
K O N T A K T

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© Dr. Christoph Paul Stock
ad) Psychologische Tests
Psychologische Tests stellen grundsätzlich qualitativ den gleichen Eingriff in die Persönlichkeit dar wie graphologische Gutachten. Ein Unterschied ist meist nur quantitativ darin zu sehen, dass psychologische Tests darauf ausgerichtet sind, besondere einzelne Eigenschaften oder Fähigkeiten des Arbeitnehmers zu erfassen, wogegen ein graphologisches Gutachten einen sehr breiten Überblick über die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen bietet. Dafür wird bei einem psychologischen Test versucht, von einem kleinen Ausschnitt menschlichen Verhaltens einen Rückschluss auf das Gesamtverhalten zu ziehen.[1]) An der Unzulässigkeit ihrer Durchführung ohne Einwilligung des Arbeitnehmers und am Verbot ihrer Verbreitung und Veröffentlichung kann daher kein Zweifel bestehen.[2]) Dieser Schutz kommt entsprechend der Situation bei graphologischen Gutachten in den Wertgehalten der Art 8 und 10 MRK zum Ausdruck.
Die Problematik psychologischer Tests an sich tritt deshalb nicht besonders in Erscheinung, weil sie von den meisten Arbeitnehmern als selbstverständlich hingenommen werden und ohne Wissen und Mitwirkung der Testpersonen in der Regel nicht durchführbar sind.[3]) Daher wird sich wohl zumeist eine Einwilligung ergeben.
Die Problematik der Einwilligung hat hier zwei Seiten: auf der einen Seite, ist wie bei den graphologischen Gutachten darauf Bedacht zu nehmen, dass viele Arbeitnehmer aus einer Zwangslage heraus ihre Einwilligung zu einem psychologischen Test geben; auf der anderen Seite kann die Einwilligung zu einem psychologischen Test sittenwidrig und damit nichtig sein. Ersteres Problem trifft wiederum jene Personen, die schon in einem Betrieb angestellt sind, zweiteres Problem betrifft neben diesen auch den Stellensuchenden. Insbesondere als sittenwidrig muss jeder Test angesehen werden, der die Menschenwürde verletzt und damit den Probanden zum Objekt herabwürdigt. “Jedoch lässt sich nicht sagen, dass ein psychologischer Test, bei dem der Proband die Frage nicht erkennt, diesen zum Objekt herabwürdige, so dass trotz Einwilligung ein Verstoß gegen die Menschenwürde vorliege.”[4]) Hingegen ist eine Herabwürdigung ohne Zweifel bei sogenannten “check - ups” (Kontrollen) gegeben, bei denen zur Überprüfung der Aussagen eines sich bewerbenden Arbeitnehmers Polygraphen verwendet werden, um zu eruieren, ob der Arbeitnehmer zB einen früheren Arbeitgeber schon einmal bestohlen hat, ob er bei der Ausfüllung des Bewerbeformulars gelogen hat oder ob er in irgendeiner Form von einer Droge abhängig ist. Diese Art von “personality tests” wurden in den USA erfunden und dort ausgiebig angewendet.[5]) Hier wird in den Geheimbereich (Art 8 MRK) und in den Bereich der inneren Meinungsfreiheit (Art 10 MRK) unmittelbar und mit höchster Intensität eingegriffen. Bei der Untersuchung selbst wird der Persönlichkeitskern ausgeschalten. Das Wesen der Persönlichkeit wird missachtet und negiert. Es werden die Kernbereiche der grundrechtlichen Wertungen der Art 8, 9 und 10 MRK voll getroffen. Schon das geringste Schutzgebot wird auf Grund der Intensität des Eingriffes jegliches Interesse des Arbeitgebers unbeachtlich machen. Ein solches Schutzgebot wird aber immer gegeben sein, weil der Arbeitnehmer in der heutigen Arbeitsplatzsituation nie wirklich frei entscheiden kann.
Zusätzlich ist anzunehmen, dass diese besondere Art von Tests auch die Grenzen der Privatautonomie überschreiten und sittenwidrig sind.[6])
Sollte eine Situation gegeben sein, in der ein besonderes betriebliches Interesse an der Kenntnis der Fähigkeiten und Eigenschaften eines Arbeitnehmers zur Besetzung eines bestimmten Arbeitsplatzes festzustellen ist, kann man davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer einem auf die Untersuchung dieser besonderen Fähigkeiten zugeschnittenen psychologischen Test aufgrund seiner Treuepflicht zuzustimmen hat. Zu denken wäre an den Fall, dass die Bedienung einer neuen, äußerst komplizierten, teuren Maschine besondere Fähigkeiten des Arbeitnehmers voraussetzt. Würde in diesem Fall der Arbeitnehmer dem Test nicht zustimmen, wäre der Arbeitgeber auf Grund seiner Fürsorgepflicht nicht angehalten den Arbeitnehmer trotz Verlangens auf diesem Posten einzusetzen. Entsprechend den Ausführungen bei den graphologischen Gutachten gewinnt hier der Aspekt der Freiwilligkeit an Bedeutung, weil unter solchen Voraussetzungen ein Test berufliche Chancen und Vorteile bietet. Das Schutzgebot ist daher gemindert. Das Persönlichkeitsrecht kann in den Grenzen der Privatautonomie beschränkt werden.
Manche Autoren halten es unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung überwiegender betrieblicher Interessen sogar für gerechtfertigt, dass dem Arbeitnehmer die Durchführung eines Tests nicht mitgeteilt bzw so gestaltet wird, dass der Arbeitnehmer ihn verkennt, wenn nur unter diesen Voraussetzungen der Test einen Wert hat.[7]) Dies kann nur dann erlaubt sein, wenn der Test nur jene Merkmale der Persönlichkeit untersucht, die für das konkrete Arbeitsverhältnis von unmittelbarer Bedeutung sind. In diesem Fall könnte man argumentieren, dass berufliche und private Verhältnisse derart verschwimmen, dass die Privatsphäre nicht mehr in ihrem Wesenskern getroffen wird. Es bleibt nur fraglich, ob sich psychologische Tests von ihrer Art her auf die ledigliche Untersuchung ganz besonderer Merkmale einschränken lassen. Soweit dies möglich ist, trifft den Arbeitgeber aber unbedingt die Pflicht, den Arbeitnehmer nachträglich angemessen zu informieren.[8])
Hat der Arbeitgeber keine sachliche Begründung einen Test durchzuführen, weil er aus persönlicher Beobachtung bzw durch Zeugnisse und ähnliche Bescheinigungen über die nötigen Fähigkeiten des Arbeitnehmers sich in Kenntnis setzen könnte, kommt ihm kein entsprechendes Interesse zugute, das einen Eingriff in die Persönlichkeit des Arbeitnehmers rechtfertigen würde.[9])