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Von der objektiven zur non-dualen Erkenntnis

 

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Gesamte Inhalte:

© Dr. Christoph Paul Stock

 

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VOM AUTOMATISMUS ZUR MITSCHÖPFERISCHEN VERANTWORTUNG

Das aufkeimende Selbst

 

Jedes Jahr feiern wir unseren Geburtstag als ein wichtiges Ereignis. Doch was ist so wichtig an diesem Tag? Wir waren doch schon vor der Geburt im Bauch unserer Mütter existent. Mit der Geburt werden wir zu einem eigenständigen Menschen. Sicher, die Eigenständigkeit ist noch relativ. Wir können noch nicht gehen, wir können nicht sprechen, wir können uns nicht um unseren Lebensunterhalt kümmern. Doch wir sind eigenständig in der Welt und müssen zwei grundlegende Dinge tun, die zuvor noch nicht notwendig waren. Wir müssen selbständig atmen und wir müssen selbständig essen und trinken, verdauen und die verdaute Nahrung wieder ausscheiden. Es ist die Entbindung vom Körper der Mutter, der die Geburt so bedeutend macht.

 

Geburt bedeutet also für bestimmte Abläufe im Leben Verantwortung zu übernehmen. Wenn wir nicht selbständig atmen, ist unser Leben schnell vorbei. Wenn wir nicht essen und trinken, dauert es ein wenig länger, bis der Organismus aufhört zu arbeiten, doch auch diese Unterlassung endet fatal. Der plötzliche Kindstod, bei dem Kinder nicht mehr atmen, und die Weigerung von Kleinkindern zu essen und zu trinken, belasten Mütter und Väter in der ersten Zeit des Kleinkindalters sehr.

 

Ob uns das klar ist oder nicht, jede Geburt bedeutet die Übernahme von Verantwortung. Aufgaben, die bisher von etwas anderem oder von anderen übernommen wurden, müssen wir nun selbst übernehmen. Wir können uns auf den bisherigen Automatismus nicht mehr verlassen. Wir müssen selbst etwas tun. Wir sind für den Lebensprozess ein Stück weit selbst verantwortlich geworden.

 

Das Universum hat intelligente und kreative Menschen geschaffen. Das ist sicherlich nicht nur aus Jux und Tollerei geschehen. Es ist ein kreativer Wurf, der uns eine Mitverantwortung für dieses Universum und die kreative Fähigkeit zur Mitgestaltung in diesem Universum gibt. Das ist unser Vorrecht aber auch unsere Bürde als Menschen.

 

Wenn wir also auf der Suche nach dem spirituellen Kind in uns selbst sind, ist die erste Frage, die wir uns stellen müssen, welche Verantwortung wir in dieser Welt zu übernehmen haben. Welche Aufgabe und welches Anliegen verfolgt der Geist, die er in unsere ganz individuelle Verantwortung stellen will. Was ist für uns bestimmt?

 

Manchmal ist diese Frage leicht zu beantworten. Wenn eine Frau schwanger geworden ist, dann ist es im Normalfall ihre Aufgabe, sich um den heranwachsenden Fötus und das später geborene Kind gemeinsam mit ihrem Mann und der Familie zu kümmern. Schon dieser recht klare Auftrag bedeutet für so manche Mutter und so manchen Vater eine enorme Herausforderung, die sich in diversen Fällen mit den eigenen persönlichen Zielen und Plänen nicht so einfach vereinbaren lässt. So manche Mutter verfällt in eine Kindbettdepression angesichts der veränderten Situation, die auf sie mit dem neugeborenen Kind zukommt. So mancher Vater nimmt Reißaus, wenn es um die Verantwortung geht, die ihn durch die Geburt des Kindes trifft.

 

Wenn wir in unseren eigenen Plänen und Vorstellungen für unseren Lebensweg gebunden sind, wird es schwierig, wahrzunehmen, was unsere Bestimmung ist. Daher müssen wir zuerst einmal die Bereitschaft entwickeln, uns von unseren eigenen Plänen und Vorstellungen aber auch von den Plänen und Vorstellungen anderer freizumachen und zu ihnen auf Abstand gehen.

 

Abstand ist keine einfache Sache in unserer sozial komplexen, hochtechnisierten und verplanten Welt. Unsere Eltern, unsere Familie, unsere Verwandten, die Lehrer, die Gesellschaft alle haben schon recht konkrete Vorstellungen, was aus uns werden soll und welchen Beitrag wir zu erbringen haben. Sie haben schon alle unser Leben eingeplant und verplant. Schon als Kinder sind wir dazu verdonnert, Ärztin bzw. Arzt, Rechtsanwältin bzw. Rechtsanwalt oder Diplomingenieurin bzw. Diplomingenieur zu werden, ganz gleich, ob das mit uns jetzt etwas zu tun hat oder nicht. In nur seltenen Fällen wird Menschen die Freiheit überlassen, sich für einen eigenen und wirklich eigenständigen Lebensweg zu entscheiden. So ist der eigene Lebensweg für viele Menschen entweder der vorgezeichnete und vorgeplante Lebensweg, den andere für uns bestimmt haben oder ein Lebensweg, der hauptsächlich dadurch gekennzeichnet ist, dass man sich gegen die Ansprüche der anderen wehrt und versucht, in einer Gegenbewegung seinen eigenen Lebensweg zu finden. In diesem Fall ist der eigene Lebensweg oft einfach ein Gegenentwurf zum Lebensweg, den andere von uns haben wollten oder ein Lebensweg, der versucht, jene Lebensentwürfe, denen unsere Eltern und nahen Angehörigen gegangen sind in Frage zu stellen und im eigenen Leben gerade das anders zu machen, was für uns nicht erstrebenswert ist und daher auch nicht übernommen und wiederholt werden soll. Wir versuchen belastende und negative Erfahrungen, die uns durch Lebensentwürfe anderer entgegengetreten sind, dafür zu nutzen, es in unserem Leben anders und besser zu machen.

 

Ob wir nun ein angepasstes oder ein rebellisches Leben führen, beide Formen sind mit unserem direkten Umfeld und den Ansprüchen dieses Umfeldes verbunden. Dieser Weg ist wichtig, weil wir nur so erwachsen werden können. Für einen spirituell orientierten Menschen ist dieser Weg aber nicht das Ende der Reise. Für ihn spielt über das Umfeld hinaus das größere Ganze eine entscheidende Rolle. Dafür muss man sich freimachen. Das ist eine bewusste Entscheidung. Der angepasste Mensch sagt ein JA zu den Ansprüchen der anderen, der rebellische Mensch sagt ein NEIN zu den Ansprüchen der anderen und ein JA zu den eigenen Ansprüchen. Der Spirituelle Mensch sagt ein NEIN zu den eigenen Ansprüchen und ein JA zu den Ansprüchen des Geistes. In der Realität fließen all diese Ansprüche ineinander, lassen sich nicht so klar voneinander trennen, treten einmal getrennt und ein anderes Mal zusammen auf, haben in unterschiedlichen Lebensabschnitten unterschiedliche Ausprägungen und werden von Menschen in unterschiedlichsten Abstufungen und Gewichtungen verfolgt. Doch tendenziell geht es um diese sehr grundlegenden Entscheidungsfragen. Einmal kämpfen wir mit dem Spannungsverhältnis zwischen der PERSONA und dem SCHATTEN, dann kämpfen wir mit dem Spannungsverhältnis zwischen EGO und SCHATTEN. In diesem Ringen versuchen wir, zu einem integrierten und ganzen Menschen zu werden, der eine Persönlichkeit entwickelt und seinen Aufgaben in Familie und Gesellschaft nachkommt aber auch eine Individualität entfaltet, die sich dem Weltganzen verbunden und verpflichtet fühlt.

 

Das Ganze funktioniert nicht nur ohne unser Zutun, es funktioniert, weil wir dafür eine Mitverantwortung übernehmen. Wenn wir unsere individuelle Bestimmung nicht aufgreifen, wird es kein anderer tun, weil nur wir sie aufgreifen können. Wenn wir unserem spirituellen Auftrag nicht nachkommen, wird dieser Beitrag fehlen. Ob der Beitrag nun groß oder klein ist, er macht einen echten Unterschied. Die Welt wird um einen wichtigen Aspekt ärmer sein, wenn wir unsere Verantwortung nicht erkennen und dementsprechend leben. Das ist das Bewusstsein, das wir brauchen, um spirituell wachsen zu können.

© Christoph Paul Stock | Wien | 2025 | All rights reserved!
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