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SCHÜTZEN WIR DIE DEMOKRATIE!

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Christoph Paul Stock

"Der Begriff Populismus geht auf das lateinische Wort “populus” zurück, was sich als “das Volk” übersetzen lässt. Viele Politikerinnen und Politiker beschwören das Volk, sprechen vom Volk als einer homogener Einheit und unterstellen dem Volk alle möglichen Eigenschaften, die man eher einer Person und weniger einer großen Anzahl von ganz unterschiedlichen Individuen zuschreiben würde."

DAS PROBLEM DES POPULISMUS ERNST NEHMEN

Wenn man sich Reden aus der Zeit des deutschen Nationalsozialismus anhört, dann kommt der Begriff „Volk“ ständig und unentwegt vor. Man fragt sich, wovon eigentlich gesprochen wird. Was ist mit dem Volk gemeint. Es wird rasch klar, dass nicht von der Vielzahl an Menschen gesprochen wird, die das Staatsvolk ausmachen, sondern von einer imaginären Volkspersönlichkeit, die es meines Erachtens in dieser Form überhaupt nicht gibt. Von einem Volk in dieser Art und Weise zu sprechen ist absurd und irreführend. Meines Erachtens projizierten die Vertreter des Regimes ihre eigene Weltanschauung und Weltsicht, ihre persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse und wohl auch ihre persönlichen Traumata auf eine fiktive, kollektive Volkspersönlichkeit, die man in der Welt gar nicht vorfinden kann, sondern die von den Nationalsozialisten in ihrem Geist erschaffen wurde. Das Volk von dem sie sprechen, ist nichts Reales. Es wird eine Fiktion kreiert.


Was dann überrascht und unerwartet kommt, ist die Tatsache, dass viele Menschen diese Fiktion für real und wirklich halten. Sie glauben tatsächlich, dass es diese Volkspersönlichkeit gibt und sie Teil dieser Persönlichkeit wären. Ein neues Gottesbild ist erschaffen, eine höhere Realität, eine Transzendenz, an die man glauben und mit der man sich identifizieren kann. Doch rasch wird klar, dass diese Volksgottheit nichts mit dem Göttlichen zu tun hat. Denn nur Menschen mit einer Geisteshaltung und Weltanschauung, die jenen des großen Führers und der ihn umgebenden Elite entsprechen, gehören zum Volk. Rasch sind auch all jene ausgemacht, die nicht zum Volk gehören. Das sind dann „die da oben“ oder „die Juden“ oder heute verstärkt „die Muslime“ oder die „Ausländer“ usw.


In österreichischen Wahlkämpfen zur Nationalratswahl werden und wurden Plakate verwendet, auf denen Slogans wie „Euer Wille geschehe“, „Sie sind gegen ihn, weil er für Euch ist“, „Ihr seid der Chef“ stehen. Auch hier wird eine imaginierte Volkspersönlichkeit angesprochen, die es in dieser Form einfach nicht gibt. Wessen konkreter Wille soll hier geschehen? Wer ist hier konkret gegen wen und für wen? Wie soll man der Chef sein, wenn man nur einer von Millionen anderer ist. Das ist alles reiner Quatsch, denn es wird die Tatsache ignoriert, dass es innergesellschaftliche Unterschiede gibt und kein Mensch einem anderen Menschen gleicht. Aber diese Fiktion wirkt! In dieser Fiktion gibt es nur ein „Volk“ und somit auch nur eine „Meinung“. Das reduziert die Komplexität des Lebens ungemein. Jene Person, die das Volk versteht, weiß auch, was das Volk braucht. Nur die große Führungspersönlichkeit als große „Volksversteherin“ kann für die Bedürfnisse des Volkes eintreten. So nimmt der Wahn seinen Lauf, dass einzelne Menschen in der Lage wären, ohne Debatten, Diskussionen, Streitgespräche, politische Prozesse und demokratische Abläufe wissen zu können, was für ein Kollektiv von Millionen an Individuen der richtige Weg wäre. Die Verwendung des Volksbegriffes verschleiert die Tatsache, dass es hier nicht um die Macht des Volkes, sondern um die Entmachtung des Volkes geht. Eine zentrale Gewalt, die sich in der Hand einer oder ganz weniger Personen befindet, möchte sich hier des Volkes bemächtigen und sich an dessen Stelle setzen. Menschen werden dazu verführt, die Volkssouveränität als Machthaberin in der Demokratie aufzugeben und einer Volksgottheit ihr Vertrauen zu schenken, die sich dann als der Vater oder die Mutter des Volkes bezeichnet, so als könnte es eine Mutter und einen Vater für Millionen von Menschen geben, die doch in Wahrheit alle eine eigene Mutter und einen eigenen Vater haben. Es wird der Mikrokosmos mit dem Makrokosmos gleichgestellt und damit behauptet, dass jene Regeln und Normen des Zusammenlebens, die in kleinen Strukturen sehr gut funktionieren und gut erprobt sind, auch im Kontext eines ganzen Volkes und einer modernen Zivilisation funktionieren könnten. Ja, sie haben tatsächlich eine Funktionsweise. Millionen von toten Menschen in den Regimen des Faschismus und Kommunismus sowjetischer und chinesischer Bauart sprechen eine deutliche Sprache. All diese Menschen sind umgekommen durch Krieg, Verfolgung und Hungersnöte. Es ist egal, ob der Populismus nun von links oder rechts kommt, er hat die Tendenz, Volkssouveränität zu zerstören und einzelne Führungspersönlichkeiten und ihre Eliten an die Macht zu bringen. Was bleibt ist der Zerfall der Demokratie.

 

Wenn wir Demokratie schützen und erhalten wollen, müssen wir die transzendenten Aspekte von der weltlichen Dimension trennen. Mit dem Ende der österreichischen Monarchie wurde auch das Gottesgnadentum, das einzelne Regenten berechtigte, über ganze Völker zu herrschen, als Idee aufgegeben. Es mag eine Transzendenz geben, das Volk selbst ist aber nicht eine solche Transzendenz, sondern ein Sammelbegriff für die Gesamtheit aller Individuen, die in einem Staat unter einer gemeinsamen Verfassung leben. Unser Leben hat zweifelsohne transzendente Aspekte. Diese bringen sich im Potential der einzelnen Menschen, in der kreativen Kraft der Individuen und in spontanen Ordnungen zum Ausdruck, die zwar durch das Handeln von Menschen bestimmt aber nicht durch ihr Planen bedingt sind. Manchmal gibt es auch wirklich begnadete Führungspersönlichkeiten, die in besonderer Art und Weise in der Lage sind, ganze Völker und Gemeinschaften in eine neue Richtung zu führen. Dabei handelt es sich meist um Menschen, die das Leben tiefgreifend geprüft hat und deren Handeln von einer besonderen Bescheidenheit und gleichzeitigen Willensstärke geprägt ist. Ich erinnere hier an Personen wie Mahatma Gandhi, Martin Luther King und Nelson Mandela. Solche Menschen sind eher die Ausnahme als die Norm. Wir wünschen uns offensichtlich göttlich begnadete Führungspersönlichkeiten. Doch wir sollten genau prüfen, ob Menschen wirklich aus der spirituellen Dimension heraus selbst geführt sind oder ob sie lediglich geistige Konstrukte erschaffen, die den Anschein von Göttlichkeit vermitteln und dadurch geeignet sind, uns zu verführen. In den meisten Fällen sind Politikerinnen und Politiker ganz durchschnittlich begabte und meist auch nicht besonders spirituelle Menschen, die versuchen, für das Gemeinwohl zu arbeiten. Viele sind auch weniger am Wohl der Gemeinschaft als vielmehr an ihrer eigenen Macht und ihrem eigenen Wohlstand interessiert. Wir sollten pragmatisch bleiben und Demokratie als das sehen was sie ist, nämlich jene aus dem Leben heraus spontan entstandene Regierungsform, die den Menschen die größte Freiheit und den größten Wohlstand bringt, wenn wir ihre Regeln und Prinzipien verstehen und beachten. Vielleicht gibt es bessere Regierungsformen, diese sind uns aber nicht bekannt.

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