top of page
Lebensurbild%20Muster5_edited_edited.png

Gesamte Inhalte:

© Dr. Christoph Paul Stock

 

da) Einleitung

 

Bei der Fragestellung dieses Kapitels, welche Bedeutung den Grundrechten für die Interpretation von Privatrechtsgesetzen zukommt, muss geklärt werden, in welcher Weise die Grundrechte und Freiheitsrechte aus ihrer eigentlichen Wirkung im öffentlich - rechtlichen Bereich in den Privatrechtsbereich eingreifen und übergreifen. Grundsätzlich sollen die Grundrechte den einzelnen Staatsbürger vor Eingriffen und Übergriffen des Staates schützen. Durch die geänderten Aufgaben des Staates, der auch verstärkt im Privatrechtsbereich tätig wird, und durch die stärker werdende Gefahr der Beeinträchtigung des einzelnen durch andere Privatrechtspersonen, was insbesondere auf die rasche technologische Entwicklung unseres Zeitalters zurückzuführen ist, wird diese Frage zu einem brisanten Problem.

Diese Problematik wird als Drittwirkung der Grundrechte[1]) bezeichnet und soll in diesem Kapitel in seinen Ausformungen der “unmittelbaren Drittwirkung” und “mittelbaren Wirkung” untersucht werden.[2]) Zwei Kategorien stellen sich hier grundlegend zur Präzisierung der Fragestellung in den Erörterungsbereich: nämlich einerseits die Kategorie der Normadressaten und andererseits die Kategorie der Normstruktur. Der erste Begriff spricht das Problem an, ob die Grundrechte nur den Staat oder auch die Subjekte des Privatrechts verpflichten; der zweite, in welcher Funktion die Grundrechte auf das Privatrecht einwirken: als Eingriffsverbote, Auslegungsrichtlinien, Grundsatznormen, institutionelle Garantien oder Schutzgebote.[3])

Es soll eine kurze Erörterung der Begriffe “unmittelbare Drittwirkung” und “mittelbare Wirkung” der Grundrechte vorausgestellt werden, um die Problemstellung klarzulegen. Daran anschließend ist zu untersuchen, ob aus der Verfassung selbst, hier insbesondere aus dem Struktur- und Rechtserzeugungszusammenhang, eine Antwort auf die Drittwirkungsproblematik gefunden werden kann. Weiters soll ein hermeneutischer Lösungsansatz versucht und daraus Schlussfolgerungen gezogen werden. In der Folge ist auf die Schutzfunktion und die Bedeutung der Grundrechte für die Auslegung von Privatrechtsnormen einzugehen und der Stellenwert der Generalklauseln in diesem Sinne abzuklären. Abschließend ist noch ein Blick auf die Judikatur zu werfen.


[1]) Vertreter einer “unmittelbaren Drittwirkung” in Deutschland: Enneccerus - Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts15 I (1959) 92 ff; Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht (1961); Leisner, Grundrechte und Privatrecht (1960);
Ramm, Die Freiheit der Willensbildung - Zur Lehre von der Drittwirkung der Grundrechte und der Rechtsstruktur der Vereinigung (1960) 38 ff; Steindorff, Persönlichkeitsschutz im Zivilrecht (1983) 12;
Vertreter einer “mittelbaren Drittwirkung” in Deutschland: Dürig, Grundrechte und Zivilrechtsprechung, FS - Nawiasky (1956) 166; Maunz - Dürig, Grundgesetz - Kommentar2 (1973) Art 1 Rn 505 ff; Maunz - Dürig - Herzog - Scholz, Grundgesetz - Kommentar6 Art 1 Rn 127 ff; Vertreter einer “unmittelbaren Drittwirkung” in Österreich: Bydlinski, Der Gleichheitsgrundsatz im österreichischen Privatrecht (1961); Bydlinski, Bemerkungen über Grundrechte und Privatrecht, ÖZöR 12 (1963) 423; Bydlinski, Die Grundrechte in Relation zur richterlichen Gewalt, ÖRZ 1965, 67 (85);
Aus der Literatur seien noch weiters genannt: Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, AcP 164 (1964) 385; Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte (1971); Schäffer, Verfassungsinterpretation in Österreich (1971) 170 ff; Reischauer, Das Persönlichkeitsrecht auf Achtung des Fernsprechgeheimnisses (§ 16 ABGB) und seine Bedeutung für das Dienstverhältnis, DRdA 1973, 207; Moser, Die Europäische Menschenrechtskonvention und das bürgerliche Recht (1972); Spanner, Die Bedeutung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes für das Zivilrecht, JBl 1978, 281 (285 ff); Korinek - Gutknecht, Der Grundrechtsschutz, in: Schambeck, Das österreichische Bundes - Verfassungsgesetz und seine Entwicklung (1980) 291 (316 ff); Berka, Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz (1982) 86 ff.
[2]) Walter - Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechtes6, 437; Ermacora, Handbuch der Grundfreiheiten und Menschenrechte 24 ff; Aicher in Rummel, Kommentar zum ABGB2 I, Rz 30 - 32 zu § 16; Adamovich - Funk, Österreichisches Verfassungsrecht3, 374 ff;
[3]) Canaris, Grundrechte und Privatrecht, AcP 184, 202.
© Christoph Paul Stock | Wien | 2025 | All rights reserved!
lebensurbild_begriffswolke_6.png
bottom of page