
K O N T A K T

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© Dr. Christoph Paul Stock
ba) Die Zölibatsklausel
Rückblickend auf einen Beitrag von Kunze[1]) zum Problem der Zölibatsklausel im Einzelarbeitsvertrag – diese Klausel bestimmt, dass ein Arbeitsvertrag unter auflösender Bedingung der Eheschließung abgeschlossen wird und mit der Eheschließung endet, ohne dass es noch irgendwelcher Erklärungen der Vertragsparteien bedürfe – im Jahre 1953 wird erkennbar, wie sehr sich die Lösungsversuche zu diesem Problem gewandelt haben. Damals ging man noch von der Problemstellung aus, dass praktisch ausschließlich Frauen von einer solchen Klausel betroffen wären und daher der Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter zu untersuchen sei. Im Zuge dieser Überlegungen stieß man auf die Frage der Einwirkung der Grundrechte ins Privatrecht, die man zwar im ganz speziellen Bezug auf den Gleichheitsgrundsatz und seine Einwirkung auf gleiche Lohnzahlung für Mann und Frau anerkannte, aber in genereller Hinsicht durchaus entschieden verneinte.[2]) Daher versuchte man eine andere Lösung zu finden, die sich auf die “Klausel von den Guten Sitten” stützte. Besonders Schnorr[3]) versuchte hier Maßstäbe zu finden, die die Zulässigkeit und Unzulässigkeit der Zölibatsklausel in Hinblick auf ihren sittlichen Gehalt offensichtlich machten. Schnorr war es auch, der den Wertgehalt des Grundrechts auf Gleichberechtigung in genereller Hinsicht unter der damaligen Diskussionsbasis als ein jedermann bindendes, allgemeines Prinzip erkannte. Er hat damit schon in den fünfziger Jahren den Grundstein für die heutigen Lösungsansätze gelegt.
Für unsere Untersuchung kann es keinen Zweifel darstellen, dass die Zölibatsklausel in Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie untersucht werden muss und damit die Art 8 Abs 1 und 12 MRK heranzuziehen sind.
Es gibt auch mehrere einfachgesetzliche Regelungen, die durch ihren Regelungsgehalt eindeutig auf die besondere Wertigkeit der Eheschließung und Familiengründung hinweisen.
Hier ist insbesondere § 44 ABGB zu nennen, der von der Ehe das Bild einer natürlichen Gemeinschaft zeichnet, die aus dem Kreise anderer Geschlechtsverbindungen herausgehoben ist. In ihr kommen Gedanken der Aufklärungsphilosophie zum Ausdruck, nach denen der Vertragsgedanke eine vorherrschende Rolle spielt. Der Vertragsgedanke tritt an die Stelle der Idee von der Ehe als einer Einrichtung göttlichen Rechtes, den die kirchliche Doktrin vom Ehesakrament ausgebildet hatte.[4]) Gleichzeitig bleiben aber Gedanken des kanonischen Rechts erhalten, durch die der Vertragsfreiheit enge Grenzen gezogen werden. Die Ehe erscheint als ein Rechtsinstitut, das zwar säkularisiert ist, aber noch sehr starke Bindungen an das kanonische Recht aufweist.
Aus der Entstehungsgeschichte des § 44 ABGB lässt sich auch einiges über das Wesen der Ehe ableiten. Danach sind in der Ehe wie sonst bei keinem anderen Rechtsinstitut des bürgerlichen Rechts die natürlichen Gegebenheiten nicht nur mit den Geboten des Rechts, sondern auch mit denen der Moral, der Religion und der Sitte sowie mit staatspolitischen und wirtschaftlichen Erwägungen auf das engste verbunden.[5]) Dem irrationalen Moment kommt eine besonders große Bedeutung zu. Ohne die zahlreichen außerrechtlichen Ordnungskräfte, wie Religion, Weltanschauung, Sitte, Brauchtum usw, kann sie nicht verstanden werden, weil sie die umfassendste menschliche Einrichtung ist.[6]) Es erweist sich, dass das Wesen der Ehe nur begrenzt einer rechtlichen Regelung zugänglich ist und durch seine Komplexität eine ganz besondere Stellung in unserer Gesellschaft einnimmt.
Mit dem Freiheitsgedanken wäre es unvereinbar, dem einzelnen den Zugang zu dieser Institution grundlos zu erschweren. In der Ehe findet die Verbindung zweier Menschen ihre vollkommenste Erfüllung und ihren tiefsten Ausdruck. Das Recht auf Eheschließung ist das erste und natürlichste aller sozialen Rechte und die Grundlage der Gesellschaft selbst.[7]) Beschränkungen sind daher nur gerechtfertigt, soweit sie den besonders gearteten Zweck der Ehe nicht zuwiderlaufen. Hier ist insbesondere auf die verschiedenen Eheverbote und Ehehindernisse zu verweisen.
Damit geht schon aus dem ABGB ein besonderer institutioneller Schutz der Ehe hervor. Auch arbeitsrechtliche Bestimmungen legen die besondere Wertigkeit der Eheschließung und Familiengründung klar, doch wird bei ihnen vorrangig Bedacht auf die Schwangerschaft und Kindergeburt genommen. Hier ist an der Spitze das MuSchG zu nennen, das einen besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz für werdende Mütter manifestiert (§§ 10 ff leg cit), in dem Arbeitserleichterungen und Beschäftigungsverbote je nach Stand der Schwangerschaft vorgeschrieben werden (§§ 3 ff leg cit) und Stillzeiten (§ 9 leg cit) sowie die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Karenzurlaubes (§ 15 leg cit) geregelt sind. Neben diesen Bestimmungen, die vom Willen des Gesetzgebers getragen sind, das Arbeitsverhältnis einer schwangeren Frau aufrecht zu erhalten, gibt es gesetzliche Regelungen, die die Lösbarkeit eines Arbeitsverhältnisses aus familiären Gründen erleichtern wollen. Hierzu gehört der § 31 des SchauSpG, der es den Schauspielerinnen ermöglicht, binnen zwei Monaten nach der Eheschließung zu kündigen, der § 32 lit d LArbG, der dem Arbeitnehmer ein vorzeitiges Austrittsrecht für den Fall gewährt, dass unvorhersehbare Veränderungen im Familienverhältnis die Fortsetzung des Dienstverhältnisses ohne erheblichen Schaden unmöglich machen, sowie Bestimmungen im AngG (§ 23 a Abs 3) und im ArbAbfG (§ 2 Abs 1), die trotz eigeninitiativer Auflösung der Vertragsbeziehung wegen Mutterschaft, bisweilen auch wegen Verehelichung (vgl § 35 Abs 3 VBG), den Abfertigungsanspruch dem Grunde nach bestehen lassen.[8])
Der Gesetzgeber hat also Regelungen geschaffen, in denen der besondere Wert des Institutes Ehe zum Ausdruck kommt und die dem Arbeitnehmer arbeitsrechtliche Erleichterungen bei der Veränderung familiärer Verhältnisse bieten. Doch lässt sich allein aus diesen Bestimmungen noch kein ausreichend tragfähiges Gerüst konstruieren, das zur Feststellung ausreichen würde, dass die Zölibatsklausel auf jeden Fall unerlaubt ist, auch dann, wenn gravierende betriebliche Interessen den Ledigenstand Beschäftigter erfordern. Aus diesem Grund wollen wir uns nun an grundrechtliche Bestimmungen des Verfassungsrechts halten und eine einschlägige Bestimmung des ABGB zum Problemkreis aufgreifen.
Die verfassungsrechtliche Bestimmung, die hier in Betracht kommt, ist Art 12 MRK. Die meisten in der Konvention gewährleisteten Rechte gehören dem üblichen Bestand der Verfassungen vieler Länder an. Im Vergleich dazu stellt sich das Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen, als ein Grundrecht dar, das den meisten Verfassungen fremd ist.[9]) Damit wurde auch im österreichischen Recht durch die Konvention das Recht zur Eheschließung zum ersten Mal als ein verfassungsmäßiges Recht festgestellt. Da aber die Ausübung dieses Rechts zu einer bestimmten Institution führt, wird damit die Ehe gleichzeitig als Rechtseinrichtung im Verfassungsrange anerkannt. Ihre besondere Bedeutung gegenüber zahlreichen anderen Rechtsinstitutionen wird dadurch schon äußerlich unterstrichen. Dieser formelle Umstand wirkt sich auch in materieller Hinsicht aus. Da die Ehe einen bestimmten, streng umrissenen Inhalt aufweist, müssen alle ihm widersprechenden gesetzlichen Bestimmungen als verfassungswidrig angesehen werden.
Zur Drittwirkung ist nun auszuführen, dass sich ein Schutzgebot oftmals schon darin erkennen lässt, dass nach dem von Otto[10]) vorgebrachten Argument der Gesichtspunkt der Freiwilligkeit an Überzeugungskraft verliert, “wenn man die psychologische Situation eines jungen Menschen vor der Einstellung ohne Heiratspläne mit der vergleicht, die sich im Verlauf der Dienstjahre entwickeln kann.” Hinzu kommt die Unsicherheit bei Vertragsabschluss, dass der Arbeitnehmer von vornherein nicht weiß, wie lange er in einem Betrieb tätig sein wird. Er nimmt unter Umständen die Zölibatsklausel unter der Annahme in Kauf, ohnehin nicht lange im Betrieb des Arbeitgebers zu verbleiben. Tatsächlich bleibt das Arbeitsverhältnis aber über viele Jahre aufrecht, so dass der abgeschlossene Vertrag mit eintretenden Heiratswünschen in Konflikt gerät. Zu diesen speziellen Unsicherheiten tritt heute noch das generelle Problem hinzu, dass sich angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der Schwierigkeit einen Arbeitsplatz zu finden, soziale Zwangslagen ergeben, die den Stellenbewerber dazu drängen, auch gegen seine inneren Vorstellungen für ihn untragbare Vertragsklauseln zu akzeptieren. Die Vertragsparität ist vehement gestört. Die Zwangslage des Stellenbewerbers wird in vielen Fällen dazu führen, dass ein Stellenbewerber einer Beschränkung seiner Persönlichkeit durch eine Zölibatsklausel zustimmt. Daher wird sich das Schutzgebot der Grundrechte an den maximalen Schutzgehalt der Grundrechtswirkung zwischen Staat und Bürge annähern.
Ohne Zweifel trifft eine Zölibatsklausel den Wesensgehalt des Art 12 MRK. Dieser ist nämlich genau im Gründungsakt einer Ehe gelegen. Daher ist das Persönlichkeitsrecht auf Eheschließung nicht abdingbar. Es ist absolut zu schützen. Die Wertgehalte des Art 12 MRK werden durch Art 8 MRK bestätigt. Art 8 MRK schützt nämlich neben dem Privatleben auch ausdrücklich das Familienleben.[11]) Wird das Familienleben geschützt, müssen auch dessen Voraussetzungen, zu denen die Begründung einer Ehe gehört, geschützt werden.
Daraus ergibt sich, dass eine Zölibatsklausel grundsätzlich verfassungsrechtlich institutionell geschützte Rechte verletzt, deren Wertgehalte in vielen Bestimmungen des Privatrechts ihre Bestätigung finden.
Zur generellen Sinnhaftigkeit der Zölibatsklauseln darf hier auch noch angemerkt werden, dass die Einhaltung des Zölibats deshalb relativ geringe berechtigte Bedeutung aufweist, weil die Möglichkeiten der partnerschaftlichen Gestaltung einer Ehe relativ weit sind. So statuiert § 92 ABGB das Recht der Eheleute gesonderte Wohnung aus Berufsgründen zu nehmen.
Auch arbeitsrechtliche Regelungen, insb die Bestimmungen des Arbeitszeit- und Urlaubsrechts, ermöglichen einen optimalen Arbeitseinsatz und eine sinnvolle Freizeitgestaltung und bieten in Gesamtheit gesehen genügend Dispositionsräume, die selbst bei auswärtiger Beschäftigung ein gedeihliches Nebeneinander von Beruf und Familie[12]) gestatten.[13])
Ein interessanter Aspekt ergibt sich aus der Frage, ob Zölibatsklauseln mit kurzer Bindungsdauer erlaubt sein können. Zur Lösung dieser Frage soll vorerst eine Bestimmung des ABGB untersucht werden.
Die Bestimmung des § 700 ABGB lautet: “Die Bedingung, dass der Erbe oder der Legatar sich, selbst nach erreichter Volljährigkeit, nicht verehelichen solle, ist als nicht beigesetzt anzusehen. ...Die Bedingung, dass der Erbe oder Legatar eine bestimmte Person nicht heirate, kann gültig auferlegt werden”. Diese Bestimmung zeigt auf, dass zwar ein völliges Verbot der Eheschließung, zu welchem Zwecke auch immer, nicht gerechtfertigt sein kann. Sehr wohl ist es aber möglich, wie dies auch Welser[14]) aus § 700 ABGB folgert, eine Ehelosigkeit für angemessene Zeit, sofern sie sachlich begründet und dem Beschwerten zumutbar ist, zu vereinbaren.
Diese Feststellung muss nun noch in Bezug auf die Wertgehalte der Verfassung untersucht werden. Insbesondere dürfen die Grundrechte nicht in ihrem maximalen Schutzgehalt zur Geltung kommen, was eine Einwilligung des Stellenbewerbers in eine Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts auf Eheschließung verbieten würde. Gerade die oben ausdrücklich genannten Gesichtspunkte, die die Situation eines jungen Menschen mit der eines gereiften und für Heiratspläne offenen Menschen vergleichen und die Problematik der unbestimmten Dauer eines Vertragsverhältnisses aufzeigen und damit dem Aspekt der Freiwilligkeit der Vertragseinwilligung die Überzeugungskraft nehmen, sind in jenen Fällen, in denen eine Zölibatsklausel zeitlich beschränkt ist, zumindest abgeschwächt oder ganz beseitigt, je nach Länge der vereinbarten Zölibatsbindung. Das Schutzgebot ist gemindert und kann unter Umständen, wenn auch die Arbeitsplatzsituation kein Machtgefälle zwischen Arbeitgeber und Stellenbewerber bestehen lässt – also bei Bestand einer Parität der Vertragspartner – das Schutzgebot der Grundrechte beseitigen. Damit steht auch vom Gesichtspunkt der mittelbaren “Wirkung der Grundrechte” aus kein Einwand gegen zeitlich begrenzte Zölibatsvereinbarungen.
Bei einer zeitlichen Begrenzung erscheint auch der Wesensgehalt des Grundrechtes auf Eheschließung nicht mehr absolut getroffen, da die Eheschließung zwar zeitlich verschoben wird, aber grundsätzlich möglich bleibt.
Anwendungsfälle eines zeitlich begrenzten Zölibats kann man sich zB vorstellen, wenn ein Spitzensportler mit einer Kasernierung für bestimmte Zeit vor einem wichtigen Wettkampf einverstanden ist, oder wenn ein Forscher auf jeglichen außenweltlichen Kontakt für geraume Zeit verzichtet, um sich einer stark vereinnahmenden und besonders anspruchsvollen Arbeit zu widmen. In diesen Fällen liegt jeweils ein sehr triftiger Grund für die Vereinbarung eines zeitlich begrenzten Zölibats vor. Liegen derart triftige Gründe nicht vor und erklärt sich der Stellenbewerber trotzdem mit der Klausel einverstanden, ist wieder ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, ob der Stellenbewerber einer besonderen Zwangslage ausgesetzt ist, und damit ein verstärktes Schutzgebot mit dem Eintreten einer Wirkung der grundrechtlichen Wertgehalte auf das Privatrecht gegeben ist.[15])
Das grundsätzliche Verbot der Vereinbarung von Zölibatsklauseln darf aber darüber nicht hinwegtäuschen, dass durch eine Eheschließung und der dadurch gegeben Veränderung der privaten Verhältnisse, durchaus eine Situation eintreten kann, die dem Arbeitgeber einen wichtigen Grund zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gibt.
Diese Frage tritt im Zusammenhang mit Zölibatsklauseln auf, die ein spezielles personelles Heiratsverbot enthalten. Solche personellen Beschränkungen werden in Zölibatsklauseln aufgenommen, um die Heirat eines Arbeitnehmers mit einer Person zu verhindern, die für den Betrieb als schädlich einzuschätzen ist. Der Inhalt einer solchen Zölibatsklausel kann darin bestehen, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer zum Verzicht auf eine Vermählung mit einer Person veranlasst, die gerichtlich strafbare Handlungen begangen hat, sich gegenüber dem beschäftigenden Arbeitgeber kreditschädigender Äußerungen oder sonstiger Indiskretionen schuldig gemacht hat, oder wie immer geartete konkurrenzierende Tätigkeiten ausübt.
Die Ausführungen zu den Grundrechten der Art 8 und 12 MRK legen aber klar, dass eine solche personell bestimmte Zölibatsklausel ebenso wie eine generelle Zölibatsklausel unserer Rechtsordnung widersprechen. Denn in Hinsicht auf die verfassungsrechtlich garantierte institutionelle Stellung der Ehe, kann es bezüglich des ihr gebührenden Schutzgebotes keinen Unterschied machen, ob der Ehepartner des Arbeitnehmers für den Betrieb als schädlich einzuschätzen ist oder nicht. Daher sind personell bestimmte Zölibatsklauseln verboten.
Aus diesem Grund hat der Arbeitgeber nicht die Möglichkeit, den Arbeitnehmer wegen einer Heirat mit einer betriebsschädlichen Person hinsichtlich einer vertraglich vereinbarten Zölibatsklausel zu entlassen. Diese Zölibatsklausel wird von einer Nichtigkeit getroffen. So bleibt dem Arbeitgeber nur die Möglichkeit, den Arbeitnehmer aus einem anderen “wichtigen Grund” zu entlassen, der in diesem Zusammenhang nur in einem Verlust der Vertrauenswürdigkeit iSd § 1162 ABGB ( §§ 27 AngG, 82 GewO 1859) gesehen werden kann. Dabei bleibt aber immer die Schwierigkeit, dass nicht geklärt ist, inwieweit der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber misskreditierende Verhaltensweisen seines Ehegatten zu verantworten hat. Von der Judikatur[16]) wird nur anerkannt, dass Vertrauensverwirkungen nicht nur als Folge dienstlicher Tätigkeiten, sondern auch als Folge von Handlungen eintreten können, die mit dem Dienstverhältnis in keinem Zusammenhang stehen und hinsichtlich der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach objektiven Grundsätzen für unzumutbar zu halten sind.[17])
Dabei darf aber der Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit nicht zur Sittenkontrolle in Bezug auf das Privatleben des Arbeitnehmers benützt werden.[18]) Eine Interessenabwägung im Einzelfall ist unumgänglich.
In den Bereich der Problematik von Zölibatsklauseln fällt auch das Verhältnis des Art 12 MRK zu den Zölibatsvorschriften des Codex iuris canonici. Nach Canon 132, § 1 dürfen Kleriker, welche die höheren Weihen empfangen haben, nicht heiraten. Strafbestimmungen sollen die Einhaltung dieses Heiratsverbotes sichern.[19]) Es stellt sich nun die Frage, wieweit diese Bestimmung des Codex iuris canonici mit dem Art 12 MRK vereinbar ist.
Die Rechtsbeziehungen zwischen der Kirche und ihren Seelsorgern zählen zu den inneren kirchlichen Angelegenheiten im Sinne des Art 15 StGG. Es handelt sich um einen Aufgabenkreis, der dem Gestaltungsrecht des Staates weitgehend entzogen ist. Zu inneren Angelegenheiten gehören nun die Regelungen der Voraussetzungen für die Verleihung eines Kirchenamtes, die Verleihung dieses Amtes, die Gestaltung des Dienstverhältnisses, die Ausübung der Disziplinargewalt, der Entzug des Kirchenamtes usw.[20]) Diese Angelegenheiten richten sich nach kirchlichen Vorschriften.[21]) Innerhalb des autonomen Wirkungskreises der Kirche gilt weitgehend nichtstaatliches Recht.[22]) Allerdings ist diese Autonomie nicht unbeschränkt. Nach Art 15 StGG ist jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft wie jede Gesellschaft den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. Ein solches allgemeines Staatsgesetz kann nur ein solches Gesetz sein, das sich nicht ausschließlich auf Kirchen und andere Religionsgesellschaften bezieht.
Es sind demnach einerseits Sondergesetze verboten, welche die anerkannten Kirchen und anderen Religionsgesellschaften strengeren Bestimmungen als andere Gesellschaften unterwerfen.[23]) Andererseits wird damit aber auch zum Ausdruck gebracht, dass die anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften den Grundsätzen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Sittlichkeit[24]) bei der Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten nicht zuwiderhandeln dürfen. Dies bedeutet, dass jedenfalls zwingende Rechtsvorschriften, wie sie zB die Verfassungsgesetze enthalten[25]), beachtet werden müssen. Daher dürfen grundrechtliche Wertgehalte nicht einfach durch innerkirchliche Vorschriften verletzt werden. Der innerkirchliche autonome Wirkungskreis stellt keine dezentralisierte Staatsverwaltung dar und ist daher dem autonomen privatrechtlichen Bereich vergleichbar. Daher sind Grundrechtsbeschränkungen prinzipiell erlaubt, soweit sie in den Grenzen der Privatautonomie verbleiben und durch keine Imparität der Verhandlungsparteien gekennzeichnet sind.
Ein Zwang, ein Kirchenamt anzutreten, wird heute kaum mehr gegeben sein. Es sind nur mehr wenige Theologen, die den Beruf des Priesters ergreifen, und diejenigen, die diesen Weg beschreiten, tun dies aus freien Stücken. Sie wissen von vornherein, dass sie, solange sie im Kirchenamt verbleiben, nicht heiraten dürfen. Das Schutzgebot erscheint abgeschwächt, da das Zölibat völlig freiwillig angenommen wird. Aber es bleibt insofern bestehen, da die Gefahr unverändert bleibt, dass sich im Laufe der Jahre die Einstellungen eines Klerikers ändern und er aus dem geistlichen Amt ausscheiden möchte, um zu heiraten. Für den Fall der Eheschließung werden dann Sanktionen angedroht, die umso schwerer wiegen, als sie den Gewissensbereich und die Existenzgrundlage betreffen.[26])
Zusätzlich muss angemerkt werden, dass durch ein lebenslanges Zölibat der Wesensgehalt der Ehe vollends getroffen ist. Dadurch wird die Interessenintensität auf der Seite des Klerikers gesteigert. Diesem Interesse des Klerikers steht das Interesse der römisch-katholischen Kirche gegenüber, die die Auffassung vertritt, dass die Ausübung des Seelsorgerberufs und die Wahrnehmung ihrer Interessen in uneingeschränktem Maße nur bei Ehelosigkeit des Klerikers möglich ist. Da sich jeder Kleriker bei Übernahme des Kirchenamtes hierüber im Klaren ist, weiß er auch, dass er durch den Abschluss einer Ehe seiner weiteren Tätigkeit die Grundlage entzieht. Durch eine Eheschließung veranlasst der Kleriker den Konflikt, was sein Interesse wiederum abschwächen muss. Zusätzlich ist der Verlust des Amtes in einem solchen Fall keinesfalls auf eine ehefeindliche Einstellung der römisch katholischen Kirche zurückzuführen, sondern beruht vielmehr auf sachlich anzuerkennenden Gründen, die in den kirchenmoralischen und kirchensittlichen Bereich weisen.
Man kann erkennen, dass eine Beurteilung, welcher Wertgehalt der gewichtigere ist, abschließend kaum möglich erscheint, weil gerade beim Institut Ehe im Verhältnis zum staatlichen Recht und zum Kirchenrecht eine große Anzahl irrationaler Elemente für das Bestehen der Situation und die Bewertung des besonderen Konfliktfalles – kirchliche Zölibatsklausel – mit bestimmend sind. Da aber auch die Kirche verfassungsrechtliche Wertgehalte zu achten hat und durch ein Zölibat der Kerngehalt des Rechts auf Eheschließung getroffen wird, erscheint ein Ausgleich dieses Interessenkonfliktes in der Weise tragbar, dass die Kirche als Arbeitgeber einem Kirchenbediensteten, der sich für Ehe und Familie entscheidet, nach Tunlichkeit und Möglichkeit auf einen Posten versetzt, der nicht dem Zölibat unterliegt und wenn dies nicht möglich ist, ihn unter Abgeltung bereits erworbener Anwartschaften aus dem Kirchendienst ausscheiden lässt und damit auf ihren Sanktionsanspruch verzichtet, der die besondere Schutzsituation begründet. Dies muss nicht nur rechtlich ermöglicht werden, sondern hat seine Umsetzung auch im faktischen Bereich zu finden, was in concreto bedeutet, dass keine unüberwindbaren Barrieren bestehen bleiben dürfen, die eine faktische dauernde Zölibatsbindung bewirken.[27])
Neben der Problematik des Zölibats gibt es noch Problemfälle im Nahbereich zu diesem Fragenkomplex, die nicht gekennzeichnet sind durch einen kirchenrechtlichen Arbeitsvertrag sondern durch privatrechtliche Verträge zwischen Einrichtungen von Religionsgesellschaften und Arbeitnehmern, die durch ihren Lebenswandel den moralischen Vorstellungen der Religionsgemeinschaften nicht entsprechen.
Im Urteil vom 31. Jänner 1956 entschied das deutsche BAG[28]), dass die Entlassung eines Arbeitnehmers, der als Anstreicher in einem katholischen Krankenhaus angestellt war, gerechtfertigt sei, weil dieser nach einer staatlichen Scheidung standesamtlich wieder eine Ehe mit einer von ihm geschwängerten evangelischen Frau einging, und diese dem kanonischen Recht widersprechende Handlung dem Ansehen des Krankenhauses schade.
Der Ansatzpunkt zur Lösung dieses Problems wird in der Frage liegen, ob durch das Verhalten des Arbeitnehmers überhaupt ein Interesse des katholischen Krankenhauses verletzt wird. Ein möglicherweise betroffenes Interessen kann – wie im Urteil ausgeführt – darin gesehen werden, dass das Ansehen und damit die Glaubwürdigkeit des Krankenhauses gemindert wird. Das Ansehen eines katholische Krankenhauses wird insbesondere durch das Personal und die geleistete medizinische Arbeit bestimmt. Hierbei stehen jene Personen im Vordergrund, die mit der Pflege von Patienten betraut sind und mit Besuchern des Krankenhauses in Kontakt kommen. Ein Anstreicher wird kaum den Eindruck erwecken, im Aufgabenbereich, der das Ansehen des Krankenhauses ausmacht, mit tätig zu sein. Ja es wird sogar nicht einmal offensichtlich sein, ob der Anstreicher dem Personal des Krankenhauses überhaupt angehört oder ob er ein Arbeitnehmer eines mit Malerarbeiten beauftragten Betriebes ist. Angesichts einer solchen Situation ist die Befürchtung des Krankenhauses, in seinem guten Ruf geschädigt zu werden, nicht berechtigt. Die Begründung der Entlassung entbehrt einer Sachbindung des angeblich betroffenen Interesses im konkreten Sachverhalt. Daher ist die Entlassung unbegründet.
Schwieriger stellt sich die Situation dar, wenn der Arbeitnehmer nicht mit einer an sich tendenzfremden Tätigkeit beschäftigt ist und durch seinen Lebenswandel bzw seine Lebensverhältnisse der von ihm geforderten Gesinnung widerspricht. Hier kann zB an einen Lehrer einer katholischen Schule gedacht werden, der mit der Vermittlung religiöser Inhalte betraut ist und nach einer Scheidung sich abermals verheiratet.[29]) Er soll besonders für die Schüler aber auch für den restlichen Lehrkörper Vorbild hinsichtlich der Befolgung kirchlicher Gebote sein. Unzweifelhaft wird durch eine Wiederheirat eine Gesinnungshaltung offenbart, die der Morallehre der katholischen Kirche widerspricht. Damit sind aber auch die betrieblichen Interessen der Schule tangiert.[30])
Das Schutzgebot, das sich heute allgemein aus der Arbeitsplatzsituation ergibt, und schon von vornherein die Parität zwischen den Vertragsparteien stört, wird hier ebenfalls zusätzlich durch die Gefahr bestimmt, dass der Lehrer bei Abschluss des Vertrages die mögliche Tragweite der bestehenden Tendenz des Betriebes aus der momentanen Sicht seiner Lebensverhältnisse verkennt und sich angesichts eines Vertrauens darauf, dass sich seine Lebensverhältnisse nicht ändern werden, zum Abschluss des Vertrages drängen lässt. Das Moment der Freiwilligkeit wird hier eingeschränkt. Auch wenn das Schutzgebot abgeschwächt erscheinen mag, weil das Risiko der Veränderung der Lebensverhältnisse nicht ausschließlich zu Lasten des Arbeitgebers gehen kann, wirkt sich wiederum verstärkend die Tatsache aus, dass durch eine Entlassung wegen Wiederheirat der Wesensgehalt des Grundrechtes auf Eheschließung getroffen wird. Diesem Wertgehalt steht nun unausweichlich der moralisch - religiöse Tendenzanspruch der katholischen Schule gegenüber. Welches Interesse tatsächlich höherwertig ist, erscheint schwierig zu beurteilen, gehören doch beide dem moralisch - sittlichen Bereich an und lassen sich schwerlich für die Gesamtheit unserer Gesellschaft abschließend wertmäßig festlegen. Es verbleibt eine gewisse Anzahl irrationaler Bewertungsfaktoren. Daher müssen wir von der Annahme ausgehen, dass sich die entgegenstehenden Interessen unausweichlich und unausgleichbar gegenüberstehen. Eine Lösung kann daher nur im Rahmen des Entschädigungsprinzips gefunden werden. In diesem Sinne ist jenem Interessenträger der Vorzug zu geben, der eher in der Lage ist, eine Entschädigung zu leisten. Diese Möglichkeit wird meiner Meinung nach im vorliegenden Fall nur der Schule zukommen, der man das Recht auf Entlassung unter der Voraussetzung zubilligen sollte, dass sie dem Religionslehrer eine Hilfestellung bietet, die einerseits finanziell eine Absicherung bis zur Findung eines neuen Arbeitsplatzes bietet und andererseits eine Unterstützung jeglicher Art bei der Suche und Anstellung in einer anderen Schule gewährt.