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Gesamte Inhalte:

© Dr. Christoph Paul Stock

 

ba) Begriffsjurisprudenz

 

Die Begriffsjurisprudenz hat sich aus verengten und differenzierten Ansätzen der “Historischen Schule” Savignys entwickelt, welche den Rechtsstoff einerseits historisch und andererseits systematisch bzw “philosophisch” zu ergründen suchte.[1]) Die Begriffsjurisprudenz hat das historische bzw “organische” Element in ihre Überlegungen nicht miteinbezogen und sich nur auf die systematisch - “philosophische” Komponente gestützt.[2])

Sie sieht im Recht ein Gefüge von Begriffen, die im Gesetz ihren Ausdruck finden. “Der Begriff ist das eigentliche rechtserzeugende Element”[3]), an dem im Einzelfall ausschließlich im Wege logischer Deduktion – dh aus den allgemeinen Oberbegriffen werden die Unterbegriffe abgeleitet – die Rechtsfindung konkretisiert wird.[4]) Den Problemen von Lückenhaftigkeit und Interpretationsbedürftigkeit des Rechtsstoffs begegnet die Begriffsjurisprudenz mit der ausschließlichen Bezugnahme auf Begriffe, die unter Heranziehung der reinen Logik in immer “höhere Aggregatszustände” transformiert werden und so ein System geschlossener rechtlicher Begriffe entstehen lassen.[5]) Im Bedarfsfalle sind die Begriffe produktiv, “paaren sich und zeugen neue”[6]). “So werden abstrakte dogmatische Allgemeinbegriffe gebildet, unter die die Sachverhalte sodann wie unter geltendes Recht subsumiert werden.”[7]) Die Ergründung dieser Begriffe wird zwar unter dem Postulat der “Logik” durchgeführt, doch lassen sich die verwendeten Kriterien oftmals nicht nachprüfen und man wird sich manchmal der intuitiven Ahnung nicht erwehren können, dass bei der Begriffsbildung ein gesundes, aber offiziell nicht reflektiertes Gefühl für rechtliche Werte und rechtliche Zusammenhänge mitgespielt hat. Ein von wirtschaftlichen, politischen, ethischen oder ähnlichen Erwägungen völlig gelöstes deduktives Vorgehen ist eben beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Die Begriffsjurisprudenz übersieht, dass alle möglichen Sachverhalte unmöglich durch Begriffe erfasst werden können, die eine Lösung in rein logischer Subsumtion finden sollen. Das Mittel der Logik kann nicht alle Erscheinungen des Lebens begreifen und im Konfliktfalle bewältigen.

Das große Verdienst der Begriffsjurisprudenz liegt in der ökonomischen Gestaltung des rechtswissenschaftlichen Denkens und in der Ermöglichung der rechtlichen Rationalisierung durch “Normreduktion”, die in der Bildung abstrakter Begriffe ihre Grundlage findet. So wurde der “Vertrag” als Abstraktion aus allen einzelnen Vertragstypen und das “Rechtsgeschäft” als Abstraktion aus allen Akten, die final auf Rechtsfolgen gerichtet sind, gewonnen und damit ein verständlicheres und übersichtlicheres System der Rechtsstofferfassung ermöglicht.


[1]) Savigny, System des heutigen römischen Rechts I (1840) 292; Wieacker, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte2 (1976) 155 ff.
[2]) Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 (1991) 110.
[3]) Koziol - Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts8 I 17.
[4]) Wieacker, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte2 (1976) 436.
[5]) vgl dazu Puchta, Cursus der Institutionen I 101.
[6]) Ihering, Der Geist des römischen Rechts auf den Stufen seiner Entwicklung I 40.
[7]) Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 (1991) 110.
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