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Gesamte Inhalte:

© Dr. Christoph Paul Stock

 

4) Die Ermittlung und Verarbeitung von Arbeitnehmerdaten in der  automationsunterstützten Personalverwaltung

 

Bei der automationsunterstützten Datenverarbeitung – gleich ob diese Verarbeitung nur einzelne Arbeitsbereiche betrifft oder ein umfassendes Personalinformationssystem darstellt – bestimmt sich die Zulässigkeit der Ermittlung und Verarbeitung nach § 17 DSG.[1]) Kerninhalt dieser Bestimmung ist die Aufstellung von Zulässigkeitsvoraussetzungen unter denen eine – wenn auch nur phasenweise – automationsunterstützte Ermittlung bzw Verarbeitung von Daten erlaubt ist. Dieses Instrumentarium begegnet einem schon im Grundrechtstatbestand des § 1 Abs 1 und 2 des DSG, aus dem die Bezugnahme auf den Interessengegensatz zwar nicht wörtlich, aber doch sinngemäß übernommen worden ist.[2]) Daraus ergibt sich, wie oben schon beschrieben, eine kumulative Wirkung zweier Interessenaspekte, die beide gegeben sein müssen, damit eine automationsunterstützte Datenermittlung bzw Datenverarbeitung zulässig ist. Seitens des Datenverwendenden muss ein “berechtigter Zweck” zur Erhebung und Verarbeitung gegeben sein und seitens des Betroffenen dürfen keine “schutzwürdigen Interessen” verletzt werden. Als “berechtigten Zweck” können, wie schon gezeigt, alle jene Aktivitäten des Auftraggebers der Datenverarbeitung gezählt werden, die durch einschlägige Rechtsvorschriften vorgeschrieben sind. “Darüber hinaus besteht wohl kein Zweifel am berechtigten Zweck hinsichtlich jener Arbeitnehmer - Daten, die, über ausdrückliche gesetzliche Aufträge und Ermächtigungen hinaus, ganz allgemein für ein, zeitgemäßen Anforderungen entsprechendes Personalmanagement benötigt werden; dazu mag auch die Kenntnis einzelner privater (aber nicht aller!) Lebensumstände des Arbeitnehmers gehören[3]), wenn sie zur Beurteilung seiner Eignung, Verlässlichkeit, Leistungsfähigkeit, künftigen Verwendung, Versetzungsbereitschaft notwendig sind.[4])”[5]) Kann also über einen “berechtigten Zweck” die Einschränkung der Geheimhaltung personenbezogener Daten (vgl § 1 Abs 2 DSG) zugunsten des Arbeitnehmers legitimiert werden, muss noch geprüft werden, ob nicht “schutzwürdige Interessen” des Arbeitnehmers besonders im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens bestehen. Der Bestand eines solchen schutzwürdigen Interesses ist nicht leicht zu bestimmen. Denn hier reicht weder das Grundrecht auf Datenschutz noch das DSG ohne seine Verweisungen auf andere Rechte aus, um eine Klarheit zu erreichen. Vielmehr ist ein Rückgriff auf das Persönlichkeitsrecht notwendig und damit auf die vielen Wertgehalte, die in der Rechtsordnung zu finden sind.[6]) Es spielen Elemente herein, wie zB die Mitwirkung des Arbeitnehmers an der Datenermittlung oder seine Zustimmung zur Erhebung und Verarbeitung, was seine Schutzwürdigkeit grundsätzlich vermindert, aber zusätzlich immer unter dem besonderen Machtverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gesehen werden muss. Abgesehen von diesen subjektiven Komponenten können auch objektive Aspekte des Persönlichkeitsschutzes hereinspielen, die sich zB im Aspekt der Verletzung der Ehre wiederspiegeln.[7])

Man sieht, dass das konkrete Persönlichkeitsrecht auf Datenschutz mit den mannigfaltigen Aspekten des “allgemeinen Persönlichkeitsrechts” verschmilzt. Es zeigt sich wieder, dass es schwer möglich ist, streng abgegrenzt konkrete Persönlichkeitsrechte zu schaffen. Natürlich sind gewisse Verletzungserscheinungen für bestimmte Bereiche, so auch für den Datenschutz, typisch, denen man einfachgesetzlich durchaus entgegentreten soll, was durch das DSG zum Teil gelungen ist. Darin kann ein Beitrag zu einer greifbareren und teilweise rechtssichernden Vorgangsweise erkannt werden. In diesem Sinne könnte man das Datenschutzgesetz als Vorbild einer besonderen konkretisierten Schutzeinrichtung gegen häufig auftretende gleichgelagerte persönlichkeitsrechtliche Problembereiche sehen.

Man muss aber darauf hinweisen, dass das vom DSG angebotene Lösungssystem nicht ohne Rückgriff auf andere Lösungsinstrumentarien auskommt. So hat auch der Gesetzgeber ein Instrumentarium in das Datenschutzgesetz eingebaut, welches schon lange in der Rechtsprechung zur Lösung persönlichkeitsrechtlicher Probleme verwendet wird. Es handelt sich hierbei um das Instrument der Interessenabwägung, welches unter seiner besonderen Beziehung zur Wertungsjurisprudenz mit auch ein Ausdruck der besonders schwierigen Fassbarkeit des Persönlichkeitsrechts in seiner Gesamtheit geworden ist.

In Bezug auf den Datenschutz hat der Gesetzgeber einen mutigen Schritt getan und Elemente des öffentlichen Rechts auch für das Privatrecht unumstritten anwendbar gemacht. Dass in der Praxis aber kein grundsätzlicher sondern nur ein qualitativer Unterschied zB darin zu erkennen ist, ob eine Privatperson nun in ihrer Menschenwürde durch die Erhebung oder Verarbeitung von Daten oder durch einen direkten Eingriff in die Privatsphäre verletzt wird, müsste eigentlich offensichtlich sein. Es stellt sich aber dann die Frage, warum gerade die Schutzwürdigkeit der Persönlichkeit gegen die Erhebung und Verarbeitung von Daten inter privatos als gewichtiger erachtet wird als die Verletzung der Persönlichkeit durch bedenkliche Kontrolleinrichtungen, vorvertragliche Befragungen, Vertragsklauseln, Arbeitsbedingungen und vieles mehr. Handelt der Gesetzgeber nicht halbherzig, wenn nur das Grundrecht auf Datenschutz eine besondere Ausnahme in der Drittwirkungsproblematik darstellen soll und gleichzeitig auf andere Grundrechte zur Lösung der Probleme verwiesen wird, denen keine unmittelbare Drittwirkung laut Gesetz zukommt? Sind denn die persönlichkeitsrechtlichen Probleme des Datenschutzes so viel gewichtiger als andere, dass man hier einen Sonderfall der unmittelbaren Drittwirkung postulieren muss? Der Datenschutz ist und bleibt nur eine Nuance des “allgemeinen Persönlichkeitsrechts”. Einzelne schutzwürdige Teilaspekte der gesamten Persönlichkeit gegenüber anderen schutzwürdigen Aspekten der Persönlichkeit zu privilegieren halte ich für bedenklich. Dies soll nicht heißen, dass das DSG mit seinen Detailregelungen bedenklich ist! Für bedenklich halte ich die Bevorzugung des Grundrechts auf Datenschutz gegenüber anderen Grundrechten, obgleich selbiges in seiner Ausgestaltung abhängig ist von den anderen Grundrechten. In Summe ist das Ergebnis aber dann tragbar, wenn die Lehre und Rechtsprechung das “allgemeine Persönlichkeitsrecht” anerkennen und zur Konfliktlösung dieselben Instrumentarien verwenden, wie sie in dieser Arbeit beschrieben sind und im DSG verwendet werden, weil dann ein gleiches und befriedigendes Ergebnis erreicht wird.

Diesen Ausführungen folgend ist zur automationsunterstützten Erhebung von Daten festzustellen, dass diese in den gleichen Fallkonstruktionen verboten sind, wie in den nicht automationsunterstützten Erhebungsfällen der vorvertraglichen oder vertraglichen Informationsbeschaffung durch den Arbeitgeber. Daher sei für diese Problematik auf die Ausführungen im 4. Kapitel zu den Persönlichkeitseingriffen bei der Anbahnung und vertraglichen Fixierung von Arbeitsverhältnissen verwiesen.

In diesem Zusammenhang verbleibt daher als Problematik die automationsunterstützte Datenverarbeitung.[8]) Das entspricht in gewisser Weise auch dem DSG, das zwar strenge Sicherungsbestimmungen für schon erhobene Daten kennt, aber die eigentliche Ermittlung nur weniger strengen Schranken unterwirft.[9])

Die hochtechnisierte und rasch fortschreitende Entwicklung am Sektor der Datenverarbeitung, die insbesondere durch sehr schnelle und leistungsstarke Rechner, den sogenannten PC´s, ermöglicht wird, erlauben es heute bei Heranziehung besonderer Softwareprogramme nicht nur Daten rein zu speichern und leicht abzurufen, sondern ermöglichen ein qualitativ hochwertiges Verarbeiten von Daten. Daraus lassen sich hochentwickelte Personalinformationssysteme gestalten, die in der Lage sind, durch automatisierte Entscheidungsvorbereitung beabsichtigte Maßnahmen der Personalplanung, Personalsteuerung und Personalführung zu unterstützen.[10]) Dadurch ergibt sich nicht nur ein quantitativer Fortschritt sondern durchaus ein qualitativer. Ob sich aus dieser Entwicklung ein neuerlicher Handlungsbedarf für die Neugestaltung bzw Umgestaltung des DSG ergibt, ist eine rechtspolitische Frage, die hier nicht zur Diskussion gestellt werden soll.[11]) Was aber zu untersuchen bleibt, ist die Frage, wie weit die automatisiert ermittelten Ergebnisse eines hochentwickelten Personalinformationssystems “schutzwürdige Interessen” des Arbeitnehmers nicht berücksichtigen.

Soweit mit einer automationsunterstützten Datenverarbeitung, bei Verwendung zulässig erhobener Daten richtige Ergebnisse erreicht werden, kann wohl kaum davon die Rede sein, dass “schutzwürdige Interessen” des Arbeitnehmers verletzt werden. Denn das Interesse des Arbeitgebers auf Kenntnis der maßgeblichen Eigenschaften eines Arbeitnehmers zu einer entsprechenden Verwendung und Einsetzung im Betrieb wird wohl kaum einem etwaigen Interesse des Arbeitnehmers auf Verbergung seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten weichen müssen. Zusätzlich bietet eine solche Datenerhebung in Großbetrieben die Möglichkeit, sich viel eher ein Bild über den Arbeitnehmer zu machen, was in Kleinbetrieben durch persönliche Kontakte und eigene Erfahrungen des Arbeitgebers möglich ist.

Problematisch wird die Datenverarbeitung dann, wenn Personalinformationssysteme falsche oder fragwürdige Ergebnisse liefern, die durch eine unzulängliche oder fehlerhafte Organisation bzw Programmierung oder durch die fehlende Möglichkeit des Eingehens auf individuelle Gesichtspunkte des Einzelfalls hervorgerufen werden. “So kommt es bei der automationsunterstützt vorgenommenen Entscheidung darauf an, bei Vorgabe des ‘Arbeitsplatzprofils’ auf alle relevanten Gesichtspunkte einzugehen, Lücken zu vermeiden und vor allem den Kontext zwischen Einzelinformationen über die Bewerber und die damit zusammenhängenden Lebenssachverhalte nicht unberücksichtigt zu lassen.[12])”[13]) Entstehen in dieser Hinsicht Mängel, sind wohl die “schutzwürdigen Interessen” laut § 17 DSG des Arbeitnehmers berührt. Eine solche Art der Verarbeitung muss als unzulässig erkannt werden. Eine Richtigstellung nach § 26 DSG würde hier wohl kaum eine befriedigende Lösung bieten, weil die Änderung einzelner unrichtiger Daten nicht Lücken und Mängel der Verarbeitung beheben kann. Daher wird es notwendig sein, dem Arbeitnehmer die benutzten Entscheidungsgrundlagen offenzulegen und Korrekturmöglichkeiten einzuräumen. Soweit die Datenverarbeitung unzulässig war, kann sich der Arbeitnehmer auf § 28 DSG stützen und eine Unterlassung bzw eine entsprechende Änderung verlangen.[14])


[1]) Grillberger, Rechtliche Grenzen der Ermittlung von Arbeitnehmerdaten im Arbeitsrecht und Datenschutzgesetz, in: FS - Floretta 382, zeigt die Schwierigkeiten auf, die sich aus der unglücklichen Formulierung der Bestimmung ergeben; er kritisiert insbesondere die semantische Ungereimtheit hinsichtlich der Formulierung “Ermittlung von Daten”.
[2]) Duschanek, Arbeitsverhältnis und Datenschutz, ZAS 1983, 86.
[3]) Soweit diese Kenntnisse aus allgemein zugänglichen Quellen (Standesamt, Telefon- und Adressbücher, Zeitungsartikel, Biographien) stammen, wird kein “schutzwürdiges Interesse” des Arbeitnehmers vorhanden sein. Sobald aber auf Daten gegriffen wird, wie zB gesundheitliche Daten oder Daten eines Psychotests, die der Arbeitgeber nicht zur Erfüllung seiner Pflichten aus dem Arbeitsvertrag benötigt und die auch nicht einer zeitgemäßen Notwendigkeit zu einer allgemein anerkannten effizienten Betriebsführung benötigt werden, ist einer Datenerhebung und einer Datenverarbeitung keine Legitimation zuzusprechen. Vgl hierzu auch Egger, Arbeits- und datenschutzrechtliche Probleme von Personalinformationssystemen, RdW 1984, 19.
[4]) vgl dazu auch Stadler, Zur arbeitsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung bei Automationsmaßnahmen, in FS - Floretta 607 (613); einschränkender und enger Grillberger, Rechtliche Grenzen der Ermittlung von Arbeitnehmerdaten im Arbeitsrecht und Datenschutzgesetz, in: FS - Floretta 384.
[5]) Duschanek, Arbeitsverhältnis und Datenschutz, ZAS 1983, 87.
[6]) Grillberger, Rechtliche Grenzen der Ermittlung von Arbeitnehmerdaten im Arbeitsrecht und Datenschutzgesetz, in: FS - Floretta 384.
[7]) Duschanek, Arbeitsverhältnis und Datenschutz, ZAS 1983, 87.
[8]) Unter Verarbeitung versteht man im Sinne von § 3 Abs 6 DSG das Erfassen, Speichern, Ordnen, Verändern, Verknüpfen, Vervielfältigen, Ausgeben oder Löschen von Daten im oder für den automationsunterstützten Datenverkehr. Vgl dazu Duschanek, DSG, Wien 1978, 21 f; Egger, Arbeits- und datenschutzrechtliche Probleme von Personalinformationssystemen, RdW 1984, 19.
[9]) Marhold, Datenschutz und Arbeitsrecht (1986) 31.
[10]) vgl dazu Wohlgemuth, Arbeitsrechtliche Fragen der Personaldatenverarbeitung, ArbuR 1981, 269; Zöllner, Daten- und Informationsschutz im Arbeitsverhältnis (1982) 8 f.
[11]) Duschanek, Arbeitsverhältnis und Datenschutz, ZAS 1983, 88.
[12]) Kilian, Arbeitsrechtliche Probleme automatisierter Personalinformationssysteme, JZ 1977, 485; Gola, Rechtliche Grenzen für Personalinformationssysteme, BB 1980, 586.
[13]) Duschanek, Arbeitsverhältnis und Datenschutz, ZAS 1983, 88.
[14]) Duschanek, Arbeitsverhältnis und Datenschutz, ZAS 1983, 88.
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