top of page
Lebensurbild%20Muster5_edited_edited.png

Gesamte Inhalte:

© Dr. Christoph Paul Stock

 

4. Die Herausforderung der Komplexität

 

Wir sind heute mit einer besonderen Form der Unendlichkeit konfrontiert, nämlich mit dem unendlich Komplexen. Wir sind oft überfordert mit der dynamischen Verflochtenheit der Systeme, die sich in jenem Moment verändern, in dem wir sie untersuchen und studieren (vgl. dazu oben in Kapitel 2.7.1).[1] Es reicht zB immer seltener aus, die Komplexität der Finanzen in der Finanzabteilung, jene der Produktion im Produktionsbereich oder jene des Personals im Personalbereich eines Unternehmens zu bewältigen, weil Probleme sinkender Umsätze, eines sinkenden Cashflows, einer schlechten Mitarbeitermotivation oder einer unzulänglichen Marktleistungsqualität nur sehr selten in einer Abteilung allein gelöst werden können. Meist kann hier nur ein koordiniertes Zusammenwirken verschiedener Maßnahmen durch eine vernetzte Einflussnahme die Dinge wieder ins Lot bringen.

 „Angesichts der ungeheuren Zahl von Zuständen, die komplexe Systeme aufweisen können, ist es nicht zu erwarten, dass die limitierte Komplexität des Menschen oder auch einer Gruppe von Menschen ausreichen würde, um alles selbst zu steuern, zu regulieren und zu kontrollieren. Praktisch gesprochen bedeutet dies, dass wir nie alles wissen können, was wir eigentlich wissen müssten, um eine Organisation wirksam unter Kontrolle zu halten. Eine der entscheidenden Herausforderungen im Zusammenhang mit der Bewältigung des Wandels besteht daher darin, die Idee der Selbstorganisation und Selbstregulierung von Systemen, des organisationalen Lernens und der Evolution ernst zu nehmen und sie für die Gestaltung von Systemen zu nutzen.“[2]

Dass Organisationen über ein beträchtliches Maß an Eigendynamik verfügen und so manche Dinge aus sich selbst heraus evolvieren, kann in größeren Organisationen laufend beobachtet werden. Doch Erfahrungen, dass so mancher sich selbst organisierende Prozess und so manche evolvierende Entwicklung ins Chaos führt, machen Führungskräfte gegenüber systemischen Ansätzen durchaus berechtigt skeptisch. Eine gewisse Entflechtung und Dezentralisierung der Dinge zur getrennten Behandlung von Problemlagen erscheint vielfach angemessen und lässt eine Hinterfragung systemischen Denkens notwendig erscheinen.[3]

Dennoch ist unübersehbar, dass die Lenker großer komplexer Strukturen mehr und mehr an die Grenzen der Steuerbarkeit ihrer Systeme geraten, wie aktuell die Situation der Verschuldung einiger europäischer Staaten im Hinblick auf das Ringen um tragfähige Finanzlösungen innerhalb der Europäischen Union zeigt. Man hat nicht unbedingt den Eindruck, dass die Verantwortlichen wirklich wissen, wo es hingehen soll. Eine zielgerichtete Führung fehlt.

Bei der Beobachtung der Dynamik komplexer Systeme fällt rasch auf, dass es weniger um Optimierung als um das Erreichen von Balancen geht.[4] Auch in der europäischen Finanzkrise laufen die Dinge nicht nur nicht optimal, sondern sind schlicht aus dem Gleichgewicht geraten. Die Erarbeitung widerspruchsloser Zielsysteme mutet angesichts der Unzahl an verschiedenartigen Faktoren und widersprüchlichen Absichten und Erwartungen utopisch an. Vieles ist durch einen Probabilismus gekennzeichnet, durch Aspekte und Gegebenheiten, die sich ständig nicht nur bezüglich ihrer Zustände, sondern auch bezüglich ihrer Art und Anzahl ändern mit Nebenwirkungen, die häufig unerwünscht aber unbeeinflussbar sind.

Es ist daher zu fragen, wodurch komplexe Systeme gekennzeichnet sind, was unser begrenztes Wissen über ihre Dynamik und Eigenart bedeutet und wie man mit dieser Komplexität umgehen kann.


[1] Vgl. dazu bei: De Rosnay, J.: The Macroscope: A New World Scientific System, Harper & Row, Publishers, Inc., New York, 1979, S. 6
[2] Vgl. dazu bei: Malik, F.: Systemisches Management, Evolution, Selbstorganisation, 4. Auflage, Haupt Verlag, Bern/Stuttgart/Wien, 2003, S. 42
[3] Vgl. dazu bei: Ibid., S. 42 f
[4] Vgl. dazu bei: Ibid., S. 83
© Christoph Paul Stock | Wien | 2025 | All rights reserved!
lebensurbild_begriffswolke_6.png
bottom of page