K O N T A K T

Beschreibung lebensfähiger Systeme in Anlehnung an das Viable System Model (VSM) von Stafford Beer
Gesamte Inhalte: © Dr. Christoph Paul Stock
Der Drang, die Abkürzung zu nehmen
Wie schon mehrfach angesprochen, liebt das konstruktivistisch-technomorphe Denken das Gewinnen. Ein bestimmtes Ziel zu erreichen, einen Erfolg einzufahren und die Gewinnerin bzw. der Gewinner zu sein, entspricht der linearen Ausrichtung dieses Paradigmas. Dieser Ansatz kann beflügelnd sein und Menschen zu Hochleistungen antreiben, wie wir es aus dem Bereich der Wirtschaft und des Sports kennen. Eine ganze Nation steht Kopf, wenn die Nationalelf bei einem großen Fußballturnier den Siegespokal holt. Nicht anders ist es, wenn ein großer heimischer Skistar bei der Weltmeisterschaft oder den Olympischen Spielen Gold gewinnt. Unser kapitalistisches Wirtschaftssystem ist auf dem Gedanken aufgebaut, dass die Verfolgung des eigenen wirtschaftlichen Vorteils in einem kompetitiven Markt die besten wirtschaftlichen Leistungen und damit einen hohen Wohlstand für alle hervorbringt. Innovatives Unternehmertum wird gestärkt und durch den Wettbewerb die Preise für die Konsumenten möglichst niedrig gehalten. Dabei hat dieses System nicht nur bei den Gewinnern positive Effekte, sondern kann auch bei den Verlieren Positives bewirken. Der Verlust kann uns anspornen, uns mehr anzustrengen, wir können aus gemachten Fehlern lernen und es beim nächsten Mal besser machen. Das Verlieren lehrt uns auch, mit der Enttäuschung umzugehen, wenn eigene Vorstellungen, Hoffnungen und Wünsche sich nicht erfüllen lassen. So manche Person erkennt dadurch, dass der bisherige Weg nicht der richtige ist und schlägt einen neuen Weg ein.
Doch dieses Denken kennt auch gewaltige Schattenseiten. Wettbewerb in einem kompetitiven Umfeld ist anstrengend, kostenintensiv und aufwändig. Daher versuchen Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Wettbewerb andere zu täuschen, zu betrügen und sich Vorteile durch unlautere Mittel zu verschaffen. Doping im Sport und die Notwendigkeit, die Wirtschaftsmärkte durch Wettbewerbsbehörden zu kontrollieren, zeigen diese Problematik klar auf. Trotz aller Kontrollen bringen diese kompetitiven Systeme immer wieder unfaire Wettbewerbsvorteile für bestimmte Gruppen mit sich, die zu einem exponentiellen Wachstum führen und damit zu einer massiven Ungleichverteilung von Ressourcen und Möglichkeiten. Aus einem System, das die Bedürfnisse von Menschen auf breiter Basis möglichst gut abdecken soll, wird ein von Profitgier gesteuertes Ungetüm, dessen Ziel es nicht mehr ist, im Wettbewerb möglichst gut abzuschneiden, sondern den Markt zu beherrschen und die Macht über Menschen und Natur an sich zu reißen. Die großen Internetgiganten sind ein Beispiel dafür. Sie hatten den Vorteil in ein Business einzusteigen, das ganz neu und damit noch völlig ohne Wettbewerb war. In diesem neuen Business sind sie so schnell gewachsen, dass es heute für die Konkurrenz praktisch unmöglich ist, diese Platzhirschen einzuholen und zu verdrängen. Die so entstehende Akkumulierung von Macht und Ressourcen in der Hand so weniger Menschen ist kein wünschenswerter Zustand. Es gleicht auf Wirtschaftsebene dem, was man auf politischer Ebene eine Diktatur nennt. Denn diese Wirtschaftsgiganten sind in der Lage, uns ihre Vorstellungen und Vorlieben aufzuzwingen, egal ob uns das schmeckt oder nicht. Zusätzlich wird von diesen Wirtschaftsgiganten noch ein anderer Trick angewendet. Sie vermitteln den Konsumentinnen und Konsumenten die Idee, dass sie durch ihren Konsum die Macht hätten, zu steuern, was die Konzerne produzieren und liefern. Doch das akkumulierte Geld dieser exponentiell gewachsenen Unternehmen wird eingesetzt, um über Werbung und Imagekampagnen den Menschen vorzugaukeln, was man benötigt und braucht. Es werden nicht die Bedürfnisse der Menschen befriedigt, sondern es werden künstlich Bedürfnisse und Begehrlichkeiten in den Menschen generiert, um konkrete Konzerninteressen zu verfolgen. Eine riesige Maschinerie ist lediglich damit beschäftigt, den Konsumentinnen und Konsumenten eine imaginäre Welt vorzugaukeln, die sie dazu verleiten will, im Konsumrausch immer weiterzumachen. Dabei werden heute nicht nur Waren und Dienstleistungen konsumiert, sondern auch gesellschaftliche Kontakte und soziale Interaktionen. Am Schluss hält man dann den Konsumentinnen und Konsumenten vor, dass sie einen unglaublich großen CO2-Abdruck hinterlassen und allein für die Umweltschäden und Klimaproblematik verantwortlich sind. Es ist keine Frage, dass wir Konsumentinnen und Konsumenten unser Konsumverhalten ändern müssen, wenn wir die Klimafolgen des aktuellen Wirtschaftens vermeiden wollen. Doch die eigentliche Macht über all diese Prozesse liegt in Wahrheit in der Hand weniger sehr mächtiger Konzerne, die gefinkelt versuchen, den Menschen den Schwarzen Peter in die Schuhe zu schieben. So wie wir Konsumentinnen und Konsumenten unser Konsumverhalten definitiv verändern müssen, müssen die Konzerne aus meiner Sicht den akkumulierten Reichtum in den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen investieren. Denn wenn sie das nicht tun, werden die wirtschaftlichen Folgen der zunehmenden Klimaveränderung verheerend sein und es wird sich die Frage stellen, wer die exorbitanten Kosten für die Klimaveränderung in den Unternehmen tragen soll. Dann sollen wahrscheinlich wieder die Angestellten, Arbeiterinnen und Arbeiter und die Bürgerinnen und Bürger und damit der Staat herhalten und ein kollabierendes System retten, damit die Arbeitsplätze und Wirtschaftsleistung nicht verloren gehen. Da so mancher Konzern über eine größere Wirtschaftsmacht wie ganze Länder verfügt, ist es aber fraglich, ob die Staaten das überhaupt stemmen können.
