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© Dr. Christoph Paul Stock
ca) Die Menschenwürde
Nie zuvor wurde so viel von der Würde des Menschen gesprochen und geschrieben als in den Jahrzehnten nach den schrecklichen Ereignissen der beiden Weltkriege. Man versucht aus den damaligen Ereignissen zu lernen und eine neue Lebensordnung zu schaffen. Wie schwer dieser Weg zu beschreiten ist und wie leicht dieses Ziel wieder aus den Augen verloren werden kann, beschreibt uns anschaulich die Tragödie im ehemaligen Jugoslawien. Dort wird täglich die Würde der Menschen tausendfach mit Füßen getreten und es scheint, dass die neu zu schaffende Lebensordnung strenge Grenzen hat, die durch die Ohnmacht derjenigen, die etwas dagegen tun könnten, nicht beseitigt werden.
Was ist nun diese Würde des Menschen? Ein Lösungsansatz, der in der Literatur häufig versucht wird, besagt, dass das Wort von der Menschenwürde die überragende Stellung, die der Mensch in der Welt einnimmt, bezeichnen will. Es soll den Standort des Menschen im Universum und insbesondere eine Abgrenzung “nach unten”, gegenüber den Tieren, darlegen. Hier wird hervorgestrichen, dass zwar in Hinsicht auf die leiblichen Anlagen der Mensch ein “Mängelwesen” sei, aber er sich bezüglich seiner geistigen Anlagen, himmelhoch vom Tier unterscheide. Es wird behauptet, die Entwicklung des Geistes aus dem Körperlichen sei nicht sehr wahrscheinlich und es sei eine Geistseele, die schon als Anlage im Menschen vorhanden gewesen wäre, die die Entwicklung des geistigen Bewusstseins ermöglicht habe. Die Loslösung des Geistes vom Körperlichen habe das Selbstbewusstsein erwachen lassen. Dem Tier wird der Geist abgesprochen. Es habe eine Vorstellungs- und Empfindungswelt, die sich nur aus Instinkten ergebe und einen engen Horizont des Daseins beschreibe über den es nicht hinauskommt. Daher bleibe nur dem Menschen die Möglichkeit, sich aus der Umklammerung der Welt zu befreien und als unspezialisiertes Wesen sich in unerwarteten Situationen, auf keinen sicheren Instinkt verlassen könnend, durch Überlegung und Planung entsprechende Lösungen ergründen zu können. Dem Tier sei die Umwelt bergende Heimat, dem Menschen sei die Welt dagegen ständige Aufgabe. Er sei es, der kraft seiner geistigen Fähigkeiten zum Mitschöpfer der Welt werde.[1])
Dieser Ansatzpunkt stellt den Menschen in die Mitte alles Seins, der ganzen Schöpfung. Dass die Unterschiede zwischen Mensch und Tier in geistiger Hinsicht tatsächlich groß sind, ist sicherlich richtig. Die Entwicklung des menschlichen Geistes aber gelöst von evolutionäre Entwicklung zu sehen, erscheint nach den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen gewagt.[2]) Zusätzlich zeigen auch Tiere Anpassungsfähigkeiten und Lernentwicklungen, die nicht ausschließlich aus dem Instinkthaften abzuleiten sind. Es ist auch daran zu erinnern, dass die große Geistesleistung des Menschen auch eine besondere zerstörerische Gewalt in sich trägt, die seine Würde manchmal verblassen lässt.[3])
Aus diesen Gründen lehne ich den Ansatz, die Würde des Menschen besonders aus seiner geistigen Überlegenheit gegenüber dem Tier herzuleiten, ab. Vielmehr sollte die Würde des Menschen aus der Schöpfung und der sich daraus ergebenden Existenzberechtigung, ja Existenzverpflichtung ergeben.[4]) In seiner Existenz ist der Mensch mit vielen Anlagen ausgestattet, die zu benützen und zu entfalten Aufgabe seines Daseins sind. Daher bedeutet Menschenwürde die Achtung vor der Existenz des Menschen selbst und besonders vor der Entfaltungsmöglichkeit der besonderen Vielfalt seiner Begabungen und Fähigkeiten. Diesen Achtungsanspruch verliert auch derjenige nicht, der seine Begabungen und Fähigkeiten entgegen den sittlichen Werten falsch oder gar nicht einsetzt und so zum Kulturlosen oder gar zum Verbrecher wird, weil niemand die Berechtigung haben kann, über die Sinnhaftigkeit der Existenz zu entscheiden.