz oder eine Begegnung sein. Man kann nicht wissen, was es sein wird. Es ist nicht leicht, zwischen der eigenen Fantasie und einer echten Imagination zu unterscheiden. Die Fantasie entspringt unserem Denken und unseren vergangenen Erfahrungen, die Imagination entspringt aber einer tieferen Schicht unseres Seins, die mit dem Unbewussten und den archetypischen Grundmustern des Lebens verbunden ist. Daher muss überprüft werden, ob wir etwas für eine Imagination halten, was eigentlich ein Wunschdenken ist oder ob es tatsächlich eine Imagination ist, die einer tieferliegenden Wirkkraft entspringt, dem kollektiv Unbewussten, in dem sich die Urbilder des Lebens im unendlichen Wandel verbergen. Diese Urbilder beeinflussen unser Bewusstsein nicht nur, sondern sie führen es, indem sie an die Oberfläche des Bewusstseins in ihrer schöpferischen Kraft drängen und uns eingegeben werden. Sie haben eine Autonomie und verfolgen eine Absicht und einen Zweck. Damit liegt in ihnen eine Finalität, die mit unseren persönlichen Zielen nichts zu tun hat, sondern auf ein vorausliegendes Ziel gerichtet ist, das sich im kollektiven Sein verbirgt.[i]
Man muss bei dem, was man für eine Imagination hält, stehen bleiben, sie im Fokus behalten und warten, ob ihr Energieniveau bestehen bleibt und stabil ist. Wie kann man das machen?
Fantasien als Begleiterscheinungen unseres Denkens und Fühlens sind ein wenig so wie unsere negativen Gedanken. Wir malen uns alle möglichen schrecklichen Szenarien aus, befürchten Unheil und Unglück, um schließlich in den meisten Fällen zu erfahren, dass sich unsere gedanklichen Befürchtungen in Luft auflösen. Wir haben uns umsonst so viele Sorgen gemacht. Fantasien lösen sich genauso auf. Sie sind nicht beständig, eher Seifenblasen, die nach einer kurzen Existenz durch den Sog der Realität zum Platzen gebracht werden. Es gibt die Möglichkeit, Fantasien ins Leben zu zwingen, in dem man ihnen unablässig Energie zuführt. Hier betritt man aber den Boden der schwarzen Magie und des Okkulten, die sich über die Lebensprozesse hinwegsetzen möchten und aus sich selbst unabhängig vom großen Lebensfluss existieren wollen. Diese Prozesse sind hoch manipulativ und nicht selten von falscher Machtausübung und Gewalt gekennzeichnet.
Die Imagination ist von einem anderen Charakter. Sie ist nicht von uns willentlich im Denken hervorgebracht, sondern taucht spontan auf. Sie wird nicht von uns geformt, sondern formt und wandelt sich von selbst, während wir sie beobachten. Die Fantasie muss durch unser Denken aktiv am Leben erhalten und mit Energie versorgt werden. Die Imagination hat eine inhärente Beständigkeit. Ihre Form mag sich ändern, sie ist anfänglich kaum fassbar und noch recht wandlungsfähig. Doch sie bleibt als Energiekörper erhalten, auch wenn ihre konkrete Form und ihr konkreter Inhalt sich noch ändern und anpassen. Es ist etwas, das uns nicht loslässt, auch wenn wir es aus unserem Denken und Fühlen verbannen. Es ist ein Strom an Energie, der in unser Leben will.
Es kann sein, dass dieser Energiestrom abreißt und verschwindet. Dann könnte man meinen, dass es sich nur um unsere Fantasie, um eine Utopie gehandelt hat. Doch wenn es sich um eine wirkliche Imagination handelt, wird diese wieder auftauchen. Das geschieht vielleicht in einem anderen Gewand, mit anderen Assoziationen aber die dahinterstehende Energie ist dieselbe.
Es gibt Menschen, die haben schon als kleine Kinder eine Vision davon, was sie in ihrem Leben machen und erreichen wollen. Manche wollen in die Politik gehen, andere wollen ins Weltall fliegen, wieder andere haben die Idee als eine Art Herkules die Welt zu erobern oder geniale Musik zu erschaffen. In vielen Fällen sind es nur Fantasien, die verschwinden, wie sie gekommen sind. Doch in anderen Fällen realisieren Menschen genau jene Vision, die sie als Kind von ihrem Leben gehabt haben. Sie haben etwas imaginiert, was ihrem Lebensweg tatsächlich entspricht. Sie haben ein Energiepotenzial wahrgenommen, das ihren Weg ermöglicht und unterstützt.
Irgendwann müssen wir über das rein Schemenhafte hinausgehen. Wir müssen der Energie, die uns in der Imagination begegnet, eine Form und einen Inhalt geben. Wir müssen in der Realität etwas formen, das der wahrgenommenen Energie entspricht und mit ihr korrespondiert. Wir versuchen vielleicht der Energie Ausdruck zu geben, indem wir einen neuen Job suchen, vielleicht machen wir sogar eine neue Ausbildung, um dem, was ins Leben drängt, eine Form geben zu können. Wir kommen vielleicht darauf, dass wir am falschen Ort leben und übersiedeln müssen. Es wird uns vielleicht klar, dass wir uns in unserer Partnerschaft, in unserer Familie oder unserem sozialen Umfeld verändern müssen. Im Schemenhaften und Unbewussten zu verharren wäre fatal. Es wäre so, als würde das Neugeborene die Empfindung von Hunger und Durst einfach ignorieren. Die Wirkkraft muss mit der Realität in Beziehung treten, wir müssen beginnen, das noch schwer Fassbare in der Welt fassbar zu machen. Es muss einen Austausch zwischen der Innen- und der Außenwelt geben. Das Neugeborene muss etwas zum Essen und zum Trinken bekommen. Das spirituelle Kind muss den geistigen Inhalt im Leben Gestalt annehmen lassen, sonst bleibt alles nur eine schöne Traumwelt.