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Gesamte Inhalte:

© Dr. Christoph Paul Stock

 

4) Das Verhältnis der Klausel von den “Guten - Sitten” zu § 16 ABGB

           

Es erscheint nicht sehr sinnvoll, die “Guten - Sitten” zu überspannen und für alles heranzuziehen, was mangels positiver Umschreibung im Recht und mangels Auslegungsmöglichkeit aus dem ungeschriebenen Recht erfasst werden muss. Besonders dort, wo das ungeschriebene Recht einen personalen Gehalt hat, würde man einer positiven Bestimmung des ABGB widersprechen, wenn man versuchen würde, eine Verletzung eines solchen Rechts unter die “Guten - Sitten - Klausel” zu stellen. Denn § 16 ABGB überlagert auf jeden Fall § 879 Abs 1 ABGB dort, wo es sich um personale Güter handelt. Dies deshalb, weil etwas, das gegen das Persönlichkeitsrecht verstößt, nicht unbedingt sittenwidrig sein muss. Eine Verletzung persönlicher Güter, die in Verfolgung höherwertigerer Güter geschieht, wird ja nicht als sittenwidrig angesehen. Auf der anderen Seite ist jede Verletzung des Rechts eines anderen auch ein Sittenverstoß. Aus diesem Grund könnte man die Beeinträchtigung eines Persönlichkeitsrechts auch unter die Generalklausel von den “Guten - Sitten” stellen. “Die einzelnen Rechte sind ja jene Konkretisierung des ethischen Minimums, die im Ringen des Menschengeistes um Erkenntnis der objektiven Grundsätze menschlichen Zusammenlebens bisher herausgearbeitet wurden, während der Begriff der guten Sitten die Generalklausel dafür darstellt.”[1]) Aber die Rechtsverletzungen wiegen nicht alle gleich schwer. Es gibt schwere und leichte Verletzungen, schwerste und verabscheuungswürdige Verletzungen, Verletzungen gegen private und gegen öffentliche Interessen. Der Nachteil einer uneingeschränkten Anwendung der Klausel von den “Guten - Sitten” wäre der, dass bei demjenigen, der den Sachverhalt einer Streitsache nicht kennt, durch die Verwendung des Begriffes der “Guten - Sitten” der Verdacht einer besonders schweren Rechtsverletzung hervorgerufen wird. Daher erscheint es zweckmäßig, äußerst sparsam in der Charakterisierung eines Verhaltens als sittenwidrig zu sein. Besonders dort, wo schon systematisch eine Verwendung einer anderen Generalklausel als der von den “Guten - Sitten” möglich, ja sogar dem positiven Recht entsprechend ist, wie im Falle des § 16 ABGB, wäre ein Rückgriff auf den § 879 Abs 1 ABGB unverständlich. Dies auch deshalb, weil man der systematischen Abgrenzung der Rechtsbereiche, die hier dem ABGB innewohnt, nicht entsprechen würde. Dabei bleibt sicherlich unbestritten, daß viele Instrumentarien, die im Rahmen der Anwendung des § 879 Abs 1 ABGB entwickelt worden sind, auch tragende Bedeutung für die Ergründung anderer Generalklauseln haben und daher von dort übernommen werden müssen.


[1]) Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht2, 154.
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