K O N T A K T
SCHÜTZEN WIR DIE DEMOKRATIE!


"Wenn wir uns den Unterschied zwischen dem Mikro- und dem Makrokosmos immer wieder bewusst machen und verstehen und anerkennen, dass die beiden Systeme ganz unterschiedlich funktionieren, können wir damit die Demokratie schützen. Wir müssen dann ein Stück weit darauf verzichten, unseren eigenen Emotionen, unseren eigenen sentimentalen Sehnsüchten und unseren Instinkten zu folgen und jene Prinzipien und Mechanismen anerkennen und schützen, die eine große Zivilisation mit demokratischen Strukturen möglich machen."
WIR MÜSSEN VERSTEHEN, DASS DIE GROSSE ZIVILISATION ANDERS FUNKTIONIERT WIE KLEINGLIEDRIGE UND VERTRAUTE STRUKTUREN
Wir leben in zwei unterschiedlichen Welten!
Es gibt jene Welt der persönlichen Beziehungen, die gekennzeichnet sind durch emotionale Erfahrungen und sentimentale Bezüge. Hier kennen wir die Zusammenhänge sehr gut, können einschätzen, wer sich voraussichtlich wie verhalten wird und welche Effekte Interaktionen und Handlungen haben werden. Wir sind mit dieser Welt sehr vertraut, weil wir ihr in der Familie, im Freundeskreis und generell in unserem näheren persönlichen Umfeld begegnen. Hier kennt man sich, schaut aufeinander und weiß, wie man mit unfairen und sozial unverträglichen Verhalten umgehen kann. Entscheidungen lassen sich individuell treffen und Konflikte persönlich austragen und bewältigen. Diese Welt ist tief in uns eingeprägt und wir sind es gewohnt, uns in ihr zu bewegen. Daher fällt es uns leicht, mit ihren Spielregeln umzugehen.
Doch da gibt es noch eine zweite Welt, die ganz anders aufgebaut ist und ganz anders funktioniert wie die gerade beschriebene Welt. Es ist eine große unüberschaubare und komplexe Welt jenseits familiärer und von kleinen Gruppen bestimmter Norm- und Verhaltenskontexten. Hier begegnen wir fremden Menschen und fremden Strukturen, die uns nicht vertraut sind, und Regeln, die abstrakt und unpersönlich formuliert sind. An die Stelle von persönlichen Beziehungen und eingeübter Verhaltensmuster treten normative Rahmenbedingungen wie Marktgesetze und Ordnungsnormen, die allgemein formuliert, für alle gleichermaßen gültig und vielfach durch Verbote charakterisiert sind. Hier herrscht eine völlig andere Dynamik. In vielen Fällen lässt sich schwer abschätzen, welche Wirkungen bestimmte Handlungen haben werden, da die Zusammenhänge, die durch eine große Vielzahl an möglichen Variablen bestimmt werden, zu komplex sind. Diese erweiterte Ordnung ist unsere moderne Zivilisation, die besonders dadurch beschrieben werden kann, dass sie zwar durch menschliches Handeln aber nicht durch einen menschlichen Plan entstanden ist. Es ist keine von Emotionen und sentimentalen Bezügen bestimmte Welt, sondern eine Welt, die auf Grundlage abstrahierter archetypischer Strukturen und Prinzipen funktioniert. Diese Welt ist die Grundlage unserer großen Zivilisation, in der Menschen und Unternehmen aus unzähligen Ländern miteinander interagieren, ohne sich persönlich besonders gut oder überhaupt zu kennen. Dennoch funktioniert dieses System jenseits der Norm- und Verhaltenskontexte kleiner Gruppen ausgesprochen gut.
Die große Herausforderung besteht darin, in diesen beiden Welten leben zu können und zu verstehen, dass sich die Normen, Regeln und Funktionsweisen der einen Welt nicht einfach in die andere Welt übertragen lassen. Beide Welten funktionieren nach ihren eigenen Regeln und Rahmenbedingungen und eine Vermischung dieser Bedingungen kann rasch zu Problemen und Fehlfunktionen führen. Es macht keinen Sinn, die Verteilung von Ressourcen in einer Familie Markt- und Wettbewerbsstrukturen zu überlassen. Familienmitglieder können und sollen auch nicht in einem Wettbewerb zueinander stehen wie Unternehmen am freien Markt. Die Verteilung von Ressourcen folgt in Familien anderen Grundsätzen und Erfahrungen, die geeignet sind, das zwischenmenschliche Miteinander über Generationen hinweg zu fördern. Umgekehrt macht es keinen Sinn, wenn in Unternehmen und im Staat eine Freunderl- und Vetternwirtschaft betrieben wird, weil auf diese Art und Weise nicht jene Personen zum Zug kommen, die für eine bestimmte Aufgabe am besten geeignet sind.
Demokratische Strukturen stellen die Grundlage für die erweiterte Zivilisation dar. Wenn wir sie schützen wollen, müssen wir ihre abstrakten Strukturen und Prinzipien verstehen und bewahren. Demokratie ist nichts, was sich irgendein Mensch ausgedacht hätte oder das von großen Staatspersönlichkeiten erfunden worden wäre. Demokratie ist etwas, das sich im Laufe der menschlichen Sozialgeschichte spontan entwickelt hat. Sie ermöglicht ein Zusammenleben vieler sich fremder Menschen in einem System, das auf Gemeinwohl, arbeitsteiliges Zusammenwirken und friedliches Zusammenleben ausgerichtet ist. Alle Menschen wissen, wie Familien- und kleine Gruppenstrukturen funktionieren. Vielen Menschen ist aber nicht klar, wie eine freie und offene Demokratie eingebettet in eine globale Marktwirtschaft funktioniert. Daher ist es so wichtig, Menschen den Unterschied zwischen den oben beschriebenen Welten zu vermitteln. Politische Parteien sind hier leider oft ein schlechtes Vorbild, da sie die beiden Welten immer wieder vermischen und damit Verwirrung und Chaos erzeugen.
Wenn wir uns den Unterschied zwischen dem Mikro- und dem Makrokosmos immer wieder bewusst machen und verstehen und anerkennen, dass die beiden Systeme ganz unterschiedlich funktionieren, können wir damit die Demokratie schützen. Wir müssen dann ein Stück weit darauf verzichten, unseren eigenen Emotionen, unseren eigenen sentimentalen Sehnsüchten und unseren Instinkten zu folgen und jene Prinzipien und Mechanismen anerkennen und schützen, die eine große Zivilisation mit demokratischen Strukturen möglich machen.[i]