
K O N T A K T

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© Dr. Christoph Paul Stock
2) Abhören und Mithören von Telefongesprächen
Das Hauptproblem der akustischen Überwachung von Arbeitnehmern liegt im Bereich der Telefongespräche. Eine Beeinträchtigung ist hier durch eine Aufnahme eines Telefongesprächs, durch das Abhören[1]) (zB Telefonkontrolle durch Mikrophonabhöranlagen oder andere technische Einrichtungen wie Nebenstellenapparate) bzw bloße Mithören (zB über eine Konferenzanlage) eines Gesprächs oder durch die Registrierung geführter Gespräche denkbar. Die Motivation des Arbeitgebers solche Kontrollmaßnahmen zu setzen, liegen auf der Hand. Er will entweder damit die ordnungsgemäße und kundenfreundliche Abwicklung seiner Weisungen überwachen bzw einer überdimensional hohen Telefonrechnung bedingt durch offensichtlich häufig geführte private Telefongespräche entgegenwirken.
Das Telefonat ist, bedingt durch den technischen Fortschritt, heute zu einem großen Teil an die Stelle des brieflichen Verkehrs getreten. Das Telefonat unterscheidet sich vom Brief, was die Nachrichtenübermittlung betrifft, nur in der technischen Ausgestaltung aber nicht in der juristischen Qualität.[2]) Dass der Staat den Inhalt eines Telefonats schützen will, also ein Fernmeldegeheimnis für notwendig erachtet, hat er in mehreren Bestimmungen vom Verwaltungsbereich über den Strafrechtsbereich bis hin zum Verfassungsrecht kundgetan. So verpflichtet § 17 des Fernmeldegesetzes die Beauftragten und Bediensteten der Post- und Telegraphenverwaltung, ferner solche Personen, die eine für den öffentlichen Verkehr bestimmte, nicht der Post- und Telegraphenverwaltung gehörenden Fernmeldeanlage bedienen oder beaufsichtigen, zur Geheimhaltung aller Mitteilungen, die auf den für den öffentlichen Verkehr bestimmten Fernmeldeanlagen befördert werden. Eine Strafbestimmung bei einer Zuwiderhandlung enthält § 25 FMG. Entsprechendes führt auch § 17 des Postgesetzes aus, der bestimmt: “Die mit postdienstlichen Verrichtungen betrauten Personen haben während und auch nach Beendigung ihrer Betrauung jede wie immer geartete Mitteilung über Postsendungen an andere Personen als den Absender oder Empfänger zu unterlassen, soweit nicht gesetzlich anderes bestimmt ist”. Aus diesen Bestimmungen geht hervor, dass Unbefugte keine technischen Möglichkeiten nützen dürfen, um Kontakte in Erfahrung zu bringen oder in Mitteilungen Einblick zu erlangen. Das Strafgesetzbuch führt in seinen §§ 119 und 120 die Delikte der “Verletzung des Fernmeldegeheimnisses” und des “Missbrauchs von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten” auf. Beide Bestimmungen verfolgen die Absicht, eine unbefugte Kenntnisnahme bestimmter Äußerungen eines anderen durch technische Hilfsmittel für sich selbst oder für einen Dritten zu unterbinden. In all diesen Bestimmungen kommt unverkennbar die vom Staat anerkannte Notwendigkeit zum Ausdruck, den einzelnen in seiner Persönlichkeit zu schützen.
Wie schon oben ausgeführt wurde, bergen besonders die Grundrechte wichtige Wertvorstellungen in sich, die auch Auskunft über die Wertigkeit persönlicher Rechtsgüter geben. Art 10 a StGG verbietet die Verletzung des Fernmeldegeheimnisses. Ein Eingriff in dieses Recht ist nur “in Gemäßheit der Gesetze” auf Grund eines richterlichen Befehls zulässig. Gegenstand des Fernmeldegeheimnisses sind “alle, nicht für die Öffentlichkeit bestimmten, im Wege des Fernmeldeverkehrs übermittelten Nachrichten oder Mitteilungen”[3]). Sicherlich ist es so, dass der Art 10 a StGG in erster Linie Nachrichten und Mitteilungen schützt und nicht ausdrücklich äußere “Gesprächsdaten”, wie sie in einem normalen, alltäglichen Telefonat in Mehrzahl auftreten. Trotzdem können aus den Daten und Umständen, die aus dem normalen Telefongespräch hervorgehen, tendenziell Rückschlüsse auf Nachrichten und Mitteilungen in jedem Fall gewonnen werden.[4]) Daher ist auch die behördliche Überwachung des Telefonverkehrs als “Eingriff” in den Art 10 a StGG zu werten.[5])
Art 8 MRK verbürgt die Achtung des Privat- und Familienlebens. Einen Bezug zum Briefgeheimnis stellt die Bestimmung selbst her, wenn in ihr ausformuliert ist: “Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs...”. Wie schon erwähnt spiegeln Briefverkehr und Fernmeldeverkehr dieselbe juristische Schutzwürdigkeit wieder.
Mit der Frage, warum ein Schutz des Telefonverkehrs nicht ausdrücklich in der Bestimmung enthalten ist, hat sich Reischauer intensiv auseinandergesetzt.[6]) Es ist in diesem Zusammenhang insbesondere darauf hinzuweisen, dass der Ausdruck “Briefverkehr” in der deutschen Übersetzung der Konvention zu eng ist. In der allein maßgeblichen englischen und französischen Fassung heißt es “respect for his correspondence” und “respect de la correspondance”. Die Ausdrücke “correspondence” und “corrispondance” sind wohl in einem weiteren Sinne als das Wort “Briefverkehr” zu verstehen. Sie beziehen sich auf alle Arten der Nachrichtenübermittlung, sei es auf privatem Weg oder durch die Post und umfassen daher im Besonderen den gesamten Postnachrichten- und Fernmeldeverkehr.[7]) In diesem Sinne ist vom OGH und dem EGM anerkannt, dass Telefonüberwachungen an den Maßstäben des Art 8 MRK zu messen sind.[8]) Will man ein normales Telefonat nicht unter den Schutz des Fernsprechgeheimnisses stellen, so bietet der anerkannte Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens einen Schutz.[9])
Auch die Bestimmungen aus dem Grundrechtsbereich weisen eindeutig darauf hin, dass der Fernmeldeverkehr im gleichen Ausmaß zu schützen ist wie der Briefverkehr, und er ein besonderer Ausdruck der Persönlichkeitsentfaltung ist. Dort, wo der einzelne wegen technischer Notwendigkeiten abgehört werden muss bzw kann (Post- und Telegrapheneinrichtungen), schafft der Gesetzgeber Bestimmungen zu seinem Schutz. Die Schutzbedürftigkeit erscheint aber im Arbeitsverhältnis genauso gegeben, ist doch der Arbeitnehmer in ein Abhängigkeitsverhältnis gezwängt, das für ihn nicht in wenigen Fällen dazu führt, dass er in Hinsicht auf die Gefahr seinen Arbeitsplatz verlieren zu können, auf eine zufriedenstellende menschenwürdige Arbeitsplatzgestaltung verzichtet und dadurch einen Teil seines Persönlichkeitsrechts aufgibt.[10]) Es besteht für den Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit, sich einer Kontrolle durch den Arbeitgeber zu entziehen, da im geschäftlichen Verkehr heute ohne Telefon nicht mehr gearbeitet werden kann. Daher ist der Arbeitnehmer gezwungen, das Telefon zu benützen. So kann er auf jeden Fall im geschäftlichen Telefonverkehr überwacht werden, der aber, wie noch gezeigt werden wird, Elemente aus dem Privatleben enthalten kann. In jenen Fällen, in denen das Führen von Privatgesprächen erlaubt ist, würde sich diese Erlaubtheit ad absurdum führen, wenn der Arbeitgeber die ganze Zeit befürchten müsste, abgehört zu werden, weil der einzige Ausweg, eine Persönlichkeitsverletzung zu verhindern, in einer Nichtbenützung des Telefons zu privaten Gesprächen gelegen wäre. Es wird erkennbar, dass der Arbeitnehmer der gleichen Willkür einer Kontrolle ausgesetzt ist, wie der Staatsbürger gegenüber der Kontrolle des Nachrichtenverkehrs durch den Staat. Diese Situation erzeugt einen Schutzbedarf, der dem Schutzmaximum der grundrechtlichen Absicherung entspricht. Eine Einschränkung ist nur dann denkbar, wenn dem Arbeitgeber ebenfalls schutzwürdige Interessen zugutekommen, da bei Privatrechtsverhältnissen im Unterschied zum Verhältnis zwischen Staat und Bürger Interessen abgewogen werden dürfen.
Um den wahren Inhalt des Persönlichkeitsrechts auf Achtung des Fernsprechgeheimnisses ergründen zu können, wird es aber nicht ausreichen, sich lediglich auf den Geheimhaltungsgedanken, der sich in den zitierten Rechtsbestimmungen herauskristallisiert hat, zu stützen. Viele Telefonate haben keinen objektiven Gehalt, der einer Geheimhaltung würdig oder bedürftig wäre. “Vielmehr geht es in Wahrheit auch um die freie und unbefangene zwischenmenschliche Beziehung, um die Intimität des Gedankenaustausches der einzelnen untereinander.”[11]) Diese Intimität kommt in der Art der Konversation und in der Form der Sprache zum Ausdruck. Dieser Aspekt weist wiederum besonders in die Richtung des Art 8 MRK.
Am Arbeitsplatz verwendet der Arbeitnehmer den Telefonanschluss des Arbeitgebers. Dieser Telefonanschluss gehört zu den Betriebseinrichtungen, deren pflegliche Behandlung der Arbeitgeber grundsätzlich kontrollieren kann, weil er an ihrem Funktionieren und Bestand ein hohes Interesse hat. Aus der Tatsache allein, dass jemand eine fremde Einrichtung benutzt, kann aber noch nicht abgeleitet werden, dass deren Besitzer das Recht hat, die damit geführten Gespräche zu kontrollieren.[12]) Denn auch dann, wenn jemand von einer öffentlichen oder zB nachbarlichen Anlage aus telefoniert, würde niemand auf die Idee kommen, eine Befugnis zur Kontrolle oder zum Mithören des Gesprächs zu haben.[13])
Hingegen wird man dem Anschluss Inhaber einer Telefonanlage zugestehen müssen, bestimmen zu können, wer, wann, wo und wie lange Gespräche führen darf. Die Motive dafür sind die Einsparung von Fernsprechgebühren, der Wunsch nach freien Leitungen und das Anliegen einer wirtschaftlichen Verwendung. Der Arbeitgeber kann jegliches Telefonat verbieten, er kann geschäftliche Gespräche erlauben und private verbieten, er kann auch private Ortsgespräche erlauben und private Ferngespräche verbieten.[14]) Es bringt zwar das Arbeitsverhältnis in seiner Ausgestaltung der Treue- und Fürsorgepflicht die Notwendigkeit mit sich, dass neben rein dienstlichen Gesprächen auch etwaige unbedingt notwendige private Gespräche geführt werden dürfen. Dies zB dann, wenn unaufschiebbare, besonders wichtige Mitteilungen des Arbeitnehmers an seine Angehörigen zu tätigen sind. Aber es geht nicht darum, ob der Arbeitnehmer überhaupt bzw in welchem Umfang er telefonieren darf, sondern es geht darum, in welcher Weise der Arbeitgeber die Einhaltung des vereinbarten bzw angeordneten Telefongebrauchs überwachen kann.
Hier ist nun das Interesse des Arbeitgebers gegen das Interesses des Arbeitnehmers abzuwägen. Eine unterschiedliche Interessenlage ergibt sich dann, wenn entweder nur geschäftliche Gespräche geführt werden dürfen oder geschäftliche und private Gespräche erlaubt sind. Denn das berechtigte Interesse eines Arbeitgebers an der geschäftlichen Abwicklung seiner Weisungen per Telefon wiegt natürlich ungleich schwerer als sein Interesse an einem privaten Gespräch, dessen Inhalt ihn überhaupt nichts angeht und nur hinsichtlich der Gesprächsdauer für ihn von Bedeutung sein kann. Denn geschäftliche Telefonate haben zumindest einen mittelbaren Zusammenhang mit dem erfolgreichen Abschluss von Geschäften, die wiederum unmittelbar Bedeutung für die vermögensrechtlichen Verhältnisse des Arbeitgebers haben.
Dem Arbeitgeber ist aber in allen Fällen ein Interesse daran zuzugestehen, überprüfen zu können, ob seine Anweisungen befolgt werden, weil sowohl durch anfallende überhöhte Telefonrechnungen, wie durch ungeschicktes Verhalten der Arbeitnehmer bei telefonischen Geschäftsabwicklungen vermögensmäßige Nachteile für den Arbeitgeber entstehen bzw zumindest entstehen können.[15])
Das Interesse des Arbeitnehmers liegt darin, sowohl bei Privatgesprächen wie auch bei geschäftlichen Gesprächen zumindest zu wissen, ob er abgehört wird oder nicht. Bei Privatgesprächen liegt dies auf der Hand, bei geschäftlichen Gesprächen wird man von folgenden Überlegungen ausgehen müssen. Es ist üblich, dass ein Arbeitgeber ein geschäftliches Gespräch seines Arbeitnehmers mithört. Dies deshalb, weil er sich gerade im Betätigungsbereich des Arbeitnehmers aufhält oder überhaupt mit dem Arbeitnehmer im selben Raum arbeitet, was dem normalen Erfordernis des Zusammenlebens am Arbeitsplatz oftmals entspricht. Nun könnte man argumentieren, dass der Arbeitgeber sohin die Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer sowieso zu kontrollieren und es daher keinen Unterschied macht, ob er seinem Arbeitnehmer beim Telefonat offensichtlich zuhört oder ihn heimlich abhört bzw eine heimliche Tonbandaufnahme anfertigt. Tatsache aber ist, dass sich ein Arbeitnehmer dann anders artikulieren wird, wenn er sich unbeobachtet glaubt. Dies hat weniger damit zu tun, dass er dann unhöflich, geschäftsschädlich und abfällig agiert, was sicherlich in keiner Weise schutzwürdig sein würde. Es hat mehr damit zu tun, dass sich der Arbeitnehmer befreiter fühlt, nicht dem seelischen Druck “gerade jetzt etwas falsch zu machen” ausgesetzt ist und eher seine ganz persönliche Art des Sich - Mitteilens entfalten kann.[16]) Hier könnte man an die besondere Art des gegenseitigen Umganges zweier Geschäftsfreunde denken, die im Normalfall bei Beobachtung ein gewisses Vokabular und gewisse nur ihnen eigentlich verständliche Formen der Sprache nicht verwenden würden.[17]) Ein solches Telefonat kann durchaus für den Arbeitgeber von Vorteil sein.[18]) Aus diesem Grund kann auch das heimliche Abhören von Geschäftsgesprächen einen Eingriff in die Privatsphäre des Arbeitnehmers bedeuten. Daher kann man nicht davon ausgehen, dass bei einem Verbot privater Gespräche ein heimliches Abhören grundsätzlich erlaubt ist.
Jetzt gilt es zu klären, welches Interesse stärker wiegt. Wie gezeigt, wird die Schutzwürdigkeit der Arbeitnehmerinteressen nicht nur durch einfachgesetzliche Bestimmungen des Verwaltungs- und Strafrechts dokumentiert, sondern zusätzlich durch die Wertgehalte der Grund- und Freiheitsrechte bezüglich der Achtung des Nachrichtenverkehrs bestätigt, die im vorliegenden Gewaltverhältnis in ihrem Schutzmaximum auf das Verhältnis inter privatos einwirken.
Das Arbeitgeberinteresse ist in seiner Gesamtheit als merkantiles Interesse zu bezeichnen. Dieses merkantile Interesse spiegelt sich in den Vermögensverhältnissen des Arbeitgebers wieder. Dass die Vermögensverhältnisse einer Person zu achten sind, wird aus einer Vielzahl strafrechtlicher und zivilrechtlicher Bestimmungen ersichtlich, die insbesondere das Eigentum schützen. Dabei ist Vorsicht geboten, in welchem Sinne Eigentum verstanden wird. Versteht man Eigentum in einem weiteren Sinne, zählt man alle körperlichen und unkörperlichen Sachen einer Person zu ihm.[19]) In diesem Sinne decken sich Vermögen und Eigentum, da alle denkbaren Rechtspositionen diesem weiten Eigentumsbegriff unterfallen. Dazu sind Herrschaftsrechte an körperlichen Sachen (dingliche Rechte), Immaterialgüterrechte und Forderungen zu zählen.[20]) Dieser Weg der Betrachtung führt aber hinsichtlich des ABGB zu keinem Erfolg, da die Gleichstellung des Eigentums an körperlichen und unkörperlichen Sachen keineswegs in vollem Umfang durchgeführt ist. Die Lehre geht daher auch von einer Unterscheidung zwischen Eigentum im engeren und weiteren Sinne aus, die durchaus verschiedenen Charakter haben.[21]) Bei der vorbeugenden Kontrolle der Benutzung von Telefonanschlüssen durch den Arbeitgeber steht daher im ABGB nicht der Eigentumsschutzgedanke mit seiner absoluten Wirkung gegen jedermann im Vordergrund, sondern der Gedanke der Verhinderung eines Schadens, der sich aus einem exzessiven Missbrauch der erlaubten Telefonbenützung ergeben kann und ein subjektives Forderungsrecht entstehen lässt. Dieses Forderungsrecht entspringt der Bereicherung, die dem Arbeitnehmer, entgegen der von der Rechtsordnung vorgenommenen Zuweisung, einen Vorteil vermögensrechtlicher Natur bringt und eine ungerechtfertigte Vermögensverschiebung bedingt.
Der subjektive Anspruch des Arbeitgebers nach § 1041 ABGB steht so gesehen dem absoluten Recht des Arbeitnehmers aus dem “allgemeinen Persönlichkeitsrecht” gegenüber.[22]) Darin kann schon tendenziell ein geringerer Achtungsanspruch der gefährdeten Vermögenswerte des Arbeitgebers erkannt werden. Diese Tendenz setzt sich auch im Strafrecht fort, wo das einzige Delikt, unter dessen Tatbestand der unbefugte Gebrauch des Telefons des Arbeitgebers für Privatgespräche subsumiert werden könnte, nämlich das Delikt der “Entziehung von Energie”, nicht zur Anwendung kommt.[23])
Der Beitritt Österreichs zur MRK hat hinsichtlich des Vermögensschutzes eine Bestätigung eines weitläufigen grundrechtlichen Schutzumfanges gebracht. So wurde durch die Übernahme des Art 1 des 1. Zusatzprotokolls[24]) zur Konvention in das österreichische Verfassungsrecht ein Schritt getan, der weitläufige Auswirkungen nicht nur für das Eigentum im engeren Sinn sondern für die gesamte Vermögenssphäre des Staatsbürgers hat. Anstelle eines bestimmten Rechtes wird nämlich hier eine ganze Gruppe von Rechten geschützt, denen nur das eine Merkmal gemeinsam ist, dass sie der Vermögenssphäre angehören. Das ergibt sich sehr klar aus den maßgeblichen französischen und englischen Formulierungen. So spricht der französische Text vom “droit au respect de ses biens”, der englische Text von “peaceful enjoyment of his possessions”. Für das Schutzobjekt wird die Mehrzahl verwendet. Die Wiedergabe dieser Ausdrücke im deutschen Text mit den Worten “Recht auf Achtung des Eigentums” ist daher äußerst ungenau. Das Eigentum muss in einem viel weiteren Sinne als im ABGB verstanden werden. Zu diesem umfangreichen Eigentumsbegriff zählen das Eigentum und andere dingliche Rechte an unbeweglichen und beweglichen Gütern, obligatorische Rechte, Gesellschaftsrechte, Immaterialgüterrechte, Betriebe und Unternehmen, aber auch öffentlich - rechtliche Ansprüche und Befugnisse vermögenswerter Art, wie Rentenansprüche, Gewerbeberechtigungen und andere Befugnisse, welche zur Berufsausübung berechtigen. Dieser ausgedehnte Eigentumsbegriff ist dem Vermögensbegriff gleichzusetzen.
Der Anspruch auf Achtung des Eigentums bedeutet daher hier Achtung des Vermögens.[25]) Es muss aber auch klargelegt werden, dass der VfGH in ständiger Rechtsprechung unter Eigentum im Sinne des Art 5 StGG jedes private Vermögensrecht versteht[26]) bzw jedes vermögenswerte Privatrecht[27])und damit auch durch Art 5 StGG ein weiterer Eigentumsbegriff geschützt wird, als dies in Berücksichtigung der Institutsgarantien des ABGB der Fall ist.[28])
Für unser konkretes Problem bedeutet dieser weitläufige Schutz des Eigentums, dass das vermögensrechtliche Interesse des Arbeitgebers auf Überwachung des Telefonverkehrs seiner Arbeitgeber grundsätzlich durch Wertgehalte in der Verfassung geschützt wird. Denn aus Art 1 des 1. Zusatzprotokolls der MRK lässt sich eine institutionelle Garantie[29]) über das Privatvermögen überhaupt ableiten. Kraft dieser institutionellen Garantie dürfen solche Sachbereiche der Dispositionsbefugnis des einzelnen nicht entzogen werden, die zum elementaren Stand einer freiheitlichen, auf dem Privateigentum beruhenden Ordnung gehören.
Zur Frage des Schutzgebotes ist auszuführen, dass der Arbeitgeber im Machtverhältnis zwischen Arbeitgeberseite und Arbeitnehmerseite so lange keinen Schutz verdient, als er seine Machtposition dem Arbeitnehmer gegenüber ausüben kann. Ab jenem Zeitpunkt aber, ab dem man die persönlichkeitsrechtliche Position des Arbeitnehmers durch die Anerkennung eines Persönlichkeitsrechtes schützt, wird die Machtposition des Arbeitgebers im konkreten Fall beseitigt, ja umgekehrt eine rechtlich legitimierte Eingriffsmöglichkeit in die Interessensphäre des Arbeitgebers unter Umständen ermöglicht. Die Parität zwischen den Privatrechtssubjekten ist abermals gestört und lässt die Schutzgebotsfunktion der Grundrechte auch auf der Seite des Arbeitgebers aktiv werden. Dieses Ergebnis entspricht auch der Forderung von Rechtsprechung und Lehre, im vorliegenden Fall eine Interessenabwägung durchzuführen. Eine solche Interessenabwägung versucht ja gerade die Funktion der fehlenden Parität, hervorgerufen durch eine machtmäßige Ungleichgewichtung zwischen den Parteien, zu substituieren. Dabei darf kein unbegründbares neues Machtgefälle entstehen.
Doch ist das Schutzgebot im konkreten Falle anders zu beurteilen als im Verhältnis zwischen Staat und Bürger, als es für den Arbeitgeber Möglichkeiten gibt, der Verletzung seiner Interessen aus dem Weg zu gehen. Ein solches Ausweichen ist, wie gezeigt werden wird, durch technische Einrichtungen möglich. Die Schutzwürdigkeit der Wertgehalte wird daher im konkreten Fall gemindert. Der starre Wertgehalt des betroffenen Grundrechts wird aufgebrochen und abgeschwächt, was der Befolgung eines privatrechtlichen Prinzips und damit der Anwendung eines privatrechtlichen Instrumentariums zur Konfliktlösung – dem Ausweichprinzip – entspricht. Es darf hier auch noch angeführt werden, dass ein heimliches Abhören des Arbeitnehmers, zwar der Verfolgung eines schutzwürdigen Interesses dient, aber in einer arglistigen Weise mit zusätzlicher Missachtung fremder Interessen geschieht, was zu einer weiteren Abschwächung des Arbeitgeberinteresses führt, weil jedes Streben einer Person nach Gütern und Werten eine Rücksichtnahme auf Interessen anderer Personen verlangt, was bei einem arglistigen Vorgehen nicht mehr der Fall ist.[30])
Nach diesen Betrachtungen wird ersichtlich, dass das merkantile Interesse des Arbeitgebers schwächer ist als das Interesse auf Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers.[31])
Diese Erkenntnis entspricht auch der Annahme, dass nach unserer Kulturauffassung zwischen materiellen, kulturellen und sittlichen Werten ein aufsteigendes Rangverhältnis besteht.[32]) Das Persönlichkeitsrecht wird aber das Interesse des Arbeitgebers an einer Kontrolle der Telefonbenützung nicht vollends überlagern können. Auch Güter mit schwächerer Wertposition sind so weit dies möglich ist, ohne das höherwertige Gut zu beeinträchtigen, zu beachten. In jedem Fall ist aber das geeignetste und schonendste Mittel zur Lösung des Konfliktes heranzuziehen.[33])
Eine Lösung kann also darin gefunden werden, dass sich der Arbeitgeber gegen überhöhte Fernsprechgebühren durch die Einschränkung des Selbstwählverkehrs auf das Ortsgebiet durch technische Einrichtungen behilft, oder Gespräche überhaupt nur über die Hausvermittlung ermöglicht. Sollten die hier notwendigen technischen Einrichtungen[34]) auf Grund ihrer Kosten nicht im wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zum Kontrollerfolg stehen, bin ich im Gegensatz zu Wiese[35]) der Meinung, dass auch dann eine grenzenlose Abhörung unter der generellen Information, dass abgehört wird, nicht erlaubt sein darf,[36]) weil das merkantile Interesse des Arbeitgebers geringer ist als das Interesse des Arbeitnehmers. Man wird im Fall nur geschäftlich erlaubter Telefonate auch die Installierung einer Mithöranlage akzeptieren können, durch die dem Arbeitnehmer offensichtlich kundgetan wird, dass er nun kontrolliert wird.[37]) Dies würde der Situation entsprechen, wenn der Arbeitgeber den Raum des Arbeitnehmers während eines Telefonats betritt.[38]) Sollten auch Privatgespräche erlaubt sein, ist auch eine Verwendung einer solchen Mithöranlage abzulehnen, außer der Arbeitgeber benützt sie nur soweit, um nachzufragen, ob ein Gespräch geschäftlich oder privat ist. Im Falle eines Privatgespräches hat er auf jeden Fall das Gerät abzuschalten, außer er fordert in den engen Grenzen seiner Fürsorgepflicht die Gesprächspartner auf, das Gespräch zu beenden.[39]) All diese Lösungsansätze entsprechen dem Ausweichprinzip. Auszuweichen hat im vorliegenden Fall der Arbeitgeber, weil es nur ihm gestattet und möglich ist, entsprechende technische Einrichtungen installieren zu lassen.
Ein heimliches Abhören wird man ausnahmsweise dann gestatten können, “wenn nach allgemeinen Regeln der Güterabwägung die Rechtsordnung Interessen des DG (Arbeitgebers) höher bewertet als das gegenständliche Persönlichkeitsrecht”[40]). Dies ist im Falle einer Betriebsspionage denkbar, wenn es glaubwürdige Hinweise dafür gibt, dass ein bestimmter Arbeitnehmer in den Spionagefall verwickelt ist. Hier wird das Arbeitgeberinteresse dadurch verstärkt, dass nicht nur geringe Vermögenspositionen gefährdet werden, wie dies bei überhöhten Telefonrechnungen der Fall ist, sondern unter Umständen die gesamte Existenzgrundlage des Arbeitgebers gefährdet sein kann. Das Arbeitnehmerinteresse wird dadurch verringert, dass er die Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber verletzt. Auch strafrechtliche Bestimmungen zeigen den Unwert von Spionagehandlungen in den Bestimmungen der §§ 122 bis 124 (Verletzung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses; Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses und Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses zugunsten des Auslandes) auf. Die Abhörung darf natürlich nur gerade den Arbeitnehmer betreffen, gegen den ein begründeter Verdacht der Spionagetätigkeit besteht.
Diesen Ausführungen folgend lässt sich auch die Frage recht einfach beantworten, ob das bloße Mithorchen zB mittels einer Konferenzschaltung, einer Ohranlage an den Telefonhörern, mittels Tonverstärker oder Zweithörers, wie es heute im wirtschaftlichen Bereich gang und gäbe ist, dem Persönlichkeitsrecht widerspricht. Auch hier muss demjenigen, dem zugehört wird, erkennbar gemacht werden, dass er nicht nur von einer Person gehört wird. Es geht hier wiederum weniger um die Beeinträchtigung des Rechts an der Privat- und Geheimsphäre, sondern vielmehr darum, wem die Stimme in ihrer besonderen persönlichkeitsrechtlichen Bedeutung zugänglich wird.[41]) Damit ist dem Interesse an Konferenzschaltungen Rechnung getragen und auch dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen Genüge getan.[42])