
K O N T A K T

Gesamte Inhalte:
© Dr. Christoph Paul Stock
A) KONTROLLMASSNAHMEN UND TECHNISCHE EINRICHTUNGEN
Unter Kontrollmaßnahmen werden ganz allgemein seitens des Betriebsinhabers veranlasste Regelungen verstanden, die vorschreiben, wann, unter welchen Voraussetzungen und auf welche Weise Arbeitnehmer beim Betreten oder Verlassen des Betriebes oder bestimmter Betriebsteile, ferner während ihrer Arbeitsleistung oder überhaupt während ihres Aufenthaltes im Betrieb zu irgendeinem Zweck überprüft werden.[1]) Das EA Linz geht darüber noch hinaus und zählt zu den Kontrollmaßnahmen nicht nur Zu- und Abgangskontrollen sowie Kontrollen während des Aufenthalts im Betrieb, sondern schließt auch Kontrollen des dienstlichen Verhaltens außerhalb des Betriebes und Überwachung der Privatsphäre, aber auch Kontrollen zur Feststellung bestimmter Einstellungen und persönlicher Eigenschaften mit ein.[2])
Obwohl in dieser Arbeit die individualarbeitsrechtlichen Probleme des Persönlichkeitsschutzes zu untersuchen sind, erscheint es trotzdem hilfreich, einen Blick auf das Arbeitsverfassungsgesetz zu werfen. Dieses regelt in seinem § 96 Abs 1 Z 3, dass Kontrollmaßnahmen und technische Systeme zur Kontrolle der Arbeitnehmer, sofern sie die Menschenwürde berühren, zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrates bedürfen.[3])
Die Bestimmung des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG hält im Gegensatz zum deutschen Pendant des § 87 Abs 1 Nr 6 des deutschen Betriebsverfassungsgesetzes nicht nur den Einsatz technischer Mittel zur Verfolgung von Kontrollzwecken im Mitwirkungsbereich des Betriebsrates für zustimmungspflichtig, sondern schließt auch die Notwendigkeit der Zustimmung bei anderen Kontrollmitteln – hier ist zB an personelle Kontrolle zu denken – mit ein. Damit hat man in Österreich ein flexibles, elastisches Modell geschaffen. Alle nur denkbaren Überwachungsmöglichkeiten werden auf den Prüfstand gehoben. Diese Regelung entspricht damit dem generalklauselartigen Charakter des “allgemeinen Persönlichkeitsrechts”. Jeglicher Eingriff in den Bereich der Menschenwürde verlangt nach einer Kontrolle.[4])
Durch das Zustimmungserfordernis des Betriebsrates wird dem Arbeitgeber durch den Gesetzgeber verdeutlicht, dass er einen “qualifizierten Respekt vor der Persönlichkeit des Dienstnehmers insbesondere in Hinblick auf die Kontrolle seines Verhaltens im Betrieb”[5]) an den Tag zu legen hat. Diese Pflicht trifft den Arbeitgeber voll und ganz genauso im Individualarbeitsrecht.
Mit der Verwendung des Begriffes der “Menschenwürde” im Gesetzestext des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG ist die Lehre und Rechtsprechung im Arbeitsrecht auf die schwierige Frage gestoßen, wann die Menschenwürde “berührt” wird. Es wurde die Frage nach der Grenze zwischen einer lediglichen Tangierung und einer noch nicht erfolgten Berührung genauso aufgeworfen wie die Frage, wo sich eine Tangierung der Menschenwürde mit der Sittenwidrigkeit trifft.[6]) Ohne Zweifel muss man Tomandl zustimmen, wenn er sagt, die “Achtung der Persönlichkeit und” der “Schutz der Menschenwürde bezeichnen dieselbe Sache”[7]). Damit stieß man in dieser Diskussion genau auf die gleiche Frage, wie sie im Zusammenhang mit dem “allgemeinen Persönlichkeitsrecht” aufgeworfen ist. Denn beiden Begriffen – sowohl dem der “Menschenwürde” wie auch dem der “Persönlichkeit” – haftet ein gewisses Maß an Unbestimmtheit und Unfassbarkeit an, was ihre Abgrenzung grundlegend schwierig macht. Das Persönlichkeitsrecht allgemein und hier seine besondere Ausgestaltung der Menschenwürde haben also nicht nur die Aufgabe jenen Schutzbereich zu beschreiben, dessen Verletzung unbedingt sittenwidrig bzw tadelnswürdig ist, sondern auch jenen Bereich in den unter besonderen Umständen eingegriffen werden darf.
Das Augenmerk fällt also auf den schmalen Grenzbereich “zwischen den die Menschenwürde verletzenden (und damit ohnehin sittenwidrigen) Maßnahmen und den die Menschenwürde überhaupt nicht tangierenden Maßnahmen des Betriebsinhabers”[8]). Ein sittenwidriger Eingriff bzw ein Eingriff in den Kernbereich der Menschenwürde ist natürlich eine nicht zu rechtfertigende Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Die große Bedeutung des “allgemeinen Persönlichkeitsrechts” liegt aber in der Konkretisierung und Beschreibung von Interessenkonstellationen, die eine Berührung, einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht gestatten. Man sieht also, dass der Begriff der “Sittenwidrigkeit” zu eng ist, um die ganze schutzwürdige Wertigkeit der individuellen Persönlichkeit auszuleuchten.[9]) Die Diskussion rund um die Bestimmung des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG hat also viel zum Verständnis des Persönlichkeitsrechts beigetragen. Man sieht an dieser Stelle auch, dass es kaum möglich ist, den generalklauselartigen Charakter des § 16 ABGB einfach brach liegen zu lassen und sich nur auf besondere Persönlichkeitsrechte zu stützen. Gerade im Arbeitsrecht, in dem die Persönlichkeit so oft einer Gefährdung ausgesetzt ist, kann auf eine Sicht der Persönlichkeit des Arbeitnehmers in ihrer Gesamtheit nicht verzichtet werden.