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Gesamte Inhalte:

© Dr. Christoph Paul Stock

 

ba) Naturbezogenheit in Frühzeit und Antike

 

Die Vorstellungswelt des prähistorischen Menschen ist für uns schwer begreifbar und nachvollziehbar, als uns aus dieser Zeit kaum etwas in Schrift oder Bild überliefert ist. Ein tiefes Dunkel umnachtet die Gedanken und Taten dieser frühen Zeit und nur manchmal lassen uns sehr alte Wandgemälde und der eine oder andere archäologische Fund etwas von der damaligen menschlichen Welt erahnen.

Sicherlich fühlte sich der Mensch in der damaligen Zeit noch völlig mit der Natur verbunden und unterschied kaum zwischen sich selbst und der ihn umgebenden Flora und Fauna. Er mag zwar durch seinen Verstand den Tieren überlegen gewesen sein, doch fehlte ihm das Bewusstsein dieser Überlegenheit. Er war gefangen in seiner Furcht und Angst vor den Naturgewalten, in denen er böse Dämonen oder Götter sah und zu deren Beschwichtigung er Menschenopfer erbrachte.[1]) Daraus lässt sich auch ersehen, dass ihm die Mitmenschen auch kein Gegenstand der besonderen Achtung waren und er sie wie jagbare Tiere behandelte, nämlich tötete oder zu Sklaven machte.[2])

Wodurch der Funke, den wir Geist nennen, zu glühen begann, ist nicht leicht zu beantworten. Es werden wohl die äußeren, naturgegebenen Umstände und Veränderungen gewesen sein, die an den Menschen höhere Ansprüche geistiger Flexibilität gestellt haben und durch die der Menschengeist geweckt wurde.

Auch wenn der neue Tatendrang den Menschen zu Höchstleistungen anspornte und ihn die 7 Weltwunder schaffen ließ, so blieb er doch gefangen in seinem eigenen Körper. Obgleich über die Existenz der Seele wissend, blieb selbige für ihn doch nur etwas Körperliches, eine Funktion körperlicher Organe.

Zusätzlich war jegliches gesellschaftliche Zusammenleben geprägt von einer stetigen Ungleichheit zwischen den Menschen. Kasten- und Klassensysteme waren selbstverständlich. Das Spannungsverhältnis zwischen Herrn und Diener, zwischen einer führenden Schicht und einer geknechteten Schicht war in einem besonderen Ausmaß noch gegeben und sollte sich, betrachtet man die Entwicklung der Sklavenhalterei über viele Jahrhunderte herauf, erhalten.

Den Menschen als Gleichnis Gottes zu betrachten war die Großtat der Griechen! Sie lösten den Menschen aus seinem Objektsein heraus und stellten ihn neben die Objekte als Subjekt. Dabei war er ausgestattet mit Geist und einer dem Körperlichen entflohenen Seele, der Natur gegenübergestellt. Das auszeichnende Merkmal der Seele sei nach Platon die Vernunft, die von außen in den Leib dringt und daher nicht den Weg des Irdischen geht, sondern unsterblich ist.[3])

Der Gedanke der Freiheit wurde durch die griechische Demokratie entwickelt und durch die sokratische Lehre von der Selbstbeherrschung zu einer inneren Freiheit fortgebildet. Die griechische Stoa kannte schon Wertbegriffe wie die Humanität oder das Allgemeinmenschliche und sprach von der natürlichen Freiheit aller.

Trotz all dieser Strömungen blieben die Griechen der Natur und dem Körperlichen stark verhaftet. Ihnen blieb der Wert einer sittlichen Persönlichkeit noch verborgen. Die Einheit der Person, das Ich, wurde nur ansatzweise verstanden. Die Seele war noch mehr Schatten des Körpers, als ein integratives Element des Ganzen.

Zusätzlich gab es noch keine allgemeine Freiheit der Religion, des Gewissens und des Geistes. Der Mensch des alten Griechenlands war gefangen im Stadtverband der Polis und erhielt alle Rechte durch sie. Umgekehrt war derjenige Sklave und Rechtloser, der dem Verband der Polis nicht angehörte. Sklaverei und Klassendenken waren für die Griechen selbstverständlich und etwas Natürliches. Der Sklave ist von Natur aus zum Sklaventum veranlagt. Kinderaussetzung und die Unterdrückung bzw. Minderschätzung der Frau waren Selbstverständlichkeiten, die  ein sittliches Persönlichkeitsdenken vermissen lassen.

Der Mensch wurde aus der Bindung an die Natur noch nicht befreit.


[4])

War der große Verdienst der griechischen Denker die Entdeckung des Individuums, so verdanken wir den Römern die Eingliederung des Individuums in eine Rechtsordnung, die sich vom ausschließlich sakralen Bereich ablöste und den römischen Bürgern garantierte Rechte und Freiheiten einräumte. So konnte das römische Privatrecht zum großen Vorbild der späteren romanischen Rechtsentwicklung bis herauf in unsere Zeit werden.[5])

Die Ausbildung des Gedankens der Individualität veranlasst Ihering zu der Schlussfolgerung, "dass die Würde und das Recht der Persönlichkeit in Rom in einer Weise praktisch geschützt und anerkannt war, wie sonst nirgends...".[6])

Doch darf nicht vergessen werden, dass die Würde und das Recht der Persönlichkeit nur dann uneingeschränkt geschützt war, wenn die Person das römische Bürgerrecht für sich in Anspruch nehmen konnte. Andere Personen waren entweder gar keine Personen, wie der Sklave[7]), der als Sache behandelt wurde, oder eine minderberechtigte Person im Familienverband unter dem Oberhaupt des "pater familias", unter dessen Herrschaft sie einer weitreichenden Gewaltunterworfenheit ausgesetzt war.[8])

Diese Darstellung zeigt auf, dass die Antike zwar die Individualität erkannte, aber die tiefen sittlichen Werte der Person noch nicht begriffen hatte. Der Bezug zu Natur und Kosmos und der daraus fließende Sinneseindruck waren noch die vorrangig bestimmenden Elemente.


[1]) Baltl, Österreichische Rechtsgeschichte6 (1986) 18.
[2]) Baltl, Österreichische Rechtsgeschichte6 (1986) 17.
[3]) Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht2, 17.
[4]) Golo Mann, Propyläen - Weltgeschichte/Die hellenistische Welt, III 595 ff.
[5]) Kaser, Römisches Privatrecht14, 4 ff.
[6]) Ihering, Geist des römischen Rechts5 II 306.
[7]) Baltl, Österreichische Rechtsgeschichte6 (1986) 43.
[8]) Kaser, Römisches Privatrecht14, 275.
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