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Gesamte Inhalte:

© Dr. Christoph Paul Stock

 

A) PERSÖNLICHKEITSEINGRIFFE BEI DER ANBAHNUNG VON  ARBEITSVERHÄLTNISSEN

 

In einer hochtechnisierten Welt, wie wir ihr heute in allen Bereichen unseres täglichen Lebens begegnen, werden besonders an den arbeitenden Menschen immer höhere Ansprüche gestellt. Die zu bewältigenden Arbeitsaufgaben verlangen nach immer mehr Vorbildung, Weiterbildung und Praxis. Aus diesem Grund wird auch die Auswahl eines geeigneten Arbeitnehmers für eine bestimmte Tätigkeit für den Arbeitgeber immer schwieriger. “Fehlgriffe” bedingen nicht nur Ärger, sondern verursachen dem Arbeitgeber oft Kündigungsprobleme und im Wiederholungsfall erhöhte Fluktuationskosten. Daher wird von den Arbeitgebern in verstärktem Maße ein besonderes Augenmerk auf die Auswahl der Arbeitnehmer gelegt. An die Stelle des üblichen privaten Vorstellungsgespräches treten immer öfter spezielle Formen des Personalinterviews, besondere Personalfragebögen, graphologische Gutachten und nicht zuletzt auch psychologische Testverfahren. All diese Praktiken ermöglichen in einem verstärkten Maß die Durchleuchtung und Erkundung der Persönlichkeit des sich bewerbenden Arbeitnehmers. Man bezieht sich im Einstellungsverfahren bzw Beförderungsverfahren nicht mehr nur auf die Arbeitssphäre, die die eigentliche Qualifikation des Bewerbers, seine Berufsausbildung und seine Prüfungsergebnisse betrifft und Bezug nimmt auf die Art und den Umfang der Tätigkeit, die Höhe des Arbeitsentgelts , Probezeiten, den Tag der Arbeitsaufnahme, Umzugskosten, Ausbildungskosten und betriebliche Übungen, sondern geht darüber weit hinaus und dringt auch in die Geheimsphäre und Privatsphäre des Arbeitnehmers ein. So wird neben den Umständen des alltäglichen Lebens auch die Sphäre des Intimbereichs berührt und angefangen von Freundschaft, Liebe, Ehe, Familienleben über Gesundheit, Krankheit, Religion und Weltanschauung bis hin zu Freizeitgestaltung und Urlaub alles durchforstet.[1]) Diese Untersuchungen verlassen den Randbereich der Eigensphäre des Menschen und stoßen tief in den Kernbereich der Persönlichkeit vor. Der Arbeitgeber überspannt sein Fragerecht, das eigentlich nur dazu dienen soll, die Eignung eines Bewerbers für den vorgesehenen Arbeitsplatz festzustellen.[2]) Die Integrität der Persönlichkeit wird gefährdet.

Ganz besonders in den Mittelpunkt der Untersuchungen wird die Erforschung des Charakters eines Arbeitnehmers gestellt, von dessen Kenntnis man sich Aufschlüsse über Belastungsfähigkeiten und Einsatzmöglichkeiten erhofft. Angesichts dieser Gefahr entwickelte Hubmann ein “absolutes Recht am Charakterbild”, das dem einzelnen eine Handhabe zur Abwehr von Beeinträchtigungen gibt. Dieser Begriff wird von Hubmann verwendet, um die Schutzbereiche des Menschen zu charakterisieren, zu kategorisieren und gewissermaßen zu systematisieren.

Sein Anliegen ist nicht die Entwicklung eines neuen “besonderen Persönlichkeitsrechts” sondern der Versuch, “das Recht des Menschen auf Individualität” begrifflich in seinen Nuancen zu umschreiben.[3])

In diesem Sinne als Teilschattierung des “allgemeinen Persönlichkeitsrechts” soll der Begriff des “Rechts am Charakterbild” hier verwendet werden und nicht, wie dies Wiese[4]) tut, gleichgestellt mit dem “besonderen Persönlichkeitsrecht am eigenen Bild” und dem quasi zum besonderen Persönlichkeitsrecht erhobenen “Recht an der eigenen Stimme”.

Der Schutz des Charakterbildes bedingt natürlich auch den Schutz des Privat- und Geheimbereiches, die beide gleichsam anschauliches Spiegelbild der charakterlichen Eigenschaften eines Menschen sind.

Neben dem “allgemeinen Persönlichkeitsrecht” (§ 16 ABGB) sind noch andere positiv - rechtliche Bestimmungen anzuführen, die durch ihren Wertgehalt direkten Einfluss auf die Auslegung und Bestimmung des “allgemeinen Persönlichkeitsrechts” haben. Hier ist besonders an Normen zu denken, die eine Achtung des Privat- und Familienlebens verlangen, wie die Art 8 und 12 MRK und an Bestimmungen, die versuchen den seelischen inneren Bereich genauso den Gewissensbereich und den freien Meinungsbereich eines Menschen vor Eingriffen abzuschirmen, was durch den Art 7 B-VG, durch die Art 13 und 14 StGG, wie durch Art 9 MRK erfolgt.[5]) Der große Umfang und die besondere Reichweite dieser Bestimmungen lassen die weitgespannten Gefahren erkennen, die hinter den neuen Praktiken bei Einstellungs- und Beförderungsverfahren stecken.


[1]) Egger, Anbahnung von Arbeitsverhältnissen, DRdA 1982, 91; vgl auch Mayer - Maly, Arbeitsverhältnis und Privatsphäre, ArbuR 1968, 1 ff.
[2]) Die dogmatische Grundlage des Fragerechts wurde von Degner, Das Fragerecht des Arbeitgebers gegenüber Bewerbern (1975) 36 f, eingehend erörtert. Den verschiedenen hier angestellten Überlegungen ist eine notwendige Interessenabwägung gemeinsam; vgl auch die Ausführungen bei Egger, Anbahnung von Arbeitsverhältnissen, DRdA 1982, 91.
[3]) Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht2, 306 ff; vgl auch Nipperdey - Wiese, Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Die Grundrechte IV/2 (1962) 850.
[4]) Wiese, Der Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, ZfA 1971, 291: “Während das Recht am eigenen Bild und das Recht an der Stimme vor allem die äußere Erscheinung und Ausdrucksweise des Menschen schützen, dient das Recht am Charakterbild dem Schutz des Menschen vor unbefugter Ausforschung seiner inneren Struktur und Eigenschaft”.
[5]) vgl Kramer, Arbeitsvertragliche Verbindlichkeiten neben Lohnzahlung und Dienstleistung (1975) 21.
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