
K O N T A K T

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© Dr. Christoph Paul Stock
bb) Gelegentliche Persönlichkeitsbeeinträchtigung
Für die restlichen angeführten Fälle bleibt nun zu klären, wie bei Vorliegen eines tatsächlichen Gewissenskonflikts seitens des Arbeitnehmers, ein Interessenausgleich erreicht werden kann. Es stellt sich die Frage, wer für den eventuell eintretenden Schaden in welchem Umfang haftbar gemacht werden kann und wann eine Kündigung grundsätzlich gerechtfertigt ist und wem das Kündigungsrecht zukommen soll.
Hier steht die Aufgabe an, in Hinsicht auf die notwendige Rechtsfortbildung materiell die Entwicklung eines abgestuften Systems von Rechtsfolgen zu erreichen und prozessual die Frage der Beweislast zu klären.
Eine solche Abstufung setzt voraus, dass man nicht erst eine primäre Befreiung von der Leistungspflicht bei einem Verstoß gegen die “Guten - Sitten” eintreten lässt.[1]) Dies würde ja gerade bedeuten, dass man sich auf das Sozialgewissen stützen müsse, das gerade nicht dem Begriff der Gewissensfreiheit gerecht werden kann. Es geht eben um den Bereich zwischen einer noch nicht gegeben Abdeckung durch die traditionelle Auffassung des Begriffes der “Guten - Sitten” und der noch vertretbaren Möglichkeit der Berücksichtigung subjektiver Wertvorstellungen in der Gesamtschau einer funktionablen Rechtsordnung, die neben dem Wert der Rechtssicherheit auch dem höchsten und hervorstechendsten Schutzwert, nämlich der Persönlichkeit jedes einzelnen Menschen, Beachtung zubilligt.
Für den Privatrechtsbereich sind nun zwei Unterschiede zum primär staatsbezogenen Grundrecht auf Gewissensfreiheit aufzuzeigen, die für die Lösung unseres Problems von besonderer Bedeutung sind. Dies ist einerseits die Tatsache, dass im öffentlichen Bereich der Bürger nicht freiwillig in eine Zwangslage hineingerät und damit auch nicht durch ein Mehr an Vorsicht ausweichen kann, was im Privatrecht unter Umständen möglich ist. Zum anderen ist ein Zurückweichen des Staates eher denkbar, “als in der Vielzahl der ‘gehorsamen’ Bürger die wenigen Aufbegehrenden verschwinden und deshalb für den toleranten Staat ‘verkraftbar’ erscheinen”[2]). Im Privatrecht würde hingegen dem Arbeitgeber eine Art Sonderopfer abverlangt, wenn man dem Arbeitnehmer in allen Fällen eines Gewissenskonfliktes ein Leistungsverweigerungsrecht zubilligen würde, das nach einem Instrument des Ausgleiches ruft, um dem Postulat der Gerechtigkeit standhalten zu können. Trotzdem muss eine Schutzgebotsfunktion des Staates anerkannt werden, es ist also das Gewissen ähnlich wie das Leben auch gegen Eingriffe durch Private zu verteidigen, weil der Gewissenskonflikt nicht durch den Schuldner selbst ausgelöst wird, sondern durch Umstände, die von außen auf ihn einwirken und die er nicht zu beherrschen vermag, was bei einem “Kennen” bzw “Kennenmüssen” beim Vertragsabschluss nicht der Fall ist.