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Gesamte Inhalte:

© Dr. Christoph Paul Stock

 

E) RESÜMEE 

 

Man kann in Anbetracht der gewandelten sozialen Verhältnisse in unserer heutigen Gesellschaft im Vergleich zur Entstehungszeit der Grundrechte davon ausgehen, dass sich der Bedeutungsgehalt der Grundrechte über den klassisch - liberalen Schutzzweck des Bürgers vor dem Staat hin zu einer Wertordnung mit tragender Bedeutung für alle Rechtsbereiche, so auch für das Privatrecht, gewandelt hat und damit auch die Verhältnisse zwischen den Bürgern beeinflussen muss. Ohne Zweifel ist der österreichische Grundrechtskatalog nur ein sehr lückenhaftes und unsystematisches Konglomerat von aneinandergereihten Grundrechten, denen es zusätzlich an zwei wichtigen Elementen fehlt; erstens an der Vorausstellung und Überordnung des rechtlichen Zentralbegriffs der Menschenwürde und zweitens an einer programmatischen Fassung der “sozialen Grundrechte”.

Normadressat der Grundrechte ist nur der Staat, nicht der Bürger. Aus diesem Grund sind die Grundrechte auf das Verhalten der Privatrechtssubjekte nicht unmittelbar, wie dies die Lehre von der “unmittelbaren Drittwirkung” verlangt, anzuwenden. Dies gilt auch bei Vorliegen “sozialer Macht”, die ganz besonders im Arbeitsrecht durchschlagende Bedeutung entwickelt hat.

Normadressat der Grundrechte ist der Privatrechtsgesetzgeber. Aus diesem Grund sind die Grundrechte entgegen der Lehre von der “mittelbaren Wirkung” auf die Normen des Privatrechts (unter Einschluss des dispositiven Rechts und der dieses ersetzenden Vertragsauslegungen) unmittelbar anzuwenden. Zu weit geht der Schluss, aus einer Bindung des Privatrechtsgesetzgebers an die Grundrechte auf eine Bindung der Parteien eines Rechtsgeschäftes an die Grundrechte zu schließen.

Für den privaten Rechtsetzungsbereich ist eine Wirkung der Grundrechte nur im Rahmen der sich aus ihnen ergebenden Schutzfunktion vorstellbar. Durch die Schutzfunktion ist der Gesetzgeber bzw der Richter angehalten, die Grundrechte auch im Verhältnis der Bürger untereinander, mittelbar wirken zu lassen. Darin ist nicht ein Maximalschutz im Sinne des klassischen Eingriffsverbotes und der klassischen Abwehrfunktion zu sehen, sondern die Notwendigkeit eines Minimalschutzes, dessen Verwirklichung dem einfachen Recht einen großen Gestaltungs- und Konkretisierungsspielraum zukommen lässt.

Die Privatautonomie beruht auf dem Prinzip der Selbstbestimmung und setzt daher auch die Notwendigkeit des Bestandes einer solchen freien Selbstbestimmung voraus.[1]) “Der Schutzauftrag der Verfassung besteht in der Gewährleistung von Selbstbestimmung, auf die die grundrechtlichen Freiheiten angelegt sind. Gerade deshalb äußert sich der staatlicherseits geschuldete Respekt vor der Freiheit grundsätzlich in der Anerkennung vertraglicher Bindung. Nur wenn und soweit es bei einem Vertragspartner an Selbstbestimmung fehlt, erfüllt der Zivilrichter die dann jenem gegenüber bestehende Schutzpflicht, indem er den Vertrag inhaltlich kontrolliert und übermäßig freiheitsbeschränkenden Regelungen die Anerkennung versagt.”[2])


[1]) BVerfG in NJW 1990, 1469 und 1470.
[2]) Hillgruber, Grundrechtsschutz im Vertragsrecht, AcP 191, 85.
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