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© Dr. Christoph Paul Stock

 

3) Die Registrierung von Telefongesprächen

 

Ein weiteres Problem ist im Bereich der Registrierung von Telefongesprächen zu sehen. Elektronische Telefongesprächsregistrierungsanlagen[1]), die den Zweck haben, Telefonkosten den einzelnen Nebenstellen genau zuzuordnen und damit unerlaubte  Privatgespräche zu eruieren, können hier als anschauliches Beispiel verwendet werden. Auch rationelle Einsparungsmaßnahmen des Arbeitgebers haben hier besondere Bedeutung. Die persönlichkeitsrechtliche Problematik ist ähnlich wie in den vorherigen Fällen, wobei es insbesondere um die Geheimhaltung von Daten geht, also mehr um die Bewahrung der Geheimsphäre als um den Schutz des stimmlichen Ausdrucks. Die positiv bestehenden Normen, die zur Ausfüllung des Persönlichkeitsrechts notwendig sind, bleiben dieselben. Wir wollen dieses Problem vorerst allgemein aus der Sicht des Persönlichkeitsrechts beurteilen und dann kurz auf den Datenschutz eingehen.

Das Interesse des Arbeitgebers eine Registrierung durchzuführen, liegt darin, den Privatgesprächsverkehr einzudämmen bzw einen belegbaren Nachweis für die Verrechnung von Privatgesprächen zu haben. Eine Registrierung bedingt eine Festhaltung des verwendeten Telefonapparates, der gewählten Telefonnummer und der Dauer des Gespräches. Durch eine solche Speicherung wird es aber für den Arbeitgeber möglich, festzustellen, mit wem, wie oft, und wie lange der Arbeitnehmer privat gesprochen hat.[2]) Eine solche Registrierung greift in die Privat- und Geheimsphäre des Arbeitnehmers ein, der durch einen solchen Eingriff bei jedem Telefonat im Betrieb das Gefühl der permanenten Kontrolle verspüren muss.[3])

 

 

 

 

 

 

Dabei kommt es nicht darauf an, ob durch die installierte Anlage eine Überwachung beabsichtigt ist, sondern es kommt darauf an, ob die Anlage objektiv zur Überwachung geeignet ist.[4]) Das Interesse des Arbeitnehmers liegt daher darin, ohne Kontrolle telefonieren zu können. Dies wird durch den Wertgehalt des Art 8 MRK, der das Privatleben schützt, verdeutlicht. Diese Bestimmung beinhaltet das generelle Verbot, in einen bestimmten Lebensbereich des Menschen einzugreifen. Die Privatsphäre soll gegenüber der Außenwelt in einer Weise abgeschirmt werden, dass jedem die Möglichkeit gegeben ist, mit sich selbst allein zu sein. Muss der Arbeitnehmer eine Kontrolle durch Registrierung befürchten, wird ihm die Möglichkeit genommen, während seiner beruflichen Tätigkeit sein Privatleben durch private Kontakte mittels Telefonaten frei zu gestalten. Eine Beeinträchtigung kann aber nur in jenen Fällen gegeben sein, wenn es dem Arbeitnehmer erlaubt ist, vom Arbeitsplatz aus private Gespräche zu führen und ihm damit eine Entfaltungsmöglichkeit des Privatlebens eingeräumt wurde.

Das sich aus dem Grundrecht ergebende Schutzgebot ist in diesem Fall nicht nur hinsichtlich der Frage zu beurteilen, ob der Arbeitnehmer der Beeinträchtigung seiner Privatsphäre ausweichen kann, sondern auch hinsichtlich der Frage, ob der Wesensgehalt des Grundrechts berührt ist. Der ersten Überlegung folgend müsste man nämlich annehmen, dass der Maximalschutz des Grundrechts zur Anwendung kommt, weil der Arbeitnehmer der Willkür des Arbeitgebers ausgesetzt ist, will er von der ihm zugestandenen Entfaltungsmöglichkeit des Privatlebens Gebrauch machen. Eine zweite Beurteilung nach dem Wesensgehalt ist aber notwendig, weil auch Wertgehalte unterschiedliche Gewichtung entfalten, je nachdem, mit welchem Intensitätsgrad ihr Kerngehalt im sachlichen Zusammenhang berührt wird.   Die Registrierung verletzt nicht den Kernbereich des grundrechtlichen Wertgehalts sondern nur den Randbereich.  Das hängt damit zusammen, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt seiner Persönlichkeitsentfaltung sich nicht unmittelbar beobachtet fühlt und sich daher verhalten und artikulieren kann, wie er will. Trotzdem handelt es sich um eine mittelbare Berührung, weil er weiß, dass sein Privatgespräch später registriert, aufscheinen wird. Die Eingriffsintensität ist daher geringer als beim Abhören von Telefongesprächen. Aus diesem Grund entfaltet zwar im sachlichen Zusammenhang der grundrechtliche Wertgehalt seine Wirkung, da durch die Ungleichgewichtung der Parteien eine Schutznotwendigkeit festgestellt werden kann, darf aber in den Grenzen der Privatautonomie beschränkt werden. Da in der Rechtsordnung aber keine Anhaltspunkte dafür zu finden sind, dass eine Registrierung von privaten Telefongesprächen sittlich verwerflich wäre, kann durch Einwilligung des Arbeitnehmers der Persönlichkeitsschutz aufgehoben werden. Daher wird man im Fall der Registrierung einen abdingbaren, hingegen bei der Abhörung einen unabdingbaren Persönlichkeitsschutz zur Beurteilung vor sich haben.[5]) Die Wirksamkeit der Einwilligung hängt also vom Grad des Machtunterschiedes zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und der Intensität des Eingriffes in den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts ab.[6]) Bei Fehlen einer Einwilligung liegt ein Schutzbedarf des Persönlichkeitsrechts vor, der aber geringer zu bewerten ist, als jener Schutzbedarf, der sich bei der Abhörung von Telefongesprächen ergibt.

Das Interesse des Arbeitgebers an einer Registrierung ist nach folgenden Gesichtspunkten zu beurteilen. Man kann generell feststellen, dass eine Nachforschung über die registrierten Daten recht schwierig ist. Eine Nachkontrolle beim Gesprächspartner des Arbeitnehmers wird kaum Erfolg haben, weil derjenige nicht verpflichtet ist, Auskünfte über die Art des Gespräches zu geben, ja sogar selbst in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt würde, wenn sein Telefonkontakt ohne Zustimmung registriert würde. Eine Festhaltung der Dauer des Gespräches ist nicht notwendig, denn zu ihrer Erhebung genügt schon die Installierung eines Impulszählers am Nebenstellengerät. Aus diesen Gründen erscheint das Interesse des Arbeitgebers an einer Registrierung aus objektiver Sicht gering, weil die Verwendung einer Registrierungsanlage kein geeignetes Mittel zur Erlangung des angestrebten Ziels ist.

 

 

 

Da aber nach allgemeinen Grundsätzen der Konfliktlösung Interessen eines anderen nur unter Heranziehung des schonendsten und geeignetsten Mittels beschränkt werden dürfen[7]), ist festzustellen, dass  Telefonregistrierungsanlagen diesem Anspruch nicht gerecht werden und das Persönlichkeitsrecht verletzen. Eine weitergehende Prüfung, welches Interesse nun stärker wiegt, kann aus diesem Grund unterbleiben.

Aus diesen Ausführungen folgt, dass der Arbeitgeber bezüglich der Frage, ob ein Telefongespräch privat oder geschäftlich ist, sich auf die Aufrichtigkeit des Arbeitnehmers verlassen wird müssen.[8]) Daher würde hier die Anmeldung eines Gespräches bei der Hausvermittlung als “privat” genügen. Die Kosten dafür können dann über einen Intervallzähler ermittelt werden. Man sieht also, dass eine Telefongesprächsregistrierungsanlage ihren eigentlichen Zweck verfehlt und ungeeignet ist, die anstehenden Probleme angesichts der Gefahr einer Persönlichkeitsverletzung zu lösen.

Ohne Zweifel ist der Datenschutz aufs engste mit dem Persönlichkeitsschutz verbunden, beschäftigt er sich doch mit personenbezogenen Daten, deren Schutz die Integrität und das Ansehen einer Person entscheidend bestimmen kann. Dieser besonderen persönlichkeitsrechtlichen Bedeutung wurde durch die Verleihung einer ausdrücklichen Drittwirkung an das “Grundrecht auf Datenschutz” Rechnung getragen. Das Grundrecht auf Datenschutz bestimmt in § 1 Abs 1, dass jedermann Anspruch auf die “Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten hat, soweit er daran ein schutzwürdiges Interesse, insbesondere im Hinblick auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, hat”. Der § 1 Abs 2 bestimmt, dass eine Beschränkung nur zur Wahrung berechtigter anderer Interessen oder auf Grund von Gesetzen zulässig ist. Es werden hier zwei Dinge erkennbar: erstens, dass das Grundrecht auf Datenschutz dort Bedeutung hat, wo Telefongespräche datenmäßig registriert werden und zweitens, dass die Legitimität einer solchen Registrierung eine Abwägung der aufeinanderprallenden Interessen verlangt. Damit folgt das Datenschutzgesetz dem gleichen Weg, nämlich dem der Interessenabwägung, den die Rechtsprechung und Lehre bei der Beurteilung von Persönlichkeitsrechten im allgemeinen beschreitet und der gerade oben erörtert wurde.

Für die Zulässigkeit der Ermittlung und Verarbeitung von Daten bestimmt § 17 DSG, dass “Inhalt und Zweck der Datenverarbeitung” in einem berechtigten Zweck gedeckt sein müssen, “und hierbei schutzwürdige Interessen des Betroffenen, insbesondere im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, nicht verletzt werden”. Die auch im DSG verlangte Interessenabwägung hat also in unserem Fall zwischen dem Persönlichkeitsrecht und dem “berechtigten Zweck” einer Datenverarbeitung zu erfolgen. Berechtigt kann eine Datenverarbeitung durch die Registrierung äußerer Gesprächsdaten im Telefonverkehr nur dann sein, wenn durch sie das Interesse des Arbeitgebers auf Einschränkung der Telefonkosten in befriedigender Weise erreicht werden kann. Dass durch eine Telefongesprächsregistrierungsanlage aber nur sehr begrenzt dieses Ziel erreicht wird, wurde schon oben gezeigt. Aus diesem Grund ist unter besonderer Berücksichtigung der hohen Wertigkeit des persönlichkeitsrechtlichen Aspekts auf Datenschutz das Fehlen eines berechtigten Zwecks zur Datenverarbeitung zu attestieren und festzustellen, dass das schon im Zuge der Interessenabwägung zu den zivilrechtlichen Generalklauseln gefundene Ergebnis durch das Datenschutzrecht bestätigt wird.[9])


[1]) Das EA Linz hat in seiner Entscheidung vom 19. Dezember 1985, Arb 10.481, festgestellt, dass die Installation eines Gebührencomputers, der es dem Arbeitgeber ermöglicht, festzustellen, von welcher Nebenstelle, wann und wie lange telefoniert wurde und wieviel das einzelne Gespräch gekostet hat, als Kontrollmaßnahme anzusehen ist. Vgl auch ZAS 1986, 171; EA Wien V, Re 507/82, 20. 6. 1983; ZAS 1983, 201 = ARD 3516/11/83 = RdW 1983, 22; Arb 10.571 = RdW 1987, 382; Arb 9534, 9477, 9397.
[2]) Es wird hier auch sehr klar ersichtlich, dass es besonders wichtig ist, zu untersuchen, welche Möglichkeiten der Kontrolle und Überprüfung eine bestimmte Telefonregistrierungsanlage bietet. Die einzelnen technischen Details können durchaus für die Bestimmung der Erlaubtheit und Unerlaubtheit einer Anlage ausschlaggebend sein.
[3]) In einer Entscheidung des EA Wien vom 20. Juni 1983, Arb 10.238 wird ausgeführt, dass die Menschenwürde durch eine Telefongesprächsregistrierungsanlage dann berührt wird, wenn die Kontrollmaßnahmen (das System) im davon betroffenen Arbeitnehmer das dauernde Gefühl einer potentiellen Überwachung entstehen lässt.
[4]) vgl zur Problematik des “Gefühls einer potentiellen Überwachung” Arb 10.571 = RdW 1987, 382; Arb 10.481, 10.238; Weiters hat der VwGH in drei Entscheidungen, 11. 11. 1987, 87/01/0034 = ARD 3951/11/88; 13. 1. 1988, 87/01/0033 = ARD 3988/22/88 und 9. 11. 1988, 86/01/0069 = ARD 4069/7/89, in denen er sich mit der Mitbestimmungspflichtigkeit bei Telefonregistrierungsanlagen im Sinne des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG vorrangig auseinandergesetzt hat, zusätzlich ausgesprochen, dass das Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers erst dann verletzt sei, wenn die duch die Anlage ermittelten Daten dem einzelenen Arbeitnehmer zugeordnet werden könnten. Dies bestätigt die hier vertretene Ansicht. Auf die kollektivrechtliche Problematik, dass sich der VwGH gegen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Einführung von Telefonregistrierungsanlagen in diesen drei Entscheidungen ausgesprochen hat, soll wegen ihrer kollektivrechtlichen Bedeutung kein Augenmerk gelegt werden. Vgl aber weitere Ausführungen in EDVuR 1986/2, 32 und EDVuR 1989/2, 68.
[5]) Funk - Krejci - Schwarz, Zur Registrierung von Ferngesprächsdaten durch den Dienstgeber, DRdA 1984, 291.
[6]) Zu diesem Problem hat das EA Amstetten in seiner Entscheidung vom 8. 7. 1986, Arb 10.576, ausgeführt, dass bei Einrichtung und Verwendung einer elektronischen Telefongesprächsregistrieranlage, bei der jeder Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, Privatgespräche zu führen, bei denen die Registrierung der angerufenen Telefonnummern unterbleibt, keine Möglichkeit besteht, Gespräche abzuhören oder sonst von ihrem Inhalt Kenntnis zu erlangen, im Regelfall auch nicht die Möglichkeit besteht, ein Telefonat einem bestimmten Arbeitnehmer, sondern nur einer (anonymen) Nebenstelle zuzuordnen, und ausschließlich solche Daten (Gebührenhöhe, Datum, Uhrzeit) registriert und ausgedruckt werden, an deren Geheimhaltung die Arbeitnehmer gar kein Interesse haben, während sie für den Arbeitgeber aus Kostengründen von erheblichen Interesse sind, zwar eine Kontrollmaßnahme darstellt, jedoch in keiner Weise die Menschenwürde der von ihr betroffenen Arbeitnehmer berührt. Vgl auch Arb 10.571 = RdW 1987, 382; 10.481, 9534, 9477 und 9397.
[7]) vgl III. Teil, 2. Kapitel, C) cf) 3).
[8]) EDVuR 1989/2, 69.
[9]) Funk - Krejci - Schwarz, Zur Registrierung von Ferngesprächsdaten durch den Dienstgeber, DRdA 1984, 295.
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