K O N T A K T

“Alles, was gegen die Natur ist, hat auf Dauer keinen Bestand.”
Charles Darwin, englischer Naturwissenschaftler
Das Modell lebensfähiger Systeme
________________________________
Vorbilder aus der Biologie
(Bionik und Kybernetik)
________________________________
In meinem Leben haben mich wenige Modell so sehr angesprochen und fasziniert wie das vom englischen Kybernetiker Stafford Beer entwickelte Modell lebensfähiger Systeme. Da soziale Systeme ähnlich wie biologische Systeme hoch komplexe Systeme sind, deren Elemente miteinander vernetzt sind und sich gegenseitig beeinflussen, können diese eine ungeheuer große Anzahl von Zuständen annehmen. Um diese Vielzahl an Zuständen zu bewältigen, braucht es ein hocheffektives Steuerungssystem.
Ausgangspunkt für Beers Überlegungen waren das menschliche Nervensystem und Gehirn. Das Gehirn und Nervensystem sind wohl nach wie vor das am weitesten entwickelte Lenkungssystem im Umgang mit Komplexität. Ausgehend von der Funktionsweise und dem Zusammenspiel des Gehirns und des Nervensystems mit dem Organismus erkannte Beer eine Organisationsstruktur, die sich in allen lebensfähigen Systemen findet. Diese Struktur funktioniert nicht nur in einem biologischen Organismus, sondern auch in sozialen Systemen und Strukturen. Daher ist diese Organisationsstruktur auch grundlegend relevant für Familien, Unternehmen und staatliche Organisationen.
________________________
Fünf Systemfunktionen
_________________________
Alle lebensfähigen Systeme bestehen aus einer Vernetzung von Information und Kommunikation. Damit die jeweils notwendige Information durch entsprechende Kommunikation jeweils an jenem Ort der Organisationsstruktur landet, an dem sie benötigt wird, muss ein lebensfähiges System über fünf Systemfunktionen verfügen:
System eins: Operieren
System zwei: Koordinieren
System drei: Optimieren
System vier: Aufklären
System fünf: Werte setzen
_____________________________
OPERIEREN (möglichst autonom)
SYSTEM EINS (1)
______________________________
Jedes System braucht (1) operative Einheiten, die den Zweck des Systems möglichst selbständig (Autonomie) erfüllen. Jedes operative System muss alle fünf Sub-Systeme enthalten (Rekursivität), aus denen auch das Gesamtsystem aufgebaut ist. Im menschlichen Körper zählen zu den operativen Einheiten zB Organe, Muskeln und Haut. In einer Familie zählen dazu die unterschiedlichen Aufgaben der Familienmitglieder und in einem Unternehmen die strategischen Geschäftsfelder.
_____________________________
KOORDINIEREN (global und lokal)
SYSTEM ZWEI (2)
_____________________________
Gibt es viele operative Einheiten, die zusammenwirken müssen, braucht es ein (2) „System der Koordinierung“. Diese koordinierende Aussteuerung erfolgt aber nur in dem Umfang, der unbedingt notwendig ist (Subsidiarität). Übergeordnete Systeme sollen generell nur dann Aufgaben übernehmen, wenn sie diese besser erfüllen können als die operativen Systeme. Die Autonomie der operativen Einheiten darf nicht gefährdet werden. Im menschlichen Körper organisiert zB das autonome Nervensystem das Zusammenspiel der Muskeln, damit Bewegung entstehen kann. In Familien und Unternehmen ist es die Aufgabe dieses Systems, Routinen, Standards und Regeln zu schaffen, die einen reibungslosen Ablauf ermöglichen.
_____________________________
OPTIMIEREN (der Selbstorganisation)
SYSTEM DREI (3)
_____________________________
Die operativen Einheiten können ihrer Aufgabe nur nachkommen, wenn sie eine ausreichende Verhaltensfreiheit haben. Diese bringt aber zwingend ein Eigeninteresse mit sich, das sich durch Egoismen ausdrücken kann. Durch solche Egoismen wird das Gesamtsystem gefährdet und die Nutzung von Synergien unterdrückt. Daher braucht es ein drittes System, das im Interesse des Gesamtsystems das Zusammenwirken der operativen Einheiten optimiert. Die Aufgabe dieses (3) „Systems der Optimierung“ wird im menschlichen Organismus im Wesentlichen durch das Zwischenhirn mit seinen Optimierungs- und Lernvorgängen übernommen. In Familien wird die Optimierung durch die Führungsaufgaben der Eltern und in Unternehmen durch das operative Management gewährleistet.
_____________________________
AUFKLÄREN (Achtsamkeit)
SYSTEM VIER (4)
_____________________________
Jedes lebendige System ist eingebettet in eine dynamische Umwelt, weshalb es notwendig ist, ein (4) „System der Aufklärung“ zu schaffen, das mit der Umwelt in Kontakt steht und Chancen und Risiken erheben und einschätzen kann. Diese Aufgabe nimmt im menschlichen Körper das Nachhirn wahr, das beispielsweise die Informationen der Sinnesorgane verarbeitet. In Familien besteht hier die Notwendigkeit, Kommunikations- und Informationsstrukturen zu schaffen, die einen Austausch der unterschiedlichen Sichtweisen und Erfahrungen ermöglichen. Unternehmen installieren hier häufig strategische Abteilungen oder Forschungs- und Entwicklungseinheiten.
_____________________________
WERTE SETZEN (Bewusstsein und Ethos)
SYSTEM FÜNF (5)
_____________________________
Schließlich braucht jedes System eine Identität, die sich durch sein Bewusstsein, seine Moral, seine Werte und Grundannahmen ausdrückt. Dieses (5) „System der Wertesetzung“ ist das eigentliche Entscheidungsorgan. Im menschlichen Organismus übernimmt das Großhirn diese Aufgabe. In Familien werden Moral, Werte und Grundannahmen primär von den Eltern an die Kinder weitergegeben, erfahren aber über den Zeitverlauf Anpassungen und Änderungen. Familienkultur, Familienleitbilder und Familienpolitik spielen hier eine bedeutende Rolle. In Unternehmen wird dieses System meist durch die Geschäftsführung oder den Aufsichtsrat wahrgenommen und ist verknüpft mit Unternehmenskultur, Leitbild und Unternehmenspolitik.
_____________________________
Probleme in einem Systembereich
wirken sich auf andere
Systembereiche aus
_____________________________
Praktisch jedes Problem, das sich uns in unserem Leben stellt, ist in diese oben beschriebenen Lebensstrukturen eingebettet. Gibt es Probleme in einem dieser Teilsysteme, wirkt sich das auf alle anderen Systemteile aus und schränkt die Lebensfähigkeit ein. Entscheidend ist daher immer die Frage, in welchem Sub-System das Problem seinen Ausgang nimmt und welche Folgen in anderen Sub-Systembereichen dadurch hervorgerufen werden. Natürlich kann es auch sein, dass andere abgeschlossene Systeme, die ebenfalls aus den fünf Subsystemen bestehen, auf das betroffene System positiv oder negativ einwirken. Nicht jedes Problem nimmt seinen Ausgang im eigenen System. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass wir primär Macht über und Einfluss auf unsere eigenen Systeme haben und hier am ehesten etwas ändern können.
