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Von der objektiven zur non-dualen Erkenntnis

 

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© Dr. Christoph Paul Stock

 

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DIE ENERGIE DER REINKARNATION

Die Kraft des Loslassens durch die Überwindung der Versuchung

 

„Der Tod ist ein organischer, wesentlicher Bestandteil des Lebens, und er ist sehr freundlich zum Leben. Ohne ihn kann das Leben nicht existieren. Das Leben existiert durch den Tod, der Tod liefert den Hintergrund. Der Tod ist in Wirklichkeit ein Erneuerungsprozess. Und in jedem Moment des Lebens ist der Tod gegenwärtig, weil die Erneuerung in jedem Moment gebraucht wird. In dem Moment, in dem du einatmest und in dem Moment, in dem du ausatmest, findet beides statt.“[i]

 

Osho (Rajneesh / Chandra Mohan Jain)

 

Die Sonne strahlt seit unvorstellbar langer Zeit und erhellt und wärmt unsere Welt. Sie wird das noch lange tun, doch die Physiker sagen uns, dass eines Tages der Fusionsprozess im Inneren der Sonne erlöschen wird und die Sonne dann, nachdem sie sich aufbläht und alle inneren Planenten des Sonnensystems als Roter Riese verschlungen haben wird, zu einem Weißen Zwergstern zusammenfällt, der langsam auskühlt.[ii]


Sterne mit größerer Masse als unsere Sonne beenden ihr Leben in gigantischen Explosionen. Dieses Ereignis nennt man Supernova. Der sterbende Stern leuchtet dabei für kurze Zeit heller als eine ganze Galaxie aus Milliarden von Sonnen. Vor der Explosion bilden sich im inneren der Sonne durch geänderte physikalische Bedingungen in einer Fusion schwere Elemente wie Sauerstoff, Kohlenstoff und Eisen, die Grundvoraussetzung für das Leben wie wir es kennen sind. Die Explosion des Sterns verteilt die schweren Elemente im Weltraum und ermöglicht so die kosmische Evolution. Ohne den Sternentod und die Verteilung der schweren Elemente gäbe es keine Planeten und damit auch kein Leben. Für uns ist der Sternenhimmel fixiert. Er ändert sich nicht. Doch in kosmischen Dimensionen gedacht, verändert sich der Sternenhimmel durch den Tod und die Geburt von Sternen so, dass er für uns in keiner Weise mehr wiederzuerkennen wäre.

 

In unseren Körpern sterben permanent Zellen und werden neu gebildet. Dieser Zyklus der Zellregeneration dauert unterschiedlich lang. Bei heranwachsenden Menschen dominiert die Entstehung neuer Zellen gegenüber dem Abbau alter Zellen. Dadurch kommt es zu Wachstum und Differenzierung von Organ- und Gewebestrukturen. Bei erwachsenen Menschen verlagert sich das Verhältnis zu einer feinjustierten Balance zwischen neu entstehenden und sterbenden Zellen. Unterschiedliche Zelltypen haben eine unterschiedliche Erneuerungsrate. Manche sterben und erneuern sich in einem Rhythmus von zwei Tagen, andere benötigen dafür einen Zyklus von 8 Jahren. Nach 8 Jahren sind praktisch alle Zellen im menschlichen Körper ersetzt. Das ist ein klarer Hinweis darauf, dass wir nicht einfach nur die Zellen in unserem Körper sind.

 

Die Bevölkerung eines Landes ändert sich ständig. Dies hängt mit Geburten- und Sterberaten sowie Zu- und Abwanderungen zusammen. Wie schnell sich eine Bevölkerung vollständig erneuert hat, hängt von der Lebenserwartung im jeweiligen Land ab. Doch nach einer gewissen Zeit sind alle Menschen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gelebt haben, tot. An ihrer Stelle lebt nun die Folgegeneration.

 

Gerade das letzte Beispiel erscheint wie eine Binsenweisheit. Ja klar, wir werden alle sterben und dann leben andere hier auf dem Planeten. Doch dieser Prozess des Lebens und Sterbens und Wiedergeboren-Werdens zieht sich durch all unsere Lebensbereiche und es fällt uns weit schwerer diesen Prozess anzunehmen, als wir gemeinhin glauben.

 

Da ist der Elternteil, der nicht will, dass seine Kinder erwachsen werden, weil das bedeutet, selbst alt zu werden und die erworbene Macht abgeben zu müssen. Da ist der jugendliche Mensch, der zwar unabhängig von seinen Eltern sein möchte, gleichzeitig aber nicht ausreichend bereit ist, die Verantwortung für sein Leben zu übernehmen. Da ist die vor der Pension stehende Unternehmerpersönlichkeit, die aus eigener Kraft ein Unternehmen aufgebaut hat und jetzt Schwierigkeiten hat, die Zügel der Unternehmensführung aus der Hand zu geben. Da ist der alte Mensch, der noch immer jung sein möchte und einen tiefen Verlust verspürt, weil man die Alten so wenig wertschätzt und zur Seite schiebt. Da ist der kranke Mensch, der daran leidet, dass der Körper nicht mehr jene Möglichkeiten bietet, die früher vorhanden waren. Die Liste ließe sich unendlich weiterführen.

 

Nichts fällt uns schwerer, als das Erworbene und Erreichte wieder aufzugeben. Nichts ist eine so große Herausforderung wie das Loslassen liebgewonnener Besitzstände und habitueller Denkmuster. Nichts ist schwerer als sich aus einem eingerichteten Leben heraus wieder aufzuraffen und neue Wege zu beschreiten. Doch es gibt nichts Neues, wenn das Alte nicht aufgegeben wird. Solange wir im Alten verharren, sind unsere Lebensenergien im Alten gebunden. Dann hat das neue wenig Chance, weil es nicht ausreichend beachtet wird.

 

So könnte man wie Mephisto im Faust auf die Idee kommen und sagen, dass es besser wäre, wenn nichts entstünde[iii], und versuchen auf der Energie beständig sitzen zu bleiben. Doch das Leben ist eine Balance zwischen Beständigkeit und Wandel. Das ist sein Wesen. Die Energie lässt sich nicht dauerhaft festhalten. Sie wird dem Fluss des Lebens folgen. Wenn wir verharren, wird uns die Energie langsam verlassen und dann kann etwas entstehen, das man den Geist des Bösen nennt. Dieser Geist will dem Leben nicht folgen, er will seine eigene Vorstellung vom Leben durchsetzen, er will sich an die Stelle des Lebens setzen. Dabei versucht dieser Geist meist heimlich und korrupt anderen Menschen und Systemen Energie zu entziehen, um das im eigenen Leben entstehende Energiedefizit auszugleichen. Dieser Geist zerstört, ohne zu erschaffen. Er ist ein Schmarotzer am Leben selbst und ein Feind, der uns immer wieder und wieder suggeriert, weshalb wir seinen Versuchungen folgen und den Lebensfluss verneinen sollen.

 

Dieser Geist verspricht uns Sicherheiten, wo es nur Unsicherheit gibt, er verspricht uns Wohlergehen, wo auf uns das Unbehagen wartet, er verspricht uns Erfolg, wo uns nur die Leere bleibt, er verspricht uns den leichten Weg, wo sich nur eine Scheinwelt zeigt. Dieser Geist begegnet uns nicht nur im außen, sondern ganz besonders auch in unserem Inneren. Dort ist seine Macht vielleicht am allergrößten, wenn er aus unseren negativen Gedanken spricht und aus unseren negativen Gefühlen hervortritt.

 

Sein Versprechen ist die Versuchung, der Energie der Reinkarnation aus dem Weg gehen zu können. So schwer es auch sein mag und eine so große Zumutung es auch ist, der Tod ist nicht zu vermeiden und wartet nicht nur auf uns am Ende unseres physischen Lebens, er ist unser ständiger Begleitet. Die Asche des erlöschenden Lebens dringt aus jeder Pore unseres Seins. Es ist die Verzweiflung aller Sterblichen, es ist der Weltschmerz, der durch unser aller Leben zieht. Doch die Botschaft fast aller religiösen und spirituellen Lehren ist die klare Ansage, dass das Leben den Tod überwindet, dass der Phönix aus der Asche steigen wird, dass wir den Griff lockern und uns dem Fluss hingeben müssen, der uns an neue Ufer trägt, dass sich das Leben entgegen all unserer Ängste erneuern und wiedergebären wird. Das ist der Kern aller Spiritualität. Die Energie, die wir sind, wird bestehen bleiben, sie wird neue Formen annehmen, sie wird sich wandeln doch ihr inneres Wesen ist ewig. Wir können diese Wahrheit nur erfahren, wenn wir tapfer alles Angesammelte und Angehäufte wieder und wieder loslassen und uns dem Prozess der Reinkarnation hingeben. Dann wird sich das Neue in einer Form offenbaren, an die wir nie denken hätten können.

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Abbildung 11
Inhalt und Grafik-Design: © bei Christoph Paul Stock

[i] Osho hat in einer seiner vielen Reden auch intensiv über den Tod gesprochen. Diese Rede fand am 11. Oktober 1976 in der Buddha Halle in Pune / Indien statt und wurde unter dem Titel „The Art of Dying“ zusammengefasst. Das angeführte Zitat stammt aus dieser Rede.
Internetzugriff am 13.02.2024 unter:
https://oshosearch.net/Convert/Articles_Osho/The_Art_of_Dying/Osho-The-Art-of-Dying-00000001.html
 
[ii] BRUNIER, S.: Reise durch das Sonnensystem, Orbis Verlag, Paris, 1998, S. 29
 
[iii] Der Dialog zwischen Mephisto und Faust verläuft wie folgt: FAUST: „Nun gut wer bist du denn?“ MEPHISTOPHELES: „Ein Theil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“ FAUST: „Was ist mit diesem Rätselwort gemeynt?“ MEPHISTOPHELES: „Ich bin der Geist, der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles, was entsteht ist werth, daß es zu Grunde geht; Drum besser wäe*s daß nichts entstünde. So ist denn alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt, mein eigentliches Element.“ Vgl. dazu in BOHNENKAMP A., HENKE S., JANNIDIS F. (Hrsg.): Johann Wolfgang Goethe, Faust, Eine Tragödie, Konstituierter Text, Wallstein Verlag, 2014, S. 60
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