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Gesamte Inhalte:

© Dr. Christoph Paul Stock

 

ae) Testverfahren im aufrechten Arbeitsverhältnis mit Kontrollcharakter

 

Soweit es bei der Durchführung von Tests um eine Erfolgskontrolle für absolvierte Schulungsmaßnahmen oder um eine Bewertung der Fähigkeiten eines Arbeitnehmers in Bezug auf seinen momentanen Arbeitsplatz geht, wird man von einer Kontrollmaßnahme sprechen können. Hier erscheint die Angabe eines Kontrolltestergebnisses mit Namensnennung an den Arbeitgeber durchaus gerechtfertigt, weil sich der Arbeitgeber darüber ein Bild machen muss können, ob bestimmte Schulungsmaßnahmen sinnvoll sind bzw ob bei einem unterdurchschnittlichen Testergebnis eines Arbeitnehmers eine Nachschulung angebracht wäre. Soweit dem Arbeitnehmer durch die namentliche Ergebnisoffenbarung an den Arbeitgeber kein betrieblicher Nachteil entsteht, sind solche Vorgangsweisen  persönlichkeitsrechtlich unbedenklich.[1])

Problematischer wird die Situation dann, wenn Testergebnisse allgemein bekannt werden. Dies insbesondere deshalb, weil die Bewertung von Testergebnissen nicht nur einen objektiven Charakter haben, sondern durchaus subjektive Elemente enthalten. Dies hat auch seine Berechtigung, weil eine Bewertung nur nach messbaren Maßstäben kein befriedigendes Gesamtbild ergeben kann.[2]) Ein Vergleich aus dem Sport mag dies anschaulich verdeutlichen. Würde man nur mehr Sportarten bewerten, die objektiv messbar sind, wie zB die Leistungen von Läufern und Hochspringern und hingegen jene Sportarten, die nur subjektiv bewertbar sind, wie der Eiskunstlauf oder das Kunstspringen, unbewertet lassen, würde der Sport in seiner Gesamtheit an Faszination und Akzeptanz verlieren.

Daher liegt die Problematik weniger in der Frage nach der subjektiven Bewertung, sondern vielmehr in der Problematik einer Bloßstellung des Arbeitnehmers durch eine öffentliche und namentliche  Bekanntgabe der Testergebnisse. Selbstverständlich wird eine Bekanntgabe positiver Ergebnisse nicht in der Lage sein, die Menschenwürde eines Arbeitnehmers zu verletzen. Erst dann, wenn eine negative Bewertung öffentlich bekannt wird, kann es zu einer prangerähnlichen Herabwürdigung und Bloßstellung des Arbeitnehmers kommen. Eine prangerähnliche Herabsetzung bzw Erniedrigung ist geeignet den Arbeitnehmer in seiner Ehre zu kränken. Das “besondere Persönlichkeitsrecht” auf Ehre, das sich unter anderem aus § 1330 ABGB ableiten lässt und durch Schutzbestimmungen im StGB (vgl §§ 111 ff StGB) in seinem Wertgehalt zusätzlich charakterisiert wird, bietet einen Schutz nur in jenen Fällen, in denen eine Person durch die Verbreitung unwahrer Tatsachen bzw Behauptungen, die sie kannte oder kennen musste, eine andere Person im Kredit, Erwerb oder Fortkommen gefährdet  bzw sie in einer für Dritte wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft, Gesinnung oder eines unehrenhaften oder gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt und dies geeignet ist, diese Person in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen.

Bei einer Veröffentlichung von richtigen Testergebnissen wird ein Arbeitnehmer unter den gegeben Voraussetzungen in seinem “besonderen Persönlichkeitsrecht” auf Ehre nicht verletzt.[3]

Man kann nun versuchen, über das “besondere Persönlichkeitsrecht” hinaus, unter der Heranziehung des “allgemeinen Persönlichkeitsrechts” einen weitgehenderen Schutz vor Ehrverletzungen zu konstruieren. Ein wertmäßiger Ansatzpunkt kann hier wiederum in Art 3 MRK gefunden werden, nach dem niemand einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf. Im Verhältnis zwischen Bürger und Staat wird im Zusammenhang mit diesem Grundrecht ein hoher Intensitätsgrad des Eingriffes verlangt. Es ist gefordert, dass der Eingriff beim Betroffenen ein schweres geistiges oder physisches Leid verursacht, bzw geeignet ist, den Betroffenen in einem hohen Grad zu demütigen. Diese Eingriffsintensität ist im vorliegenden Fall im Verhältnis inter privatos nicht gegeben. Der Wesensgehalt des Grundrechts ist daher nicht getroffen. Wie stark das Interesse des Arbeitnehmers nun wiegt, hängt davon ab, wie stark die Demütigung des Arbeitnehmers ausfällt. Je stärker die Demütigung ist, desto stärker wird auch die Schutzbedürftigkeit, weil der Arbeitnehmer den Handlungen seines Arbeitgebers völlig ausgesetzt ist.

Man wird aber grundsätzlich annehmen dürfen, dass eine Verlautbarung auch negativer Testergebnisse von geringer Bedeutung ist und wegen ihrer Häufigkeit als Erfordernis des menschlichen Zusammenlebens zu verstehen sein wird.[4]) Denn ansonsten dürfte einem Schüler vor seinen Kameraden eine schlechte Schularbeit nicht zurückgegeben werden oder an der Universität Prüfungsergebnisse nicht mehr ausgehängt werden, was unzumutbare Zustände verursachen würde. Gleiches muss auch für Testergebnisse gelten, die üblicherweise in Betrieben angeschlagen werden. Daher wird nur in ganz besonders gravierenden Fällen, bei denen das Abschneiden besonders schlecht war, eine durchaus gewichtige Bedeutung für das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers dem Testergebnis beizumessen ist und ein gravierender Ansehensverlust des Arbeitnehmers gegenüber seinen Kollegen zu erwarten ist, geeignet sein, eine Demütigung auszulösen, die über das Maß, welches jeder Prüfling im menschlichen Zusammenleben über sich ergehen lassen muss, hinausgeht.[5])

In solchen Fällen ist jede Kritik und jeder Tadel auf das funktionell notwendige Maß zu beschränken und insbesondere eine Veröffentlichung (zB Anbringung der Testergebnisse an einer Anschlagtafel im Betrieb) mit Rücksicht auf das schutzwürdige Interesse des Arbeitnehmers auf Namensanonymität zu unterlassen. Eine funktionelle Notwendigkeit wird aber ein vertrauliches Gespräch mit einem Vorgesetzten oder dem Testleiter darstellen, in dem die gemachten Testfehler erörtert und besprochen werden und eine etwaige Nachschulung vereinbart wird.


[1]) EA Wien, E vom 16. März 1981, Arb 9955.
[2]) ARD 4406/7/92 = OLG Wien 32 Ra 95/92 vom 2, September 1992.
[3]) Koziol - Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts8 I 441.
[4]) vgl III. Teil, 2. Kapitel, B) bb).
[5]) ARD 4406/7/92.
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