K O N T A K T
SCHÜTZEN WIR DIE DEMOKRATIE!


„Denn das Streben eines jeden, der eine Herrschaft ausübt, muss darauf gerichtet sein, das, was er zu regieren übernommen hat, heil zu erhalten. So ist es die Pflicht des Steuermannes, das Schiff vor den Gefahren des Meeres zu bewahren und unversehrt in den sicheren Hafen zu geleiten. Die Wohlfahrt und das Heil einer zu höherer Gemeinschaft verbundenen Menge ist es aber, jene Einigkeit zu erhalten, die man Friede nennt.“
Thomas von Aquin, Über die Herrschaft der Fürsten, 1. Buch, 2. Kapitel
DIE KOMPLEXITÄT DER POLITISCHEN AUFGABE ANERKENNEN
In Anknüpfung an die gerade oben beschriebene Thematik des Populismus kann heute beobachtet werden, dass sich Parteien und Politikerinnen und Politiker in ihrer Politik gegen politische Eliten und gegen „die da oben“ richten. Solche Tendenzen kann man in Österreich bei einer populistischen Rechtspartei, im US-amerikanischen Wahlkampf bei einem Kandidaten für das höchste Amt im Staat, im Prozess des Ausstiegs Großbritanniens aus der Europäischen Union (BREXIT) und in vielen anderen Beispielen erkennen. Politische Eliten zu hinterfragen und ihr Handeln und Tun auf den Prüfstand zu heben, ist ein wichtiges Vorgehen. Macht korrumpiert und sehr viel Macht korrumpiert umso mehr. Es ist wichtig, dass die Mächtigen wissen, dass man ihnen auf die Finger schaut und Missstände und Missbrauch von Macht aufgedeckt und aufgezeigt werden, damit korrumpierte Politikerinnen und Politiker auch wieder abgewählt werden können. Das ist Demokratie und das macht Demokratie zu einem guten Teil aus. In diesem Sinn ist Kritik an „denen da oben“ wichtig und angebracht.
Wenn der Kampf gegen „die da oben“ zum politischen Programm wird, stellt sich aber immer auch die Frage, ob es wirklich darum geht, Machtmissbrauch, Protektion und Korruption aufzuzeigen, was unbedingt notwendig und legitim ist, oder ob es darum geht, die Fähigkeit anderer politisch tätiger Personen zu diskreditieren und abzuwerten. In einer pluralistischen und hoch komplexen Welt politisch konstruktiv und erfolgreich tätig zu sein, ist keine einfache Sache. Dafür braucht es Charakter, besondere Fähigkeiten und Fertigkeiten, die man auch als Fach- und Sachkompetenz bezeichnen kann und sehr viel Willenskraft sowie Durchsetzungsstärke. Politikerinnen und Politiker können nicht nur, sondern sollen aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Umfeldern kommen, damit das Volk durch sie möglichst breit und gut repräsentiert ist. Es geht also ganz sicher nicht darum, einen elitären Club von Politikerinnen und Politikern zu schaffen, denen die Verbindung zum Volk und damit zu den Alltagsproblemen und Alltagsfragen der Menschen fehlen. Volksnähe ist ein wichtiger Aspekt in der Politik. Doch wir müssen uns auch vor Augen halten, dass es in der Politik in vielen Fällen keine einfachen Lösungen gibt. Die Probleme, mit denen Politikerinnen und Politiker konfrontiert werden, sind ausgesprochen komplex. Hinzu kommt, dass es bei all den Problemen meist auch eine große Zahl an unterschiedlichen Interessensgruppen gibt, deren Meinungen in den politischen Entscheidungsprozess mit berücksichtigt werden müssen. Es ist völlig ausgeschlossen, dass Einzelpersonen die Komplexität der politischen Fragen komplett durchschauen und von allen Seiten her beurteilen könnten. In vielen Fällen müssen z.B. bei komplexen Wirtschaftsfragen oder schwierigen Fragen der Volksgesundheit auch externe Expertinnen und Experten mit ihrem Know-how den Regierenden helfen, Komplexität zu bewältigen, damit zeitgerecht und sachgerecht entschieden und gehandelt werden kann. Ob es uns nun gefällt oder nicht, hohe Ämter in der Republik verlangen nach hohen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Dabei geht es nicht um Eliten wie in früheren Zeiten in der Monarchie, wo Adelstitel über Ansehen und Macht entschieden haben und weniger der Sachverstand der einzelnen Personen gefragt war als vielmehr ihre Stellung und Loyalität zum Monarchen. Es geht um Kompetenz, die man sich natürlich nicht von heute auf morgen aneignen kann. Man muss sich schon in das System Demokratie mit all seinen Facetten vertiefen und intensiv einarbeiten, um politisch wirklich handlungsfähig zu sein. Wir leben in einer Welt, in der sich Menschen in ihrem jeweiligen Fachgebiet hoch spezialisieren. Nur auf diese Weise ist es möglich, dass wir uns in einer hochkomplexen Welt bewegen können. Auch Politikerinnen und Politiker müssen sich spezialisieren und Fachfrauen und Fachmänner in ihrem Bereich werden. Ihnen dies als elitäres Verhalten vorzuhalten ist weder fair noch richtig. Wenn das komplexe Makrosystem unserer Demokratien auch in Zukunft funktionieren soll, müssen wir beim Angriff auf die sogenannten Eliten vorsichtig sein. Wird hier der Korruptionsfilz angegriffen und beseitigt ist dagegen nichts zu sagen. Werden aber hochkompetente Fachstrukturen und wirklich notwendiges Know-how zerstört oder aus wichtigen Bereichen des politischen Lebens verdrängt, besteht die große Gefahr, dass das System nicht mehr richtig funktioniert. Jene die sich rundweg gegen die sogenannten Eliten und bestehende Systeme wenden, sind oft nicht jene, die das benötigte Fachwissen und Know-how besitzen und einbringen können. Es ist einfach, gegen etwas zu sein. Es ist schwierig und herausfordernd, für etwas erfolgreich zu arbeiten.
Wenn wir Demokratie erhalten wollen, müssen wir auch jene Strukturen und Fach- und Wissensträger schützen, die in der Lage sind, die Demokratie prosperierend am Leben zu erhalten. Auch wenn einfache Lösungen verlockend und ansprechend klingen, unsere Welt ist alles andere als einfach!