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Beschreibung lebensfähiger Systeme in Anlehnung an das Viable System Model  (VSM) von Stafford Beer

 

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Gesamte Inhalte: © Dr. Christoph Paul Stock

 

Die Beschränktheit des Wissens

 

Nicht weniger herausfordernd ist die Problematik, dass unser Wissen über die Welt und ihre Zusammenhänge immer bruchstückhaft und unzureichend ist und rein rationale Entscheidungen auf Grundlage dieses Wissens nur in Ausnahmefällen möglich sind.

Das konstruktivistisch-technomorphe Paradigma folgt einem Modell der Rationalität. Aufbauend auf einem vollständig konsistenten System von Präferenzen soll es dem rationalen Menschen möglich sein, mit Hilfe perfekter Informationen über alle Umweltbedingungen und die Eigenschaften sämtlicher beteiligter Elemente durch die Wahl bestimmter Alternativen eine optimale Entscheidung zu treffen. Dabei sei es realistisch, dass alle denkbaren Alternativen und Entscheidungsmöglichkeiten bewusst sind. Die Komplexität der Zusammenhänge hindere den rational handelnden Menschen nicht daran, die richtigen Alternativen auszuwählen. Alle Konsequenzen des Handelns würden gänzlich überblickt und das Handeln könne an den festgelegten Zielen ausgerichtet werden. Ressourcen würden so eingesetzt, dass die verfolgten Präferenzen so gut wie möglich realisiert werden können. In diesem Modell der Rationalität wird angenommen, dass der Mensch in allen Fällen und unter allen Umständen die Funktionsweise seines Gehirns bestimmen und rationales Denken und Handeln eigenbestimmt hervorbringen kann. Durch dieses rationale Denken sei es möglich, klare, nützliche und erklärende Erkenntnisse zu gewinnen und Illusionen, Fehler und Trugschlüsse weitgehend zu minimieren und auszuschließen.

Doch wir sind heute in einem hohen Maß mit Komplexität konfrontiert. Unsere Ratio wird durch die große Zahl an Elementen, Beziehungen, Interaktionen und Kombinationen, auf denen die Funktionsweise großer Systeme beruht, überfordert. Da wir alle innerhalb der Grenzen unserer Erinnerungs- und Aufmerksamkeitsspannen leben, ist die Verflochtenheit und Dynamik komplexer Systeme kaum zu überschauen. Der klassische Zugang zur Ratio mit ihrer primär logischen und berechnenden Herangehensweise an die Zusammenhänge reicht nicht mehr aus, um diese Komplexität zu beherrschen, und führt uns immer öfter in die Irre, da wir entscheidende Zusammenhänge nicht mehr wahrnehmen oder erkennen können. Die Ratio gelangt definitiv an ihre Grenzen.

Ich will nur ein kleines Beispiel anführen, um diese Problematik zu veranschaulichen. Angenommen sie versuchen ein System mit 5 beteiligten Personen zu steuern. In diesem System kommt es laufend zu einem Informationsaustausch zwischen diesen 5 Personen.

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Abbildung 1
Grafik-Design: © bei Christoph Paul Stock

Gesetzt dem Fall, jede Person spricht mit jeder anderen Person im System einmal täglich, was mit Sicherheit weit unter der Anzahl an Interaktionen liegt, die tatsächlich erfolgen. Dann ergeben sich 10 Konversationen pro Tag. 10 Gespräche können schon eine ganze Menge an wichtigen Informationen enthalten. Das ist schon ein beträchtliches Volumen an Information, über die man Bescheid wissen muss, um steuernd tätig werden zu können. Nehmen wir nun an, dass im System nicht 5, sondern 10 Personen interagieren. Tritt nun an einem Tag jede Person mit jeder anderen Person nur ein einziges Mal in einen Informationsaustausch, kommt es zu 45 Gesprächen. Das ist schon ein weit größeres Volumen an Information, das zu verarbeiten ist. Gehen wir noch weiter und nehmen an, dass das System unter den gleichen Kommunikationsbedingungen 30 Mitglieder hat. In diesem Fall wächst die Anzahl an kommunikativen Interaktionen auf 435 täglich an.

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Abbildung 2
Grafik-Design: © bei Christoph Paul Stock

All diese Informationen zu verarbeiten ist schon schwierig. Noch viel schwieriger ist es, Zugang zu all diesen Informationen zu bekommen. Darüber hinaus sind das nur die internen Kommunikationsbahnen. Richtig komplex wird es dann, wenn externe Kommunikationen hinzukommen, Informationen aus fremden und unbekannten Systemen auftauchen, die völlig anders funktionieren wie das eigene System und dann vielleicht noch die Kommunikationskanäle Unterbrechungen und Störungen aufweisen und Missverständnisse sowie Unklarheiten auftreten. Zeitlicher Druck, der Ausfall wichtiger Informations- und Wissensträger und hohe Arbeitsbelastung können dann rasch dazu führen, dass die Steuerbarkeit in Frage gestellt werden muss. Rein auf unsere Ratio zurückgeworfen, sind wir überfordert und in nicht wenigen Fällen richtiggehend ohnmächtig. Wir wissen nicht mehr, wo uns der Kopf steht und was wir tun sollen.

© Christoph Paul Stock | Wien | 2025 | All rights reserved!
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