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© Dr. Christoph Paul Stock

 

df) Die Judikatur zur Drittwirkungsproblematik

 

Der VfGH kann laut Verfassung Privatrechtsakte nicht überprüfen, sondern nur die Normen, die auf die private Rechtsetzung einwirken. Damit hat der VfGH auch nicht die Möglichkeit sich ausführlich zur Drittwirkungsproblematik zu äußern. In Österreich sind daher die ordentlichen Gerichte berufen, über die Streitfrage der “mittelbaren Wirkung” oder “unmittelbaren Drittwirkung” der Grundrechte zu entscheiden.

Zwar lässt sich, wie später noch zu zeigen sein wird, eine gewisse “Berührungsangst” des OGH erkennen, wenn es gilt grundrechtsrelevante Fragen zu entscheiden[1]), doch ist eine Haltungsänderung des OGH angebracht, weil dem VfGH als Hüter der Verfassung (Art 140 und 144 B-VG) der Zugang zum Zivilrecht und damit auch zur Drittwirkungsfrage prozessual weitgehend versperrt ist.[2]) “Er kann zwar die Verfassungsmäßigkeit von Privatrechtsgesetzen prüfen[3]), er kann jedoch nicht über einen etwa bestehenden Verstoß zivil- oder auch strafrechtlicher Urteile gegen Grundrechte erkennen”.[4])

Im Gegensatz zur Situation in Österreich gibt es in der Bundesrepublik Deutschland die Möglichkeit, das Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung von Entscheidungen in Zivilrechtssachen auf ihre Grundrechtskonformität anzurufen. Damit bietet sich für das Gericht auch in Zivilrechtssachen die Möglichkeit, als Hüter der Verfassung tätig zu werden.[5]) Dies hat zur Folge, dass das BVerfG zur Frage der Drittwirkung der Grundrechte in mehreren Entscheidungen Stellung genommen hat.

Im folgenden soll nun nach einer kurzen Klarlegung der Stellung des Verfassungsgerichtshofes zur Drittwirkungsproblematik ein Blick auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts geworfen werden.


[1]) vgl dazu: Novak, Zur Drittwirkung der Grundrechte, EuGRZ 1984, 133 (142).
[2]) VfSlg 8187, 8226/1977; 8890/1980; eine Ausnahme besteht nur bei der Kompetenzkonfliktregelung des Art 138 Abs 1 lit a und b B-VG, die hier aber außer Betracht bleiben sollen. Bei dieser Regelung handelt es sich sicher um eine Besonderheit der österreichischen Rechtsordnung.
[3]) Zur Antragslegitimation siehe Art 140 Abs 1, Art 89 Abs 2 und Art 135 Abs 4 B-VG.
[4]) Berger, Auswirkungen der Europäischen Menschenrechtskonvention auf das österreichische Zivilrecht, JBl 1985, 142 f.
[5]) Es wurde schon öfter in Österreich die Frage aufgeworfen, ob man dem Verfassungsgerichtshof nicht auch eine erweiterte Kompetenz zur Entscheidung über Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen einräumen sollte. Vgl Klecatsky, Über die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform der österreichischen Verfassungsgerichtsbarkeit, FS - Geiger (1974) 925 ff; Spanner, Lebendiges Verfassungsrecht, JBl 1963, 397; vgl auch: Bydlinski, Die Grundrechte in Relation zur richterlichen Gewalt, RZ 1965, 5.
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