
K O N T A K T
Von der objektiven zur non-dualen Erkenntnis

Gesamte Inhalte:
© Dr. Christoph Paul Stock
DIE ENERGIE DES WILLENS
Die Kraft des Selbstausdrucks durch Entfaltung
der inneren Autorität
Eines der seltsamsten Objekte des Universums sind schwarze Löcher. Sie befinden sich im Zentrum ganzer Galaxien. Auch unsere Galaxie, die Milchstraße, hat in ihrem Zentrum ein Schwarzes Loch, das Sagittarius A* heißt. Unser Sonnensystem bewegt sich in einer Bahn mit der Sonne und allen Planeten um dieses Zentrum.
Die Besonderheit solcher Schwarzen Löcher ist, dass sie Materie vollkommen verschlingen und in ihnen eine derart große Gravitationskraft herrscht, dass die verschlungene Materie völlig zerrissen wird. Die Gravitation ist so groß, dass selbst das Licht aus diesen Löchern nicht mehr entweichen kann und in ihnen Raum und Zeit aufhören zu existieren. Da kein Licht aus ihnen kommt, sind sie absolut schwarz. Daher kann man sie eigentlich nicht sehen. Nur die Materie, die in sie hineingezogen wird, beginnt in der Nähe des Schwarzen Loches auf Grund der gewaltigen Kräfte zu leuchten. Dadurch kann man den Rand eines Schwarzen Lochs erkennen. Schwarze Löcher sind ein Ort, den man sich nicht vorstellen kann. Wenn man den Rand des Schwarzen Lochs, den man Ereignishorizont nennt, überschreitet, gibt es keine Rückkehr mehr in das Universum mit seinen uns bekannten Naturgesetzen.
Doch Schwarze Löcher sind nicht so schwarz wie sie erscheinen. Die im Schwarzen Loch zerrissene Materie tritt als sogenannte Hawking-Strahlung aus dem Schwarzen Loch wieder hervor. Schwarze Löcher setzen also Strahlung und damit Energie und Teilchen frei. Dadurch verringert sich die Masse des Schwarzen Lochs und über sehr große Zeiträume hinweg verdampft ein Schwarzes Loch vollständig.[i]
Schwarze Löcher scheinen Zeitmaschinen zu sein und haben gewaltigen Einfluss auf die Gestaltung und Entwicklung einer Galaxie. Sie sind der Quell gigantischer Energiemengen und fungieren als Motor für Milliarden von Sonnensystemen. Sie sind ein Sinnbild für das, was nicht ist. Sie sind aber auch ein Bild dafür, dass aus diesem Nicht-Sein immense Energiemengen in das Universum strömen. Sie sind ein unvorstellbares Potenzial, eine Möglichkeitsform, die in unsere Realität drängt.
Vulkane gehören zu den beeindruckendsten und gleichzeitig gefährlichsten Kräften in unserer Welt. Sie sind das Resultat einer gigantischen Plattentektonik, bei der sich ganze Kontinente unter- und übereinander schieben. In den dadurch entstehenden Reibungszonen in großen Tiefen verflüssigt sich das Gestein und bildet Hohlräume, Blasen und Kammern, in denen sich enormer Druck aufbauen kann. Dieser Druck ist es, der Vulkane ausbrechen und manchmal schlagartig explodieren lässt. Dann tritt durch die Eruption flüssiges Gestein an die Oberfläche, das ganze Regionen begleitet von Gasströmen und Staub- und Steinniederschlägen vernichten kann. So zerstörerisch diese Kraft auch ist, sie erschafft neues Leben, weil das Vulkangestein und die Ablagerungen, die durch den Vulkanausbruch entstehen, einen besonders fruchtbaren Boden schaffen. Dieser Boden bietet den Pflanzen und Tieren einen neuen Lebensraum, der erobert und besiedelt werden kann und so reichhaltig ist, dass die Natur sich schnell erholt und besonders gut gedeiht.
Wissenschaftliche Untersuchungen von ausgesprochen erfolgreichen Führungskräften haben nachgewiesen, dass diese Menschen Eigenschaften aufweisen, die anderen Führungskräften fehlen. Es zeigte sich, dass Führungskräfte kein überzogenes Ego brauchen, um wirklich erfolgreich zu sein. Im Gegenteil zeichnen sie sich oft durch eine persönliche Bescheidenheit aus. Doch was diese Führungskräfte haben, ist ein unerschütterlicher Wille, eine ausgeprägte Entschlusskraft. Aus ihnen dringt eine Kraft, die nicht von persönlichen Bedürfnissen, Motiven, Wünschen oder Vorstellungen geprägt ist.[ii] Sie sind wie ein Schwarzes Loch, das in sich einen immensen Antrieb hat und aus dem gewaltige Energien fließen. Sie sind wie ein Vulkan, den man nur schwer aufhalten kann und der eine neue Realität erschafft. Sie bringen etwas in die Welt, was vorher noch nicht da war. Sie haben die Fähigkeit, etwas ins Leben zu bringen, was aus dem Geist ins Leben drängt. Sie inkarnieren den Geist und sind in besonderer Weise mit dem Weltganzen verbunden. Sie sind Ausdruck reiner Willenskraft.
Ohne diese Willenskraft sind die schon beschriebenen Energien nutzlos. Erst die Willenskraft erweckt sie zum Leben und gibt ihnen Inhalt und Form in der realen Welt. Alle Wirkkraft verpufft, wenn sie nicht von der Willenskraft aufgegriffen, genutzt und umgesetzt wird.
Fehlt im Bereich der Energie der Beständigkeit die Willenskraft, entsteht statt eines Bewusstseins für die gewaltige Struktur, die uns umgibt und erhält, schnell Trägheit und Faulheit. Man nimmt die Dinge als selbstverständlich hin und richtet sich wohlig ein, ohne zu erkennen, dass man sich selbst einbringen und einen Beitrag leisten muss. Jeder, der Meditation praktiziert, weiß, wie schnell es geht, dass man aus der Haltung des einfachen Seins im Hier und Jetzt in Gedanken abgleitet und von Gefühlen überschwemmt wird, die einen in die Vergangenheit oder Zukunft drängen. Nur die Willenskraft ermöglicht es, dass uns dieses Abdriften bewusst wird und wir in den Moment der reinen Achtsamkeit zurückkehren können.
Die Energie der Wandlung ist ebenfalls auf die Willenskraft angewiesen. Ohne Willenskraft erkennen und sehen wir unter Umständen viele Möglichkeiten, haben Ideen und großartige Vorstellungen. Doch die Willenskraft verlangt eine Umsetzbarkeit in die Realität. Sie gibt sich mit Utopien, Spintisierereien, Wunscherfüllungsdenken und endlosen Gedankenspielen nicht zufrieden. Sie verlangt eine tragfähige und realisierbare Vision, etwas, das aus dem Raum der Möglichkeit in die Realität gebracht werden kann.
Ohne Willenskraft bleibt alles unentschieden und bloß eine Möglichkeit. In der Bewahrung aller Möglichkeiten lässt sich keine Liebe finden. Wir müssen das Opfer der Entscheidung bringen. Jede Entscheidung löscht viele andere Möglichkeiten aus. Wenn ich mich für eine Lebenspartnerin bzw. einen Lebenspartner entscheide, entscheide ich mich gegen alle anderen möglichen Partnerschaften. Wenn ich mich für eine Familie entscheide, muss ich dafür viel Zeit und Ressourcen aufwenden, die in anderen Bereichen fehlen. Wenn ich mich für einen Beruf entscheide, reduziert sich die Möglichkeit, andere Tätigkeiten auszuüben, weil ein Job sehr viel Lebensenergie und Lebenszeit in Anspruch nimmt. Doch wenn man in der Unentschlossenheit verharrt, wird das Leben zu einem Aufschub, zu einer Prokrastination und fließt wie Sand durch unsere Hände, ohne dass wir die Chance genutzt haben, etwas zu erleben, etwas zu erfahren und aus dem Erlebten und Erfahrenen etwas zu lernen. Liebe wird durch Entscheidung möglich und Entscheidungen benötigen Willenskraft, um den Drang, sich alle Optionen offen zu halten, zu überwinden.
Wir möchten wachsen und uns entwickeln. Wir möchten kreative Wesen sein. In kleinen Kindern kann man diesen Drang besonders gut beobachten, wenn sie mit aller Kraft beginnen, sich zu drehen, sich aufzusetzen, dann aufzustehen und schließlich zu gehen. Beharrlich lernen sie Worte, dann Phrasen und ganze Sätze, um sich verständigen zu können. Je älter wir werden, umso öfter stellt sich das Gegenteil ein. Nicht selten suchen wir den einfachen Weg der Abkürzung und laden die Last und den Schmerz der Entwicklung bei anderen ab. Wir werden zu schmerzvermeidenden Personen, Trittbrettfahrerinnen und Trittbrettfahrern, suchen die Protektion, verschließen die Augen vor Korruption oder machen selbst die Hand auf, um zu nehmen, was wir uns nicht verdient haben oder um anderen zu geben, was ihnen nicht zusteht, um ihre Gunst und Unterstützung zu erkaufen. Ohne Willenskraft können wir uns unseren Schatten nicht stellen. Ob das, was uns tiefgründig belastet und quält durch unser eigenes Tun und Unterlassen oder durch das Tun und Unterlassen anderer entstanden ist, es bleibt unsere ganz persönliche Aufgabe, uns diesem Schatten zu stellen und ihn zu erkennen. Ohne ein solches Vorgehen, lässt sich die Energie der Kreativität nicht entfalten und kann Neues in unserem Leben nur schwer entstehen. Ohne die Willenskraft, sich dem Schatten zu stellen, wird aus echtem Wachstum rasch die Vorstellung, man hätte etwas erreicht, was gar nicht der Fall ist. Man wähnt sich einer Entwicklung, die nicht echt und authentisch ist. Wir werden zu einer Maske, statt zu uns selbst. Der Schein zählt mehr als das Sein und der Zweck, ein solches Bild von sich zu gestalten, heiligt die Mittel. Die Willenskraft fordert uns auf, uns selbst zu finden und unsere Masken abzulegen, authentisch zu leben, statt größenwahnsinnig jemanden zu mimen und den Zweckoptimismus hinter uns zu lassen in einer Offenheit und Neugierde für das, was verletzlich und entwicklungsbedürftig ist.
Wir leben in einer Kultur des Massenkonsums, in der die unmittelbare und sofortige Bedürfnisbefriedigung zum Maßstab geworden ist. Die Erfüllung jedes Wunsches scheint nur einen Mausklick entfernt zu sein. Jede Lieferung, jede Dienstleistung, jede Rückmeldung wird möglichst rasch und ohne Verzögerung verlang. Wir sammeln Dinge in einem unvorstellbaren Ausmaß an. Zu diesen Dingen gehören nicht nur Sachen, sondern auch Freundschaften und Kontakte in Sozialen Medien, Besuche fremder Orte in atemberaubender Geschwindigkeit, Ansammlung von Events und Freizeitaktivitäten. Wir haben das permanente Gefühl, etwas zu versäumen. 100 Dinge, die man gemacht haben muss, 100 Bücher, die man gelesen haben muss, 100 Orte, die man besucht haben muss. 100 Gadgets, die man haben muss. Wir rasen durch unser Leben mit gewaltiger Geschwindigkeit, ohne anzuhalten. Wir verlieren mehr und mehr den Rhythmus, haben verlernt, auf etwas warten zu müssen, tun uns schwer, auf etwas jetzt zu verzichten, um etwas Wertvolleres und Tieferes zu erfahren und zu erleben. Wir verbrauchen jetzt, was wir morgen benötigen und betreiben einen Raubbau an den Ressourcen der Welt und uns selbst. Dabei übersehen wir, dass die oberflächliche Erfahrung so rasch verfliegt, wie sie gekommen ist. Oft sind es harte und schwere Verluste, die uns aufwachen lassen. Plötzlich fehlt ein geliebter Mensch, der immer an unserer Seite war, plötzlich verlieren wir einen Job und die existenzielle Absicherung, die so selbstverständlich geworden ist. Plötzlich erkranken wir und erfahren eine Einschränkung, die nicht vorstellbar war. Plötzlich holt uns der Rhythmus der Dinge ein und lehrt uns, was wir wirklich versäumen. Wir beginnen zu begreifen, dass es höhere Ziele im Leben gibt, die durch die rasche Wunscherfüllung nicht ersetzt werden können. Es dämmert uns, dass wir aus einem bestimmten Grund in diese Welt gekommen und geboren worden sind. Die Welt verführt uns zu tausend Dingen, die mit unserem Lebensweg oft wenig, manchmal gar nichts zu tun haben. Sie lenken uns von unserer eigentlichen Bestimmung ab. Gleichzeitig weisen sie uns darauf hin, dass wir versuchen, eine Leere in uns mit Dingen zu füllen, die wir mit Dingen niemals füllen können. Es braucht Willenskraft, um den Verführungen zu widerstehen und sich den höheren Zielen zuzuwenden. Es braucht Willenskraft, um auf die schnelle und einfache Lösung zu verzichten, um sich auf die tieferliegende Aufgabe zu konzentrieren. Es braucht Willenskraft, um sich nicht von Trends, Moden, der Meinung der anderen, dem, was man so tut und was in der Gesellschaft angesagt und hipp ist, von außen steuern zu lassen, sondern selbst die Steuerung zu übernehmen.
Das ist es, was die Willenskraft ausmacht. Sie ist die Bereitschaft, das Steuer für das eigene Leben zu übernehmen. Dann sind es nicht mehr die Bedürfnisse, Begierden, Motive, Hoffnungen, Wünsche, Vorstellungen und Gewohnheiten, die uns steuern, sondern all diese Dinge werden von uns ausgesteuert. Unser Geist, der seiner inneren Bestimmung folgt, gibt den Kurs vor. Der Geist folgt seinen eigenen Werten, sucht das, was für ihn Bedeutung hat, verfolgt jene Ziele, die für ihn sinnstiftend sind. Ein solcher Geist fokussiert sich nicht nur auf den Erwerb des eigenen Lebensunterhalts, will nicht nur besser sein im Vergleich zu anderen, sondern seinen individuellen Beitrag für das Ganze leisten. Einen Beitrag, den niemand sonst erbringen kann. Er folgt seiner eigenen inneren Autorität, er folgt seinem wahren Sein.

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