
K O N T A K T

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© Dr. Christoph Paul Stock
3) Datenschutz im aufrechten Arbeitsverhältnis
Wie schon erwähnt entsteht das Fremdinteresse an der Datenerhebung erst im aufrechten Arbeitsverhältnis. Dann ist dieses Informationsinteresse recht umfangreich und ausgesprochen stark auf die Privatsphäre des Arbeitnehmers ausgerichtet.
Der Dienstgeber ist zum Zwecke der Abfuhr von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen und der Auszahlung der Kinderbeihilfe (befindet sich aber im Moment in einer Umstellung, nach der die Familienbeihilfe direkt an den Anspruchsberechtigten vom Finanzamt ausgezahlt wird) gesetzlich verpflichtet, Daten des Privatlebens seines Arbeitnehmers evident zu halten. Schon das Finanzlastenausgleichsgesetz verpflichtet den Arbeitgeber, Daten über Familienverhältnisse aufzuzeichnen (§ 24 Abs 2 FlAG), wie zB die Zahl erheblich behinderter Kinder. Meist werden solche Daten über das Lohnkonto des Arbeitnehmers geführt, da die Familienbeihilfe mit der Lohnsteuer verrechnet wird. Da heute in sehr vielen Betrieben Lohnkonten elektronisch über EDV geführt werden, ist damit eine automationsunterstützte Erhebung und Verarbeitung gegeben. Auch das Lohnkonto (§ 76 EStG) selbst hat kraft gesetzlicher Anordnung bestimmte Mindestangaben zu enthalten, die ebenfalls aus dem Privat- und Familienleben stammen (Alleinverdiener, Kinder, Wohnsitz, Steuerabsetzbeträge, Werbungskosten, Sonderausgaben usw). Auch bezüglich des Sozialversicherungsbereiches muss der Arbeitgeber eine ganze Reihe von Informationen evident haben, um etwaige Auskünfte an den Versicherungsträger weitergeben oder von sich aus Meldungen erstatten zu können (§ 42 ASVG). Schließlich ist der Arbeitgeber auch verpflichtet, Krankenscheine und Zahnbehandlungsscheine für seine Arbeitnehmer auszustellen, wozu ebenfalls gewisse Informationen notwendig sind (§ 361 Abs 3 ASVG).[1])
Neben diesen Beispielen gibt es eine Reihe von notwendigen Informationserhebungen, die die Abwicklung von Arbeitnehmeransprüchen betreffen. Solche Informationen sind im Urlaubsrecht, bei der Einstellung von Invaliden und im Bereich des Entgeltfortzahlungsgesetzes erforderlich. Auch das Arbeitszeitgesetz und das Arbeitsruhegesetz sehen Aufzeichnungsverpflichtungen vor. So sind zB nach § 25 ARG Aufzeichnungen über Ort, Dauer und Art der Beschäftigung aller während der Wochenend-, Ersatz- oder Feiertagsruhe beschäftigten Arbeitnehmer und deren Entlohnung sowie über die gewährte Ersatzruhe zu führen. Auch das Bundesgesetz über die Nachtarbeit von Frauen (§ 7 Abs 1 FrNachtAG) verpflichtet ebenso wie das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen (§ 26 KJBG) den Arbeitgeber zu Aufzeichnungen.
Natürlich bieten diese öffentlich - rechtlich verpflichtend aufgezeichneten Daten dem Arbeitgeber auch die Möglichkeit, selbst den Arbeitnehmer verstärkt datenmäßig zu erkunden und zu überwachen. Man darf aber nicht übersehen, dass grundsätzlich viele dieser Datenerhebungen, gleich auf Grund welcher Befugnis sie erstellt wurden, auch Vorteile für den Arbeitnehmer bringen. So kann zB eine Erhebung der Raucher und Nichtraucher in einem Betrieb sinnvoll sein, um feststellen zu können, welche Einrichtungen den Rauchern bei einem generellen Rauchverbot zur Verfügung gestellt werden müssen, um beide Interessenseiten zufriedenstellen zu können.
Eine durchaus berechtigte Gefährdung des “allgemeinen Persönlichkeitsrechts” des Arbeitnehmers kann dann auftreten, wenn die erhobenen Daten in einer Weise verwendet werden, die eine Art Kontrolle ermöglichen. Diese Problematik wurde kollektivrechtlich genau untersucht[2]), weil § 96 Abs 1 Z 3 und § 96 a Abs 1 ArbVG bei der Einführung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen zur Kontrolle ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates postulieren. Die Ergebnisse aus diesen Untersuchungen sind auch individualarbeitsrechtlich relevant, weil sie allgemeine Aussagen zur Problematik der Kontrolle durch Datenverarbeitung geben.
Diese Untersuchungen haben aufgezeigt, dass es nicht darauf ankommt, ob ein technisches System unmittelbar eine Kontrolle ausübt oder die Kontrolle erst aufgrund der vom System gelieferten Aufzeichnungen möglich wird. “Entscheidend ist die objektive[3]) Eignung eines Geräts, Kontrollvorgänge zu ermöglichen oder zu erleichtern.”[4]) Dieser Folgerung ist sicherlich zuzustimmen, weil es für den Arbeitnehmer keinen erheblichen Unterschied macht, wie die Kontrolle zustande kommt. Für ihn ist ausschließlich das Ergebnis der Kontrolle und das Gefühl, kontrolliert zu sein, ausschlaggebend.[5]) Aber allein die subjektive Befürchtung einer möglichen Überwachung des Arbeitnehmers reicht für sich allein noch nicht aus, um einem technischen System die Eignung zuzubilligen, die Menschenwürde zu berühren. Es ist erforderlich, dass das technische System auch objektiv geeignet ist, die Menschenwürde zu beeinträchtigen.[6])
Es ist also nicht das subjektive Gefühl des Arbeitnehmers ausschlaggebend, denn dies würde bei einer Vielzahl von betroffenen Arbeitnehmern zu einer Unzahl verschiedener Ergebnisse führen und eine untragbare Rechtsunsicherheit mit sich bringen.[7])
Allein die Anschaffung von Hardware reicht nicht aus, um eine Kontrolle durchzuführen. Selbige ermöglicht erst das spezielle Softwareprogramm, das in der Lage ist, aus einzelnen gewonnen Daten ein Gesamtbild zu erstellen.[8]) Im Vergleich zu anderen Kontrolleinrichtungen, zB zu Produktographen, die bei zusätzlicher genauer Aufzeichnung des Arbeitsfortganges in lesbaren Zeichen den Datenerhebungseinrichtungen sehr nahe kommen, wird man feststellen müssen, dass die Grenzen der Zulässigkeit der automationsunterstützten Datenkontrollen an den gleichen Maßstäben zu beurteilen sind, wie alle anderen Kontrolleinrichtungen. Auch hier hat wiederum eine Interessenabwägung zu erfolgen, wobei diesmal nicht die Begriffe “Arbeitgeberinteresse” und “Arbeitnehmerinteresse” zu verwenden sind, sondern die Begriffe “berechtigter Zweck der Datenerhebung und Datenverarbeitung” und “schutzwürdiges Interesse des Betroffenen” aus dem Datenschutzgesetz. Auch hier ist wiederum die Menschenwürde der generelle Maßstab der Entscheidung, wann ein Arbeitnehmer nicht mehr als ganzheitliche Person sondern “verdinglicht”[9]) als teilbares Objekt in unwürdiger Weise als reiner Gegenstand einer Kontrolle begriffen wird.[10])