top of page
Lebensurbild%20Muster5_edited_edited.png

Gesamte Inhalte:

© Dr. Christoph Paul Stock

 

ab) Optische Kontrollen

 

Eine optische Überwachung[1]) ist in vielfältiger Weise denkbar. Grob schematisierend lässt sich eine Unterscheidung der bildlichen Darstellung je nach dem erreichen, ob diese nun filmisch fixiert wird, oder per Fernsehbild direkt zur Übertragung kommt. Wie aber schon bei der Untersuchung der akustischen Kontrolle augenscheinlich wurde – dort ist als Pendant zur hier vertretenen Schematisierung der Unterschied zwischen einer Aufnahme des Gesprächs auf Tonband und einer bloßen Abhörung eines Telefongesprächs zu sehen – scheinen beide Eingriffe in durchaus gleicher Weise persönlichkeitsrechtlich bedenklich zu sein, weil der Kontrollierte in beiden Fällen dem psychischen Druck permanenter Überwachung ausgesetzt ist. Schon eher bedeutsam erscheint eine Unterscheidung nach dem Kriterium, ob durch die optische Kontrolle offensichtlich ein maschinell bedingter Ablauf kontrolliert wird, also das Funktionieren einer Maschine im Interessenmittelpunkt der Überwachung steht, oder ob das “einwandfreie Funktionieren” eines Arbeitnehmers Ziel der Überwachung ist.

Vorerst bleibt zu klären, worauf sich ein Persönlichkeitsrecht auf optisch unkontrollierte Arbeitsleistung stützt. Der österreichische Gesetzgeber hat im § 78 des Urheberrechtsgesetzes im Sinne eines besonderen Persönlichkeitsrechts ein “Recht am eigenen Bild” konstruiert, durch das ein Schutz der bildlichen Intimität des einzelnen gegenüber der Öffentlichkeit erreicht werden soll. Nach dieser Bestimmung dürfen Bildnisse von Personen ohne ihre Einwilligung “weder öffentlich ausgestellt noch auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten ... verletzt werden”. Der Arbeitnehmer ist aber nur in äußerst seltenen Fällen der Gefahr ausgesetzt, in seiner Intimität gegenüber der Öffentlichkeit bloßgestellt zu werden. Dies ist zB vorstellbar, wenn sein Verhalten als tadelnswürdig anderen Arbeitnehmern zwecks Abschreckung durch Abspielung der gemachten Filmaufnahmen gezeigt wird, oder jemand in einem Beruf tätig ist, der die Veröffentlichung von Fotos und Filmen zum Inhalt hat. Im ersten Fall würde der Arbeitnehmer durch § 78 UrhG geschützt, im zweiten Fall kann auf einen Schutz verzichtet werden[2]), weil  schon die Einwilligung in die Tendenz durch den Antritt eines solchen Berufes eine Persönlichkeitsverletzung ausschließt.[3]) Dies ergibt sich aus dem Grundsatz, dass derjenige, der sein Rechtsgut selbst preisgibt, des Schutzes durch die Rechtsordnung nicht bedarf: “Volenti non fit inuria”. Ausnahmen können bestehen, wenn der Einwilligende durch ein Machtverhältnis zur Einwilligung gedrängt wurde, oder hinsichtlich der Grenzen der Privatautonomie die Einwilligung als ein Verstoß gegen die Rechtsordnung insbesondere der Sittenordnung zu werten ist. Hinsichtlich des ersten Gesichtspunktes kann ausgeführt werden, dass man im Zeitpunkt des Abschlusses eines Arbeitsvertrages keinem besonderen Machtverhältnis ausgesetzt ist. Denn die Nichteinwilligung würde im schlimmsten Falle eine Verhinderung des Vertragsabschlusses bedeuten, was für den Arbeitssuchenden keine Verschlechterung seiner Situation mit sich bringt, sondern lediglich die momentanen Verhältnisse bestehen lässt. Aus diesem Grund ist eine Schutzgebotsfunktion der Grundrechte in einem solchen Fall abzulehnen. Hinsichtlich des zweiten Gesichtspunktes ist zu erwähnen, dass Lehre und Rechtsprechung keine Verletzung der sittlichen Ordnung darin sehen, dass jemand freiwillig sein “Recht am eigenen Bild” aufgibt. Hier kann das Beispiel des Politikers angeführt werden, der durch sein häufiges Auftreten in der Öffentlichkeit seinen Anspruch auf Schutz seines eigenen Bildes verliert.

Wenn die Rechtsordnung schon bei einer faktischen Zurückstellung eigener Interessen die Schutzwürdigkeit verneint, wird das erst recht im Zusammenhang mit einer ausdrücklichen oder konkludenten vertraglichen Vereinbarung der Fall sein.[4])

Im Normalfall ist ein Arbeitnehmer aber im Betrieb ohnehin bekannt, es wird daher durch die Kontrolle sein Privatleben der Öffentlichkeit nicht preisgegeben und sein Bild nicht zu einer Entwürdigung oder Herabsetzung verwendet. Das sind aber genau jene Eingriffe, die das Gesetz verhindern will.[5]) Hier wird offenbar, wie wenig die besonderen Persönlichkeitsrechte in der praktischen Anwendung zu leisten vermögen. Das “Recht am eigenen Bild” ist zur Lösung dieses Problembereiches beinahe nutzlos.

Soweit die positiv umschriebenen Persönlichkeitsrechte keine ausreichende Lösung des Problems zulassen, muss versucht werden, das “allgemeine Persönlichkeitsrecht” durch andere Instrumentarien zu bestimmen. Einen wertmäßigen Ansatzpunkt bietet hier Art 8 MRK, der das Privatleben schützt. Aber Art 8 MRK tangiert nur wenige Teilbereiche. Es handelt sich um jene Bereiche, die als Privatsphäre bezeichnet werden können. Denn Art 8 MRK beinhaltet das Verbot, in einen bestimmten Lebensbereich des Menschen einzugreifen. Die Privatsphäre soll gegenüber der Außenwelt abgeschirmt werden und jedem die Möglichkeit bieten, mit sich selbst allein zu sein. Sachlich sind solche Situationen nur im Zusammenhang mit der Gestaltung der betrieblichen Freizeit und aus menschlichen Gründen notwendig gewordene Arbeitsunterbrechungen gegeben.[6]) Optische Kontrollen des Freizeitverhaltens, der Waschräume und Toiletteneinrichtungen sind daher absolut unzulässig[7]), weil in diesen Fällen der Arbeitnehmer den Kontrollmaßnahmen nicht aus dem Weg gehen kann – Toiletten muss eben jeder benutzen – und diese Sphäre mit dem eigentlichen Betriebsbereich nichts mehr zu tun hat, sondern ausschließlich für die Entfaltung persönlicher Bedürfnisse da ist, bei deren Beeinträchtigung der Wesensgehalt des Privatlebens verletzt wird. Das Schutzgebot des Grundrechts entfaltet in diesen Fällen seinen maximalen Schutzgehalt.

Für einen Großteil der persönlichkeitsrechtlichen Gefährdungslagen aus optischer Kontrolle kann ein Lösungsansatz aus § 78 UrhG und Art 8 MRK nicht abgeleitet werden. Alle optischen Kontrollen, die nicht den Privatbereich des Arbeitnehmers betreffen und die auch nicht der Öffentlichkeit einsichtig werden, bedürfen daher eines anderen rechtlichen Ansatzes.

Einen zwar nicht den Kernbereich treffenden, aber immerhin am Rande tangierenden Ansatzpunkt kann man in Art 3 MRK sehen, nach dem niemand einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf. “Entkleidet man diese Bestimmung ihrer auf die Ausübung staatlichen Zwanges abgestimmten Einkleidung, so wird in ihr offenkundig der Anspruch des Menschen anerkannt, von anderen nicht erniedrigend oder in einer Weise, die den anerkannten Verhaltensweisen unter zivilisierten Menschen widerspricht, behandelt zu werden.”[8]) Einem solchen Postulat läuft es aber zuwider, einen Menschen in seiner Arbeitssituation der ständigen Befürchtung auszusetzen, durch ihm unbekannte Personen beobachtet zu werden.[9]) Ohne Zweifel wird der Arbeitnehmer hier einem psychischen Stress ausgesetzt, der ihm die Möglichkeit nimmt, als Individuum frei zu handeln.[10]) Er wird zu einer Maschine, zu einem reinen Zweckinstrument degradiert. Das Schutzgebot, das sich aus dem Grundrecht ergibt, entfaltet aber keinen maximalen Schutzanspruch, sondern wird deshalb in seiner Wertigkeit gemindert, weil im konkreten Anwendungsfall der Wesensgehalt nicht verletzt sondern nur berührt wird. Der Kerngehalt dieser Bestimmung bezieht sich auf “besondere Gewaltverhältnisse” (Zwangsbehandlung, Zwangsernährung[11]), Militärdienst, Zivildienst und Schulverhältnis) und vor allem auf die Anwendung von unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, was sich aus den Anwendungsbereichen der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung erkennen lässt. Dabei wird in der Rechtsprechung eine Behandlung erst als erniedrigend angesehen, wenn sie schweres geistiges oder physisches Leid verursacht[12]), den Betroffenen in seinem Rang, seiner Stellung, seinem Ruf oder seinem Charakter, sei es in seinen eigenen Augen oder in denen anderer, herabsetzt und einen bestimmten Schweregrad erreicht.[13])

Insbesondere wird auch immer wieder auf einen hohen Grad der Demütigung verwiesen[14]), der sich vom gewöhnlichen Element der Demütigung zu unterscheiden hat.[15]) Dass der Eingriff eine besondere Intensität haben muss, um als Verletzung im Sinne des Art 3 MRK zu gelten, wird durch die Rechtsprechung auch insofern belegt, als man nicht zwingend davon ausgeht, dass eine rechtswidrige physische Zwangsgewalt in jedem Fall Art 3 MRK verletzt, sondern zusätzlich verlangt wird, dass dieser Zwangsgewalt eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Missachtung eigen ist.[16]) Die von der Rechtsprechung verlangte Eingriffsintensität ist im vorliegenden Fall sicherlich nicht gegeben. Eine erniedrigende Behandlung geringeren Intensitätsgrades liegt aber dennoch vor.[17]) Deshalb ist der Wertgehalt des Grundrechts zu achten, darf aber in den Grenzen der Privatautonomie eingeschränkt werden und ist somit abdingbar.

Das schutzwürdige Interesse des Arbeitgebers ist, soweit er einer Kontrolle dieser Art nicht zugestimmt hat, nun gegen das jeweilige Interesse des Arbeitgebers im Einzelfall abzuwägen. Es sollen als Beispiel die Permanentkontrolle durch Kameras und Einwegglasscheiben im Gegensatz zu zeitweise in Betrieb stehenden optischen Kontrolleinrichtungen aufgezeigt werden. Das Interesse des Arbeitgebers an optischen Überwachungseinrichtungen ist ohne Zweifel darin zu sehen, dass eine Überwachung des Arbeitsfortganges und des einwandfreien Funktionierens der verwendeten technischen Einrichtungen erfolgen kann. Dieses Interesse resultiert aus der Notwendigkeit einer rationellen und wirtschaftlichen Führung eines Betriebes, die sich in den Vermögensverhältnissen des Arbeitgebers niederschlagen. Dieses vermögensrechtliche Interesse kann nun in verschiedener Intensität auftreten. So ist es aus Sicherheitsgründen notwendig, Bankschalter, Warenhäuser, Spielsäle oder wertvolle Warenlager usw optisch zu überwachen. Dies hat in vielen Fällen zur Folge, dass auch jene Arbeitnehmer, die in solchen Räumlichkeiten tätig sind, dauernd bildlich erfasst werden. Bei einer dauernden bildlichen Erfassung wird der Arbeitnehmer aber ohne Zweifel nach den obigen Ausführungen in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Man würde dem durchaus berechtigten betrieblichen Interesse den Vorzug geben und das Arbeitnehmerinteresse völlig außer Acht lassen. Dies kann den Prinzipien der Konfliktlösung nicht entsprechen, weil kein schutzwürdiges Gut ohne Ausgleich oder Entschädigung verletzt oder vernichtet werden darf[18]), auch wenn in diesem konkreten Fall die Intensität des Arbeitgeberinteresses sehr hoch ist, weil in den oben beschriebenen Betrieben ein Übergriff auf vermögensrechtliche Positionen durch Dritte zB in Form eines Diebstahls oder Raubüberfalls durchaus wahrscheinlich ist.

Es ist zwar im vorliegenden Falle schwierig zu beurteilen, welches Interesse nun tatsächlich schwerer wiegt, weil das Vermögensinteresse durch die besondere Gefährdungslage verstärkt wird und das zwar sittliche - kulturelle und damit generell über dem materiellen Interesse stehende Interesse des Arbeitnehmers einen verminderten Wertgrad aufweist, weil der ihm zukommende grundrechtliche Wertgehalt nur in seinen Randpositionen und nicht im Kern getroffen ist, und zusätzlich dem Arbeitnehmer durch die optische Kontrolle eine erhöhte Sicherheit zugutekommt. Dadurch wird in diesem Fall eine Annäherung des sittlich - kulturellen Wertgehalts an den materiellen Wertgehalt augenscheinlich und eine abschließende Bevorzugung eines der betroffenen Interessen unmöglich. Zur Konfliktlösung bietet sich aus sachbedingten Gründen das Ausweichprinzip nicht an. Daher muss versucht werden, im Rahmen des Ausgleichsprinzips eine Lösung zu finden. Stehen sich zwei Interessen unausweichlich gegenüber und lässt sich abschließend ein Rangunterschied zwischen beiden Interessen nicht feststellen, erscheint es gerecht, beide Interessen in gleichem Maße zu beschränken. Eine beiderseitige Beschränkung kann darin gesehen werden, dass sich zwar der Arbeitnehmer eine bildliche Kontrolle gefallen lassen muss, aber diese Kontrolle auf Kosten des Kontrollinteresses des Arbeitgebers zeitlich und räumlich beschränkt wird. Diesem Lösungsansatz folgend, wird man “dem Grundsatz der Anwendung des schonendsten Mittels” entsprechend, folgende Grundsätze aufstellen können: erstens sollte die Kontrolle nicht zeitlich ununterbrochen erfolgen, wie dies bei Permanentkontrollen durch Kameras und Einwegglasscheiben der Fall ist[19]); zweitens sollte für den Arbeitnehmer die Kontrolle ersichtlich sein, augenscheinlich durch optische und akustische Anzeigen, und drittens sollte die optische Kontrolle den Arbeitnehmer nicht in den Mittelpunkt der Kontrolle stellen, was sich durch eine bestimmte Einstellung der Kameraposition erreichen lässt[20]) (der Bildausschnitt kann so gewählt werden, dass er nur bestimmte Teile des Arbeitsraumes erfasst udgl mehr). Diese Grundsätze entsprechen dem Anspruch des Arbeitnehmers auf den Einsatz des für ihn jeweils schonendsten Kontrollverfahrens.

Diesen Ausführungen folgend, kann man feststellen, dass die Annahme verschiedener Autoren[21]), im vorliegenden Fall würde das Persönlichkeitsrecht nicht verletzt, falsch ist.

In jener Situation nun, in denen zwar das Kontrollinteresse des Arbeitgebers geringer ist, weil seine Vermögenspositionen einer schwächeren Gefährdungslage ausgesetzt sind, kann ein verhältnismäßig zusätzlicher Ausgleich kaum erreicht werden, weil bei einer weiteren Einschränkung der bildlichen Kontrolle, die Effektivität der Kontrolle verloren ginge und damit das Interesse des Arbeitgebers vollends missachtet würde.

Im Zusammenhang mit optischen Kontrollen ist die Frage aufgetaucht, wieweit eine technische Überwachung des Arbeitnehmers dessen Persönlichkeit stärker beeinträchtigen kann als eine Überwachung durch Menschen. Als Diskussionsbeispiel kann hier das Großraumbüro erwähnt werden, in dem es möglich ist, auch ohne technische Einrichtungen den Arbeitnehmer ununterbrochen zu beobachten. Wiese meint zu diesem Problem, dass eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild wie auch des Rechts an der Eigensphäre zu verneinen sei, “wenn der Arbeitnehmer in einem Großraumbüro arbeiten muss und dadurch ständig beobachtet werden kann, weil durch Art 1 Abs 1 und Art 2 Abs 1 GG gewährleistete Interessen des Arbeitnehmers nicht berührt werden; ein Anspruch auf ‘Abgeschiedenheit’ ist insoweit nicht anzuerkennen.

Eine andere Meinung würde zudem die Bürokräfte gegenüber denjenigen Arbeitnehmern ungerechtfertigt privilegieren, die in Fabrikhallen oder Verkaufsräumen mit zahlreichen anderen Arbeitnehmern zusammenwirken müssen”[22]). Diese Sichtweise erscheint relativ undifferenziert und zeigt wiederum die Scheu vor der Suche nach den tatsächlichen Gehalten des Persönlichkeitsrechts und bleibt im ideologischen – grundsätzlich zwar berechtigten, aber hier nicht relevanten – Grundgedanken des sozialen Generalpostulats stecken, dass man den einfachen Arbeiter nicht gegenüber dem arbeitsergonomisch besser gestellten Arbeitnehmer diskriminierend behandeln darf. Das eigentliche Problem liegt nicht im sozialen Spannungsfeld eines solchen Vergleiches, sondern vielmehr in der Frage, in welcher Art und Weise die vertraglich geschuldete Arbeit den Einsatz der individuellen Persönlichkeit verlangt.[23]) So kann kaum bezweifelt werden, dass ein Journalist bei seiner Bürotätigkeit seine Persönlichkeit ganz anders einsetzen muss als ein Arbeiter in einer Fabrikhalle. Sicherlich ist bei einem Arbeiter in einer Fabrikhalle das Leben und die Gesundheit besonders gefährdet. Für den Schutz dieser Seite der Persönlichkeit stehen aber ausreichend gesetzliche Bestimmungen bereit, so dass eine Verletzung nicht unter Heranziehung des “allgemeinen Persönlichkeitsrechts” beurteilt werden muss. Die Tätigkeit in einer Fabrikhalle zieht auch außer dem Interesse an einem entsprechenden Arbeitsfortgang kaum eine besondere und gesteigerte Aufmerksamkeit in Bezug auf eine individuelle Art der getätigten Arbeit auf sich. Dagegen muss ein guter Journalist alle Fähigkeiten seiner Persönlichkeit ausnützen, um durch seine individuelle Art, anderen Leuten Informationen herauszulocken. Er ist unter Umständen gezwungen, sich in einer Weise zu präsentieren und zu artikulieren, wie er es neben den Mitarbeitern nicht tun würde. Wer hier dauernd beobachtet und einem ständigen Stress ausgesetzt wird und in dieser Folge bei Interviews, Telefongesprächen und Gesprächen mit Informanden nicht so “aus sich herausgehen kann”, wie er will, wird sich wohl in der Möglichkeit der Entfaltung der Persönlichkeit beschnitten fühlen. Aus diesem Grund sind Großraumbüros für Betätigungsfelder, die einen sehr starken Einsatz der individuellen Persönlichkeit verlangen, persönlichkeitsrechtlich äußerst bedenklich.

Anhand des Beispiels des Großraumbüros kann auch dargelegt werden – wie Tomandl[24]) richtig erwähnt – dass eine durch Menschen unmittelbar vorgenommene Kontrolle nicht unbedingt schonender als die anonyme und perfektionistische Überwachung durch technische Systeme sein muss.[25]) “Der Vorgesetzte, der im Großraumbüro oder in der Werkhalle die Arbeitnehmer überwacht, kann dies in ebensolcher Totalität wie ein technisches System tun[26]).”[27]) So ist es dem Arbeitnehmer genauso möglich, sich zu vergewissern, ob ein technisches Überwachungsgerät ihn in einem bestimmten Augenblick erfasst, als festzustellen, ob ein Aufseher gerade hersieht. Der erhöhte Kontrollerfolg durch erweiterte technische Einrichtungen, die einen umfassenderen Überblick ermöglichen, kann genauso durch die Vermehrung von Aufsichtspersonen erreicht werden. Der Hauptunterschied zwischen Aufsichtspersonen und einer technischen Kontrollanlage ist darin zu sehen, dass sich der Mensch irren kann und getäuscht werden kann, hingegen von einem technischen Gerät wenige, bis keine Fehler zu erwarten sind. Mag das typisch menschliche an einer Aufsichtsperson zwar manchmal Vorteile bringen, so ist doch das ganze Verhältnis im Überwachungsbereich von Sympathie und Antipathie gekennzeichnet, die auch besonders negative Auswirkungen zeitigen kann. Negative Aussagen eines Aufsehers oder Vorgesetzten über ein etwaiges tadelnswürdiges Verhalten eines Arbeitnehmers können von demselben nur schwer erschüttert werden, auch wenn er von ihrer Unrichtigkeit überzeugt ist. Eine technische Dokumentierung lässt hier keinerlei Fragen offen.

Aus diesem Grund kann eine Verletzung des “allgemeinen Persönlichkeitsrechts” auch durch nicht technische Kontrollen in Gestalt von Aufsichtspersonen und Vorgesetzten erfolgen.[28]) Es kann hier zB an den Einsatz von Detektiven gedacht werden, die zum Zwecke der Kontrolle in einem Warenhaus die Waren eines Kunden gleich nach dem Passieren der Kasse anhand des Kassenbons mit dem Argument untersuchen, die Kassiererin kontrollieren zu wollen.[29]) Eine solche Totalkontrolle würde die Kassiererin einem ungerechtfertigt hohen psychischen Druck aussetzen, der eine schwere persönlichkeitsrechtliche Beeinträchtigung darstellen würde und durch das Kontrollinteresse der Warenhausbetreiber kaum gerechtfertigt werden kann. Hinzu kommt in diesem Falle der Eindruck, die Kassiererin sei so unzuverlässig, dass sie einer ständigen Kontrolle unterzogen werden muss. Eine solche Unzuverlässigkeit wird nur in wenigen Fällen vorliegen und daher lässt sich allgemein feststellen, dass eine ohne besondere Gründe veranlasste ständige oder betont einseitige Überwachung eines einzelnen Arbeitnehmers in Hinsicht auf das besondere “Persönlichkeitsrecht an der Ehre” nicht nur bedenklich ist, sondern einen groben Eingriff in die Persönlichkeit darstellt.[30])


[1]) Die Fernsehüberwachung wurde vom EA Wien, E vom 16. März 1981, Arb 9955, ausdrücklich als Kontrollmaßnahme bezeichnet, die auf Vereinbarkeit mit der Menschenwürde im Sinne des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG zu überprüfen ist.
[2]) UFITA 50, 299.
[3]) Ossberger; Betriebliche Kontrolle, ihre Voraussetzung und Grenzen 67.
[4]) Vgl R. Doralt, ÖJZ 1973, 645; Dittrich, Der Schutz der Persönlichkeit nach österreichischem Urheberrecht, ÖJZ 1970, 533; Rehm, Das Recht am eigenen Bild, JBl 1962, 1; vgl auch Koziol, Haftpflichtrecht II2, 11 f; SZ 28/77; SZ 50/22.
[5]) Tomandl, Rechtsprobleme bei der Einführung und Anwendung von Kontrollmaßnahmen, ZAS 1982, 168; Peter, Das österreichische Urheberrecht, 617; Rehm, Das Recht am eigenen Bild, JBl 1962, 1 ff; Dietrich, Der Schutz der Persönlichkeit nach österreichischem Urheberrecht, ÖJZ 1970, 533 ff; Kramer, Arbeitsvertragliche Verbindlichkeiten neben Lohnzahlung und Dienstleistung (1975) 57.
[6]) Tomandl, Rechtsprobleme bei der Einführung und Anwendung von Kontrollmaßnahmen, ZAS 1982, 168.
[7]) Auch aus Präventivgründen gegen versteckte Arbeitsunwilligkeit kann die folgende Kontrollmaßnahme nicht gebilligt werden: In einem Betrieb werden die Toilettanlagen in der Weise kontrolliert, dass man eine Kamera in den Räumlichkeiten installiert, um das Geschehen dort zu beobachten. Unzulässig auch dann, wenn gegen einzelne Arbeitnehmer der Verdacht besteht, sie benutzen den Gang zur Toilette allzu häufig als Vorwand für eine inoffizielle Pause. Vgl dazu auch INFAS 1990/4,10.
[8]) Tomandl, Rechtsprobleme bei der Einführung und Anwendung von Kontrollmaßnahmen, ZAS 1982, 169.
[9]) Ablehnend auch Wiese, Der Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, ZfA 1971, 285; gegen Monjau, Die Zulässigkeit von Arbeitskontrollgeräten am Arbeitsplatz, BB 1964, 224 f (255).
[10]) Schnorr, Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten und Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers, in FS - Strasser 117; vgl auch INFAS 1990/4,10
[11]) Vgl dazu EKM 8. 7. 1978, EuGRZ 1978, 314 ff.
[12]) EKM 14. Dezember 1976, EuGRZ 1977, 488.
[13]) EKM 14. Dezember 1976, EuGRZ 1977, 488.
[14]) EKM 14. Dezember 1976, EuGRZ 1977, 486 ff, unter Verweis auf frühere Entscheidungen.
[15]) EGM 25. April, EuGRZ 1979, 162 ff.
[16]) Vgl VfSlg 8145/1977, 8146/1977, 8296/1978, 8580/1979, 8654/1979, 8881/1980, 8916/1980, 9385/1982, VFGH 10. März 1984, B 403/82.
[17]) vgl dazu die Ausführungen von Reischauer zu den verschiedenen Stadien des Entindividualisierungsprozesses: Reischauer, Das Persönlichkeitsrecht auf Achtung des Fernsprechgeheimnisses (§ 16 ABGB) und seine Bedeutung für das Dienstverhältnis, DRdA 1973,216 ff; vgl weiters auch den Art 4 des im Jahre 1970 in Kraft getretenen italienischen “Statuts der Arbeitnehmer”, welches interne Fernsehanlagen zum Zwecke der Tele - Kontrolle und Beobachtung der Arbeiter an ihren Arbeitsplätzen verbietet, Quelle in Meissner, Das italienische “Statut der Arbeitnehmer”, RdA 1970, 269.
[18]) vgl III. Teil, 2. Kapitel, C) cf).
[19]) Hier hat das EA Wien in seiner Entscheidung vom 24. 4. 1986, RdW 1986, 281 = Arb 10.518, festgestellt, dass die Menschenwürde nicht berührt ist, wenn ein Arbeitnehmer im Rahmen eines ganzen Arbeitstages nur während eines Teils der Durchführung seiner Aufgaben kurzfristig und nicht kontinuierlich per Kamera und Bildschirm beobachtet wird. Nicht generell, aber im speziellen Fall ganz interessant, die Ausführungen des VwGH, 25. 2. 1987, 86/01/0127, der die Entscheidung des EA Wien vom 24. 4. 1986 aufgehoben hat; und die neuerliche Entscheidung durch das EA Wien am 12. 5. 1987, II Re 2/87. Vgl weiters Tomandl, Rechtsprobleme bei der Einführung und Anwendung von Kontrollmaßnahmen, ZAS 1982, 168; Schnorr, Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten und Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers, in FS - Strasser 119.
[20]) Schnorr, Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten und Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers, in FS - Strasser 119, FN 86, der hier in Kritik zu Wiese, ZfA 1971, 286, völlig richtig folgendes ausführt: “Abzulehnen ist es, wenn Wiese ... auf diesen Fall den ‘Rechtsgedanken’ des § 23 Abs 1 Nr 2 des deutschen KunstUrhG anwenden will, wonach die Verbreitung oder Zurschaustellung des Bildes einer Person gestattet ist, wenn diese nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstiger Örtlichkeit erscheint. Hier rächt es sich wiederum, dass Wiese zu stark an der Äußerlichkeit des Rechts am eigenen Bild haftet und nicht den psychologischen Druck beachtet, der vom dauernd Beobachtetfühlen auf die Persönlichkeit des Arbeitnehmers einwirkt.” Man sollte in der Beurteilung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes nicht zu krampfhaft und erzwungen an bestehenden Bestimmungen festhalten; vgl weiters Tomandl, Rechtsprobleme bei der Einführung und Anwendung von Kontrollmaßnahmen, ZAS 1982, 169.
[21]) Wiese, Der Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, ZfA 1971, 286 f; Kropf - Schwarz, Die Betriebsvereinbarung (1978) 38 f; Tomandl, Rechtsprobleme bei der Einführung und Anwendung von Kontrollmaßnahmen, ZAS 1982, 168.
[22]) Wiese, Der Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, ZfA 1971, 285.
[23]) Schnorr, Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten und Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers, in FS - Strasser 116.
[24]) Tomandl, Rechtsprobleme bei der Einführung und Anwendung von Kontrollmaßnahmen, ZAS 1982, 169.
[25]) vgl dazu etwa Ehmann, Arbeitsschutz und Mitbestimmung bei neuen Technologien (1981) 103 ff; Monjau, Die Zulässigkeit von Arbeitskontrollgeräten am Arbeitsplatz, BB 1964, 225 ff; Wiese, Der Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, ZfA 1971, 285.
[26]) Diese notwendige Differenzierung lässt Wiese, ZfA 1971, 285, außer Betracht.
[27]) Tomandl, Rechtsprobleme bei der Einführung und Anwendung von Kontrollmaßnahmen, ZAS 1982, 169; RdW 1989, 106.
[28]) In diesem Sinne führt das EA Linz in seiner Entscheidung vom 19. 12. 1985 aus, dass unter Kontrollmaßnahmen alle zur Überwachung von Arbeitnehmern nicht nur technische Vorrichtungen, sondern auch geeigneten menschlichen Verhaltensweisen gehören. Vgl auch die nicht rechtskräftig gewordene Entscheidung des KG Korneuburg vom 16. 12. 1988, 15 a Cga 45/88, RdW 1989, 105 f.
[29]) Däubler, Arbeitsrecht II 240.
[30]) Wiese, Der Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, ZfA 1971, 297.
© Christoph Paul Stock | Wien | 2025 | All rights reserved!
lebensurbild_begriffswolke_6.png
bottom of page