
K O N T A K T

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© Dr. Christoph Paul Stock
bb) Vereinbarung der Kinderlosigkeit
Ähnlich wie bei der Zölibatsklausel ist die Problematik bei vertraglichen Vereinbarungen der Kinderlosigkeit. Solche Vereinbarungen stellen dann rechtlich keine besonderen Schwierigkeiten dar, wenn sie offenkundig das Mutterschutzgesetz umgehen.
Ein solcher Fall wäre dann zB gegeben, wenn vertraglich vereinbart würde, eine Arbeitnehmerin müsse empfängnisverhütende Medikamente während der Vertragsdauer einnehmen, um eine Schwangerschaft zu verhindern.
Mit einer solchen Vereinbarung würde das Mutterschutzgesetz eindeutig umgangen und der Arbeitsvertrag müsste daher als Umgehungsgeschäft qualifiziert werden.[1]) Grundsätzlich zieht eine vertragliche Ausschließung der Bestimmungen eines Schutzgesetzes eine Nichtigkeit nach sich, die sich aus § 879 ABGB ableiten lässt. Mit der Vereinbarung der Empfängnisverhütung wird das Mutterschutzgesetz präventiv umgangen. Ein solches Umgehungsgeschäft ist daher nach § 879 ABGB ungültig.[2])
Es besteht also eine Teilunwirksamkeit des Vertrages, die nach allgemeinen Regeln dann zur Aufhebung des gesamten Vertrags führen würde, wenn die Parteien ohne die strittige Vereinbarung den Vertrag nicht abgeschlossen hätten.[3]) Dies ist wohl grundsätzlich auf Seiten des Arbeitgebers anzunehmen. Wenn die Teilunwirksamkeit aber auf ein gesetzliches Verbot oder eine Sittenwidrigkeit zurückgeht, ist nicht entscheidend, ob die Parteien auch den Restvertrag geschlossen hätten, sondern welche Schutznorm die Verbotsnorm bzw umgangene Norm, in unserem Fall das Mutterschutzgesetz, verfolgt.[4]) Der Arbeitnehmerin wäre nicht gedient, wenn man an Stelle einer unter Umständen schwer zu findenden Arbeitsstelle nun gar keinen Vertrag – und damit keine Arbeit – treten ließe. Der Schutzzweck der Norm verlangt die Restgültigkeit des Vertrages.[5])
Ähnlich problematisch werden vertragsauflösende Bedingungen sein, die unmittelbar an das Beschäftigungsverbot des Mutterschutzgesetzes anknüpfen. Auch hier hat das BAG wiederum hervorgehoben, dass der Tatbestand eines arbeitsrechtlichen Schutzgesetzes nicht zur auflösenden Bedingung eines Arbeitsverhältnisses gemacht werde kann, weil damit der Schutz des Gesetzes entfiele.[6])
Soweit man sich Fälle vorstellen kann, in denen das Mutterschutzgesetz nicht umgangen wird, sind die spezifischen Wertvorstellungen des Art 8 MRK heranzuziehen, die den Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens postulieren.
Wie schon weiter oben ausgeführt, schützt der Art 8 MRK jedermanns Anspruch auf das Zusammenleben mit seinen engeren Angehörigen im Familienverband und anerkennt damit gleichzeitig die Familie als eine Gemeinschaft besonderer Art. Damit wird kein Individualrecht geschützt, sondern die Familie als eine eigene Rechtsinstitution gesichert. Dieser grundrechtliche Wertgehalt wird einerseits durch Art 12 MRK nochmals bestätigt und findet weiters gerade im ABGB in einer großen Anzahl einzelner gesetzlicher Anordnungen eine zusätzliche Anerkennung.[7])
Hinsichtlich des Schutzgebotes kann auf die Ausführungen zu den Zölibatsklauseln verwiesen werden, weil das, was für die Eheschließung gilt, unter der Berücksichtigung, dass Eheschließung und Familiengründung in derselben Hinsicht und im gleichen Umfang durch die grundrechtlichen Wertgehalte geschützt werden, in logischer Folgerung für das hier besprochene Problem ebenfalls gelten muss. Damit kommt das Schutzgebot annähernd in seinem Maximalgehalt zur Anwendung.
Bezüglich der Berührung des Wesensgehaltes der grundrechtlichen Werte kann ausgeführt werden, dass durch ein Verbot Kinder zu bekommen, unzweifelhaft in den Kernbereich der geschützten Werte eingegriffen wird. Denn gerade in der Zeugung von Kindern liegt neben der Eheschließung die Grundlage der Familiengründung. Daher wird man das Recht auf Zeugung von Kindern für nicht abdingbar und damit als absolut geschütztes Recht bezeichnen müssen. Vertragsklauseln, die das Persönlichkeitsrecht auf Familiengründung verletzen, sind damit nichtig.
Ausnahmen kann man sich vergleichbar der Problematik bei den Zölibatsklauseln dort vorstellen, wo Kinderlosigkeitsklauseln bei zeitlicher Beschränkung unter der Voraussetzung zustande kommen, dass eine Arbeit eine ununterbrochene Arbeitstätigkeit von der Arbeitnehmerin verlangt und unter zwangslosen Verhältnissen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin in einem Arbeitsvertrag vereinbart wird. Ob es für die Praxis zweckmäßig ist, solche Klauseln einzubauen, um damit auf die besondere Gefahr einer durch Schwangerschaft bedingten Pflichtverletzung hinzuweisen, ist aber sehr fraglich.
Es mag zwar die Zeugung von Nachwuchs bei bestimmten Berufen und Tätigkeiten nicht von vornherein zur Verletzung der vertraglichen Arbeitspflicht führen, weil es Sache des Arbeitnehmers ist, sein Privatleben mit seinen arbeitsvertraglichen Pflichten in Einklang zu bringen, und erst wenn diese Pflichten konkret verletzt werden, ein Grund zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben ist – dann aber nicht wegen des Nachwuchses, sondern wegen der konkreten Pflichtverletzung[8]). Aber in den meisten Fällen wird bei zeitlich begrenzten Arbeitsverhältnissen, bei denen durch eine schwangerschaftsbedingte Unterbrechung der Vertragszweck ad absurdum geführt würde, ohnehin eine konkrete Pflichtverletzung vorliegen.
Zusätzlich werden in der Praxis insofern kaum Schwierigkeiten auftreten, weil die Arbeitnehmerin selbst eine Schwangerschaft in diesen Fällen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses verhindern möchte und durch die zeitliche Begrenzung etwaigen geänderten Vorstellungen und Wünschen der Arbeitnehmerin Rechnung getragen wird.