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Gesamte Inhalte:

© Dr. Christoph Paul Stock

 

B) BELÄSTIGUNG AM ARBEITSPLATZ

 

Bei der Frage der Belästigung am Arbeitsplatz muss man von zwei Voraussetzungen ausgehen. Einerseits davon, dass kaum bestritten werden kann, dass es eine Belästigung der Frauen gibt. Andererseits wird man die Tatsache nicht verneinen können, dass das sexuelle Spannungsverhältnis zwischen Mann und Frau etwas Natürliches ist, und ein gewisses Animiergehabe, ein Kokettieren, ein Versuch dem andersgeschlechtlichen Gegenüber zu gefallen und dessen Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, zu den normalen und alles andere als abartigen Verhaltensweisen des Menschen gehören. Wo die Grenzen zwischen Animierung und Belästigung liegen, ist schwer zu beantworten. Sie wird wohl von jedem einzelnen selbst zu eruieren sein. Neben diesem subjektiven Auslegungselement werden aber auch objektive Elemente hinzutreten müssen, weil ansonsten dem Humbug und der zweckfremden Verwendung des Begriffes sexuelle Belästigung Tür und Tor geöffnet sind.

Der Lösungsweg dieser Problematik ist schon vorbestimmt, weil wie beim Datenschutz und beim Nichtraucherschutz eine gesetzliche Regelung besteht. Dort wo es Detailregelungen zum Schutz der Persönlichkeit gibt, ist vielfach die Vorgangsweise für die Rechtsprechung schon vorgezeichnet. Interessant bleibt aber das Lösunsgsinstrumentarium, das im Gesetz umschrieben ist und versucht, das Problem des Persönlichkeitsschutzes zu bewerkstelligen. Hier ist zu untersuchen, wie der Gesetzgeber die Lösungsinstrumente gestaltet, und wieweit er in der Lage ist, wirklich mit diesen Instrumenten eine befriedigende Lösung ohne Rückgriff auf andere Bestimmungen und Instrumentarien zu erreichen.

Motiviert durch den Gleichheitsgrundsatz (Art 2 StGG, Art 7 Abs 1 B-VG und Art 14 MRK), der als zentrales Grundrecht in allen Bereichen des Rechts Bedeutung hat, wurde dem speziellen Anliegen der Gleichbehandlung von Mann und Frau in verschiedenen Konventionen und Gesetzen Rechnung getragen. Zu erwähnen sind hier die “Konvention über die politischen Rechte der Frau”[1]), die “UN - Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau”[2]) und für den Anwendungsbereich der Arbeitsverhältnisse das “Gleichbehandlungsgesetz”[3]).

Das Gleichbehandlungsgesetz zielt insbesondere darauf ab, Diskriminierungen der Frau auf Grund des Geschlechts bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, bei der Festsetzung des Entgelts, bei der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen, bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung auf betrieblicher Ebene, beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen, bei den sonstigen Arbeitsbedingungen und bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verhindern und bei Vorhandensein zu ahnden. Neu und besonders für das Persönlichkeitsrecht von Bedeutung sind die Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes[4]), die auch die sexuelle Belästigung als Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes festschreiben.

So bestimmt § 2 Abs 1 a Gleichbehandlungsgesetz, dass eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes dann vorliegt, “wenn der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber selbst belästigt wird oder der Arbeitgeber es schuldhaft unterlässt, eine auf Grund gesetzlicher Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen, wenn der Arbeitnehmer durch Dritte sexuell belästigt wird”[5]). In Abs 1 b wird weiters ausgeführt, dass sexuelle Belästigung dann vorliegt, “wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder wenn der Umstand, dass die Person ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten seitens des Arbeitgebers oder Vorgesetzten oder Kollegen zurückweist oder duldet, ausdrücklich oder stillschweigend zur Grundlage einer Entscheidung mit nachteiliger Auswirkung auf den Zugang dieser Person zur Berufsausbildung, Beschäftigung, Weiterbeschäftigung, Beförderung oder Entlohnung oder zur Grundlage einer anderen nachteiligen Entscheidung über das Arbeitsverhältnis gemacht wird”[6]). Bezüglich des Schadenersatzes regelt § 2 a Abs 7 Gleichbehandlungsgesetz: “Eine infolge sexueller Belästigung im Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis diskriminierter Arbeitnehmer hat gegenüber dem Belästiger und im Falle des § 2 Abs 1 a Z 2 (schuldhafte Unterlassung einer angemessenen Abhilfe durch den Arbeitgeber) auch gegenüber dem Arbeitgeber Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens. Soweit der Nachteil nicht in einer Vermögenseinbuße besteht, hat der Arbeitnehmer zum Ausgleich des durch die Verletzung der Würde entstandenen Nachteils Anspruch auf angemessenen, mindestens jedoch auf 5000 S Schadenersatz”[7]).

Dass es sich bei der Frage nach der Bewertung einer sexuellen Belästigung für die Persönlichkeit, um ein Problem der absoluten Intimsphäre des Menschen handelt, wird man wohl unbestritten behaupten können, ist doch die Sexualität, also die Gesamtheit der Lebensäußerungen, die auf dem Geschlechtstrieb, einem auf  geschlechtliche Beziehungen und Befriedigungen abzielenden Trieb, beruhen, einer der empfindlichsten Bereiche des menschlichen Lebens und daher durchaus besonders schutzbedürftig, was in den strengen Bestimmungen des Strafrechts auch deutlich zum Ausdruck kommt. Die eigentliche Schwierigkeit liegt darin, zu beurteilen, wann eine sexuelle Belästigung vorliegt. Das Gesetz gibt hier kaum Auskunft, verwendet es doch unbestimmte Ausdrücke wie “Würde”, “gröblich”, “einschüchternde Arbeitsumwelt” und “demütigende Arbeitsumwelt”. Ein Blick in die stenographischen Protokolle des Nationalrates geben die Vorstellung des Gesetzgebers wieder, dass auch “wiederholte wörtliche oder tätliche Aufforderungen oder Belästigungen”[8]) eine Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung darstellen. Die Konkretisierung bleibt trotzdem unscharf. Einer unterschiedlichen und uneinheitlichen Beurteilung der gesetzlichen Begriffe ist Tür und Tor geöffnet. Es sei nur hier daran erinnert, welche Schwierigkeiten die Auslegung des Tatbestandsmerkmales “unzüchtig” den Strafgerichten in der Vergangenheit bereitet hat. Eine demonstrative Aufzählung der vom Gesetzgebers gemeinten Belästigungen im Gesetz wäre daher durchaus wünschenswert gewesen. Zusätzlich wird man anmerken müssen, dass es in der Praxis wohl sehr schwierig sein wird, eine gesetzlich determinierte Diskriminierung derartiger Aufforderungen und Belästigungen festzustellen. Damit soll nicht bestritten werden, dass das im Gesetz umschriebene tatbestandliche Verhalten nicht ethisch zu verurteilen wäre. Vielmehr im Gegenteil wird man der daraus ersichtlichen sittlichen Werthaltung im Sinne unseres abendländischen Moralkodex nicht nur für den Arbeitsplatz sondern für die Gesamtheit der Lebensbereiche zustimmen müssen. Dies kann aber darüber nicht hinwegtäuschen, dass das Gericht bei der Beweiswürdigung überfordert ist, wenn es eine “erkennbare” Unerwünschtheit feststellen soll. Die praktische Anwendung wird daher schwierig und marginal[9]) sein.[10])

Weiters ist zu erwarten, dass die Gerichte nur dann in diesem Zusammenhang befasst werden, wenn ein Arbeitsverhältnis wegen einer sexuellen Belästigung und ihrer Nichtduldung oder gerade Duldung, je nach Sachverhalt, aufgelöst wird und das verpönte Motiv der Kündigung im Sinne des § 105 Arbeitsverfassungsgesetz angefochten wird.[11]) Jeder andere von seinem Arbeitgeber sexuell belästigte Arbeitnehmer wird sich, wenn irgendwie ertragbar, gegen die Belästigung nicht zur Wehr setzen, um seinen Arbeitsplatz nicht zu verlieren.

Bleibt also der zweite Aspekt zu untersuchen, dass der Arbeitgeber auch dann für eine Diskriminierung schadenersatzpflichtig gemacht werden kann, wenn er es  im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis schuldhaft unterlässt, eine angemessene Abhilfe gegen sexuelle Belästigung seitens Dritter zu bewerkstelligen. Hier sind nun zwei Kritikpunkte anzubringen. Auf der einen Seite bleibt das Gesetz in seiner Formulierung wiederum sehr ungenau, wenn es ausführt, die sexuelle Belästigung muss “im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis” stehen. Denn es ist nicht klar ersichtlich, ob nur an Belästigungen am Arbeitsplatz oder auch an Belästigungen im Betrieb oder gar außerhalb des Betriebes gedacht wurde. Denn es würde auch im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen, wenn ein Arbeitnehmer eine Kollegin am Arbeitsplatz kennenlernt und sie außerhalb der Arbeitsstätte belästigt. Wie sollte in einem solchen Fall der Arbeitgeber Abhilfe schaffen? Daher wird man die Ansicht vertreten müssen, dass eine sexuelle Belästigung nur dann von Bedeutung  sein kann, wenn sie im Betrieb geschieht, in welchem die Arbeit verrichtet wird, allenfalls auch bei Verrichtung von dienstlichen Tätigkeiten an einem Platz außerhalb des Unternehmens.[12])

Auf der anderen Seite ist als zweiter Kritikpunkt anzuführen, dass dem Arbeitgeber kraft seiner Betriebsorganisationsgewalt und seiner Stellung im Arbeitsverhältnis nicht ausreichende Mittel zur Verfügung stehen, die im Sinne auch des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geeignet wären, Abhilfe auch gegen eine erste Belästigung durch einen Dritten – nicht einmal nur durch einen Arbeitskollegen, sondern zB auch durch einen im Betrieb sich aufhaltenden Lieferanten von Waren oder einen Kunden – zu treffen. Dies ist einfach nicht möglich, weil der Arbeitgeber ja gezwungen wäre, in jedem Arbeitsraum und zusätzlich bei jeder Geschäftstätigkeit außerhalb des Betriebes eine Person damit zu betrauen, das sexuelle Wohlverhalten aller Anwesenden zu kontrollieren.

Denkbar wäre durchaus die Regelung, dass bei einer festgestellten gröblichen Belästigung durch einen Arbeitskollegen der Arbeitgeber angehalten wäre, den betreffenden zu ermahnen und im Wiederholungsfalle die Entlassung anzudrohen und diese dann bei beharrlichem weisungswidrigem Verhalten auszusprechen. Bei Verletzung der sexuellen Intimsphäre durch Dritte wird man wohl den Arbeitnehmer auf den Weg der Klage über das “allgemeine Persönlichkeitsrecht” verweisen müssen, ist es doch untragbar, die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers derart weit und unerfüllbar auszugestalten. “Da jedoch nach dem Gesetzestext schon von vornherein der Arbeitgeber Maßnahmen zur Verhinderung sexueller Belästigung zu treffen hat und dies kaum praktikabel ist, liegt geradezu eine ‘lex imperfecta’ vor.”[13])

Weiters ist als recht unakzeptabel die neue Bestimmung des § 2 Abs 7 Gleichbehandlungsgesetz zu klassifizieren. Nach dieser Bestimmung hat der Arbeitnehmer einen Schadenersatzanspruch gegen den Arbeitgeber auch dann, wenn er durch einen Dritten belästigt wurde und der Arbeitgeber nicht entsprechende Maßnahmen ergriffen hat, um solch einer Belästigung vorzubeugen bzw abzuhelfen. Der Schadenersatz richtet sich auf den Ersatz des erlittenen Vermögensschadens und, falls ein solcher nicht vorliegt, auf einen dem Schmerzengeld entsprechenden in Geld ausgedrückten immateriellen Schaden in der Höhe von mindestens S 5000,-. Soweit der grundsätzliche Zuspruch eines Ersatzes für den eingetretenen immateriellen Schaden zu begrüßen ist, so wenig ist das Einstehen-Müssen für ein sittlich unhaltbares Verhalten ganz gleich welches Dritten durch den Arbeitgeber zu akzeptieren. Denn nach dem österreichischen Schadenersatzrecht ist es primär der Schädiger, der dem Beschädigten den verursachten Schaden zu ersetzen hat. Nur aus Gründen der Verkehrssicherheit tritt neben dem Schädiger als Haftenden eine zum Schädiger in einem Naheverhältnis stehende Person ein und haftet mit dem Schädiger solidarisch.[14]) So etwa bei der Erfüllungsgehilfenhaftung (§ 1313 a ABGB) und der Besorgungsgehilfenhaftung (§ 1315 ABGB). Der Sinn liegt darin, dem Geschädigten die Einbringlichkeit der Schadenersatzforderung zu erleichtern. Zusätzlich zieht derjenige, der sich eines Gehilfen bedient, einen Vorteil aus dessen Tätigkeit.

Wenn man nun den Arbeitgeber für jedes sexuell belästigende Verhalten eines Dritten einstehen lässt, weil er nicht in der Lage war, Abhilfe zu schaffen, erscheint dies ungerechtfertigt, da ein für die Fälle der sexuellen Belästigung relevantes Verbindungsband zwischen Schädiger und solidarisch Mithaftenden nicht zu erkennen ist, und eine präventive Abhilfe unzumutbar erscheint.[15]) Irgendwo muss auch im Fürsorgebereich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Grenze der Verantwortlichmachung gezogen werden. Man darf die Verantwortung des Arbeitgebers nicht überspannen, unerfüllbar und unzumutbar machen. Genau dies wird aber durch die vorliegende Gesetzesänderung des Gleichbehandlungsgesetzes getan.

Schließlich noch ein Wort zu der so viel diskutierten Beweislastumkehr, die zum Glück nicht in das Gesetz aufgenommen worden ist. Danach hätte nämlich im Gegensatz zur momentanen gesetzlichen Regelung[16]), nach der eine Klage abzuweisen ist, wenn bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass ein anderes vom Arbeitgeber glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war, dahingehend eine Abänderung erfahren, dass der sexuell belästigte Arbeitnehmer das Motiv einer Maßnahme des Arbeitgebers selbst nur “glaubhaft” zu machen bräuchte, hingegen der Arbeitgeber “nachzuweisen” hätte, dass nicht auf das Geschlecht bezogene Gründe für seine Maßnahmen entscheidend waren. Dies kommt praktisch einer Umkehr der Beweislast gleich. Es ist einfach nicht ersichtlich, warum in einem Prozess wegen Diskriminierung die sonst geltenden Beweisregeln abgeändert werden sollten. Der Kläger hat seinen Anspruch zu beweisen.[17]) Schließlich ist es auch schwieriger eine behauptete sexuelle Belästigung zu widerlegen, als eine solche Belästigung zu beweisen. Würde man eine solche Beweislastumkehr zulassen, würde man eine ungerechtfertigte Gefahr für den Arbeitgeber schaffen, der bei jeder Kündigung einer Arbeitnehmerin Angst haben müsste, sie könnte ihn aus Rache einer sexuellen Belästigung bezichtigen.

Abschließend lässt sich in Summe feststellen, dass man scheinbar nicht in der Lage war, durch eine gesetzliche Bestimmung, eine Teilnuance des “allgemeinen Persönlichkeitsrechts”, die Sicherung der sexuellen Selbstbestimmung vor Übergriffen am Arbeitsplatz, befriedigend zu lösen.

 

Man wird bei der Interpretation der Begriffe “Würde”, “gröblich”, “einschüchternde Arbeitsumwelt” und “demütigende Arbeitsumwelt” auf die gesamte Rechtsordnung zurückgreifen müssen und gezwungen sein, im Sinne der Wertungsjurisprudenz vorzugehen, weil das Gesetz keine ausreichende Klarheit darüber gibt, wann eine sexuelle Belästigung vorliegt.

Insbesondere wird es notwendig sein, auf die Wertgehalte der Grundrechte zurückzugreifen. Ein Ansatzpunkt kann in Art 3 MRK gefunden werden, nach welchem niemand einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf. Die demütigende Situation, die sich aus einer sexuellen Belästigung ergibt, ist mit dem Schutzbereich zu vergleichen, den das Grundrecht im Auge hat. Je stärker situationsbedingt der Grad der Demütigung ist, desto stärker wird in den Wesenskern des geschützten Rechtsguts eingegriffen. Dabei ist zu beurteilen, ob ein geistiges Leiden, eine Herabsetzung in eigenen oder in den Augen anderer bezüglich des Ranges, der Stellung, des Rufes oder des Charakters der betroffenen Arbeitnehmerin gegeben ist und welchen Schweregrad diese Folgeerscheinungen haben. Entsprechend der Intensität des Eingriffes, hat sich auch die Höhe des Ersatzes für den eingetretenen immateriellen Schaden zu berechnen.

Hier stellt sich aber nun wirklich die Frage, insbesondere wenn man sich auch die anderen Unzulänglichkeiten des Gesetzes vor Augen hält, ob es nicht sinnvoller wäre, wenn man in solchen Fällen auf das “allgemeine Persönlichkeitsrecht” zurückgreifen würde, das die gleichen Instrumentarien verwendet, die zur Interpretation der vorliegenden Gesetzesstellen notwendig sind und durchaus die Möglichkeit der Durchsetzung eines immateriellen Schadenersatzanspruches bietet.

Rechtssicherheit hat die Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes mit Sicherheit nicht gebracht. Vielmehr wurden Arbeitgeber und Arbeitnehmer neuerlich verunsichert, um wieder dort zu stehen, wo sie vor der Erlassung der Gesetzesnovelle gestanden sind. Nämlich vor der Tatsache, dass man annehmen muss, jeder Mensch habe im allgemeinen sozialen Verkehr selbst genug Persönlichkeit zu sein, um sich gegen nicht strafrechtlich relevante sexuelle Belästigungen wirklich zur Wehr setzen zu können.

Wo das Machtverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer letzterem die Möglichkeit der Eigenwehr nimmt, bietet das Persönlichkeitsrecht genug Schutz, um sich bei den Gerichten Recht zu verschaffen. Sexuelle Belästigung hat weniger mit Ungleichbehandlung zu tun, sondern vielmehr mit der Verletzung der sittlichen Menschenwürde. Daher steht der Persönlichkeitsschutz im Vordergrund. Schließlich gibt es auch Belästigungen unter gleichgeschlechtlichen Personen.

 

Wo hier das Problem der Gleichbehandlung zwischen Mann und Frau liegt, ist für mich nicht erkennbar.


[1]) BGBl 1969/256.
[2]) BGBl 1982/443.
[3]) BGBl 1979/108.
[4]) BGBl 1979/108, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl 1992/833.
[5]) BGBl 1992/833, Art V Abs 2.
[6]) BGBl 1992/833, Art V Abs 2.
[7]) BGBl 1992/833, Art V Abs 9.
[8]) 839 Blg NR XVIII. GP, Art III und IV.
[9]) Im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, 839 Blg NR XVIII. GP, wurde festgestellt, dass seit dem Inkrafttreten des Gleichbehandlungsgesetzes erst in 15 Fällen Einzelfallprüfungen eingeleitet wurden, von denen nur zwei Verfahren durch entsprechende Vorschläge der Gleichbehandlungskommission beendet wurden. Zwei weitere Verfahren waren im Zeitpunkt der Berichterstellung noch im Laufen. Der Rest der Verfahren haben durch Zurückziehung des Antrages geendet. Es ist nicht zu erwarten, dass die Regelungen über die sexuelle Belästigung hier besonders viele neue Verfahren bringen werden. Auch scheint das tatsächlich juristische Interesse gering zu sein, was der Mangel an juristischer Auseinandersetzung in der Fachliteratur belegt.
[10]) vgl Salzburger Nachrichten, 11. Dezember 1993, Seite 2.
[11]) 839 Blg NR XVIII. GP, Art III und IV.
[12]) AnwBl 1992/5, 375.
[13]) AnwBl 1992/5, 375; Aus diesem Grund hat sich die Österreichische Rechtsanwaltskammer mit gegen die Formulierung der Novelle `92 des Gleichbehandlungsgesetzes ausgesprochen.
[14]) Spiro, Die Haftung für Erfüllungsgehilfen (1984); Westermann, Haftung für fremdes Handeln, JuS 1961, 333; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 II 343 ff.
[15]) AnwBl 1992/5, 376.
[16]) § 2 a Abs 8 Gleichbehandlungsgesetz eingeführt durch das Bundesgesetz, BGBl 1990/409, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz BGBl 1979/108 abgeändert wurde.
[17]) AnwBl 1992/5, 377.
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