
K O N T A K T

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© Dr. Christoph Paul Stock
7) Gewerkschafts-, Partei- und Konfessionszugehörigkeit
Fragen nach Gewerkschafts- bzw Parteizugehörigkeit wird man im Normalfall für unzulässig erachten können.[1]) Dies ergibt sich einerseits aus den grundrechtlichen Wertgehalten der Art 12 StGG und Art 11 Abs 1 MRK, die jedem Menschen die Freiheit einräumen, sich einem Verein oder einer Versammlung anzuschließen. Andererseits aus dem grundrechtlichen Schutz des Art 10 Abs 1 MRK in diesen Gruppierungen eine bestimmte Ansicht im Sinne der Meinungsfreiheit zu vertreten, ohne dadurch irgendwelche berufliche Nachteile zu haben, nur weil der Arbeitgeber einer anderen Fraktion zugehört oder eine gewisse Antipathie gegen Mitglieder einer bestimmten Interessenvertretung hat.
Das Grundrecht auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit verlangt, seinem Wortlaut folgend, dass ein Arbeitnehmer in die Lage versetzt werden muss, die Gewerkschaft, welche nach seiner Auffassung seine Interessen am besten zu vertreten geeignet ist, auszuwählen und dass, wenn er zu dem Schluss gelangt, dass keine der bestehenden Gewerkschaften für ihn in Betracht kommt, es ihm gestattet ist, zusammen mit anderen eine neue Gewerkschaft zu gründen.[2]) Die Europäische Kommission für Menschenrechte spricht sich auch dafür aus, dass individuelle Rechte im Sinne des Art 11 MRK auch gegenüber Maßnahmen anderer zu schützen sind. In diesem Sinne enthält Art 11 MRK einen Schutz gegen den Eingriff des Rechtssystems in das individuelle Recht zum Beitritt zu Gewerkschaften. Daraus ist zu folgern, dass der Staat verantwortlich ist, wenn sein Rechtssystem eine Entlassung wegen gewerkschaftlicher Betätigung rechtmäßig erscheinen lässt.[3]) Hierin wird der besondere Wertgehalt erkennbar, dass Arbeitstätigkeit und gewerkschaftliche bzw politische Betätigung für die Beurteilung und Behandlung des Arbeitnehmers grundsätzlich nicht in einen Zusammenhang gebracht werden sollen.
Auch im Stadium der vorvertraglichen Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses kommen diese Wertgehalte schon zum Tragen. Dies ergibt sich aus der Schutzgebotsfunktion der Grundrechte, die durch eine besondere Schutzsituation ausgelöst wird. Diese Schutzsituation ist in dem Umstand begründet, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dann nicht einstellen wird, wenn dieser eine bestimmte Gewerkschaftstätigkeit ausübt oder einer bestimmten Partei zugehört, deren Ziele und Tätigkeiten für den Arbeitgeber nachteilig sein können.
Durch die Auskunft über eine Gewerkschafts- oder Parteizugehörigkeit wird gleichzeitig auch die Meinung eines Stellenbewerbers ausgekundschaftet. Dadurch wird es möglich, innere Einstellungen offenzulegen, deren Geheimhaltung dem Arbeitnehmer zugestanden werden müssen.[4]) Befindet er sich aber in der Zwangssituation, durch die Äußerung seiner Meinung mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Arbeitsplatz nicht zu bekommen und andererseits aber verpflichtet zu sein, eine Frage zu beantworten, entsteht eine Schutzsituation, die die Wertgehalte des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung aktivieren.
In beiden Fällen der Einwirkung der grundrechtlichen Wertgehalte auf das Fragerecht des Arbeitgebers ist im Verhältnis zur Schutzsituation zwischen Staat und Bürger eine geringere Zwangssituation gegeben, weil Fragebögen aus freien Stücken ausgefüllt werden und die Zwangslage eines Arbeitssuchenden, eine neue Arbeitsstelle zu finden, im Verhältnis zur Zwangssituation eines Arbeitnehmers, seine Arbeitsstelle zu verlieren, ungleich geringer ist. Daher erreicht das Schutzgebot nicht seine maximale Schutzfunktion.
Hinsichtlich der Intensität des Eingriffes in die grundrechtlichen Wertgehalte ist auszuführen, dass es darauf ankommen wird, wie stark in das geschäftliche bzw berufliche Leben durch die Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft oder zu einer Partei eingegriffen wird. Hat die Berufsausübung in keiner Weise mit gewerkschaftlichen oder politischen Tendenzen zu tun, so gehört die Betätigung des Arbeitnehmers seinem individuellen Betätigungsbereich an. Bewirbt sich der Stellenbewerber hingegen für eine Stelle, zu deren Aufgabenbereich es gehört, bestimmte Ziele und Meinungen und damit eine bestimmte Tendenz nach außen zu vermitteln, die geeignet sind, die Glaubwürdigkeit und den Ruf eines Unternehmens zu beeinflussen, tritt das berufliche Interesse sehr stark in den Vordergrund. Die Trennung zwischen Privat- bzw Individualsphäre und Berufssphäre erscheint nicht mehr durchführbar. Privat- und Individualsphäre hören auf etwas Besonderes zu sein. Diese Aspekte mindern die Intensität der grundrechtlichen Wertgehalte.
Tendenzbetriebe im letzteren Sinn können zB Arbeiterkammern, Gewerkschaften, Arbeitgebervereinigungen, politische Parteien samt Proporzposten sein, in denen der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hat, jemanden als Arbeitskraft zu gewinnen, der auch dann während des Arbeitsverhältnisses die statutenmäßig niedergelegten Ziele und Interessen der betreffenden Vereinigung vertritt.
In diesen Ausnahmefällen kann man die Fragen nach Gewerkschafts- und Parteizugehörigkeit als zulässig erachten[5]), weil das Interesse des Arbeitgebers ganz besonders hoch ist, da der gute Ruf und die Glaubwürdigkeit des Betriebes auf dem Spiel stehen und das Interesse des Stellenbewerbers durch die schwache Schutzgebotsfunktion und die geringe Eingriffsintensität in die grundrechtlichen Wertgehalte relativ schwach erscheint. Im Übrigen sei auf die Ausführungen zur vertraglichen Begrenzung der Meinungsfreiheit an späterer Stelle verwiesen.[6])
Ein sehr empfindlicher Bereich ist die Glaubens- und Gewissensfreiheit, die zu den innersten Schattierungen der menschlichen Persönlichkeit gehört. Aus diesem Grund sollte dieser Bereich nicht indiskret und ohne sachliche Rechtfertigung erkundet werden. Denkbar ist ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Kenntnis der Religionszugehörigkeit des Arbeitnehmers dann, wenn die Religionszugehörigkeit einen direkten Bezug zur Arbeit hat und nach außen reflektierend eine gewisse Glaubens- und Geisteshaltung widerspiegelt. Hier ist an karitative und erzieherische Einrichtungen einer Religionsgemeinschaft wie konfessionelle Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, kirchliche Verlagsanstalten usw zu denken.